Juncker und Trump entschärfen den Handelskrieg - vorläufig

U S President Donald Trump meets with President of the European Commission Jean Claude Juncker in
U S President Donald Trump meets with President of the European Commission Jean Claude Juncker inimago/UPI Photo
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Industriezölle sollen abgeschafft werden. Die EU soll mehr Soja und Flüssiggas aus USA importieren. Beide Seiten wollen vorerst keine neuen Zölle einführen.

Washington/Brüssel. Das Treffen von Donald Trump und Jean-Claude Juncker am Mittwoch im Weißen Haus führte zwei Politiker zusammen, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Der Hausherr, ein polternder Selbstdarsteller, der die Europäische Union via Twitter zum „Feind“ seines Landes erklärte und sich selbst von Fakten nicht überzeugen lässt, dass die EU der wichtigste Partner der USA ist und ein gedeihliches Einvernehmen in beiderseitigem Interesse liegt. Der Gast wiederum, ein nicht nur physisch erschöpfter Konsenspolitiker, der von den sozialen Medien nichts hält, ein altes Mobiltelefon verwendet, seine Verhandlungspartner mit bisweilen schrulligem Charme umgarnt und aus tiefem geschichtlichen Bewusstsein heraus weiß, wie wichtig Konsens und gegenseitiges Nachgeben für den Erhalt von Frieden und Wohlstand sind.

Und fürs Erste dürfte es Juncker gelungen sein, Trump davon abzubringen, einen Strafzoll von 25 Prozent auf die Einfuhr von europäischen Autos zu verhängen – das hätte in erster Linie Deutschland hart getroffen. Von Autos sprachen die beiden nach ihrem Treffen in einer gemeinsamen kurzen Stellungnahme gar nicht. Stattdessen wolle man sich die von den USA verhängten Strafzölle auf Stahl und Aluminium genau ansehen, den transatlantischen Handel von Arzneimitteln und Industriegütern erleichtern und  in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Reformpläne für die Welthandelsorganisation WTO entwerfen.

Deutschland und Börsianer jubeln

Trump sagte: "Wir haben uns genau hier im Weißen Haus getroffen, um eine neue Phase in den Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union zu starten. Eine Phase enger Freundschaft, starker Handelsbeziehungen, in denen wir beide gewinnen werden."

Die Einigung von Washington wurde in Deutschland, das US-Zölle auf Autos hart getroffen hätte, bejubelt. "Zölle runter, nicht rauf! Freier Handel & Mio Jobs gesichert!", schrieb der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier auf Twitter. Juncker und Handelskommissarin Cecila Malmström hätten "großartig" verhandelt. Die Grundsatzeinigung trieb am Abend auch die Wall Street an, die wichtigsten Aktienindizes schlossen teils deutlich im Plus. Die Technologie-Auswahlindizes Nasdaq 100 und Nasdaq Composite schwangen sich sogar zu Rekordhöhen auf.

„Sojabohnen sind eine große Sache“

Ökonomisch nebensächlich, für Trump innenpolitisch aber am wichtigsten dürfte jenes Zuckerl sein, das ihm Juncker in Sachen Landwirtschaft servierte: nämlich eine Erhöhung des Sojaimports nach Europa. „Sojabohnen sind eine große Sache. Die EU wird sofort beginnen, eine Menge Sojabohnen von unseren Bauern im Mittleren Westen zu kaufen. Ich danke Ihnen dafür, Jean-Claude“, sagte Trump in Anwesenheit etlicher Kongressmitglieder und Gouverneure seiner Partei aus den davon betroffenen US-Teilstaaten. Im November wird ein Drittel aller US-Senatoren sowie das gesamte Abgeordnetenhaus neu gewählt. Die Republikaner, welche derzeit beide Kammern des Kongresses kontrollieren, befürchten einen herben Verlust. Vor allem die Ankündigung der Regierung in Peking, als Reaktion auf Trumps Strafzölle gegen China weniger US-Soja zu importieren, würde eines der politischen Kraftzentren Trumps – den ländlichen Mittleren Westen – hart treffen.

Juncker hat geschickt taktiert, die Eskalation des Handelskrieges mit den USA ist vorerst abgewendet. Doch für wie lange? Denn auf Augenhöhe begegnen sich die Europäer und die Amerikaner schon seit einiger Zeit nicht mehr. Trumps Wahl zum Präsidenten hat das Ansehen der USA in Europa stark verschlechtert. Man nehme beispielhaft für die Stimmungslage in Europa die Meinung in Deutschland: Laut der aktuellen „Global Attitudes Survey“ des US-Forschungsinstituts Pew finden nur mehr elf Prozent der Deutschen, dass der US-Präsident sich in der Weltpolitik richtig verhält. Ein Jahr zuvor vertrauten 86 Prozent der Deutschen Barack Obamas Außenpolitik. Nur mehr 35 Prozent der Deutschen sagen seit Trumps Einzug ins Weiße Haus, sie hätten eine gute Meinung von Amerika. Ein Jahr zuvor waren es 57 Prozent.

Entfremdung begann 2003

Doch die transatlantische Entfremdung begann bereits unter Trumps Vorgängern. George W. Bush hat im Jahr 2003 mit seiner fatalen Entscheidung, gegen den Willen seiner traditionellen Partner Deutschland und Frankreich den Irak anzugreifen, den Antiamerikanismus dauerhaft bestärkt. Barack Obama wurde in Europa zwar bejubelt. Doch rasch wurde klar, dass er mangels persönlicher Bindung wenig Interesse an einem vertieften Verhältnis mit der Union hatte.

Die strategische Wende hin zu Asien war Obamas Leitmotiv: Erst spät erkannte er, dass die Europäer in einer Welt aufstrebender Autokratien seine einzigen verlässlichen Partner sind. Da hatte er schon einiges an Porzellan zerbrochen. Nur lauwarm entschuldigte er sich nach der Enthüllung, dass der US-Geheimdienst NSA auch die Europäer systematisch überwacht. In Frankreich trägt man es ihm bis heute bitter nach, seine selbst gezogenen „roten Linien“ im Syrien-Krieg nicht militärisch verteidigt zu haben, sagte der französische Politikwissenschaftler Olivier Roy zum Magazin „L'Obs“. Und unvergessen bleibt das an die Öffentlichkeit gespielte Telefonat der damals für Europa zuständigen US-Spitzendiplomatin Victoria Nuland, die 2014, mitten in der Ukraine-Krise, verächtlich sagte: „Scheiß auf die EU.“

WORUM GEHT ES

Handelskrieg. US-Präsident Donald Trump hat mit seiner Verhängung von Strafzöllen auf Stahl und Aluminium aus fast allen Ländern der Welt eine Spirale von Gegenmaßnahmen ausgelöst, die ungebremst zu einer Weltrezession zu führen drohen.

Deeskalation. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker traf Trump am Mittwoch in Washington, um besänftigend auf ihn einzuwirken und zumindest fürs Erste Schlimmeres abzuwenden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2018)

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