Warum für viele italienische Katholiken Salvini „der Satan“ ist

Das aktuelle Cover des einflussreichen katholischen Magazins greift die Migrationspolitik des italienischen Innenministers an.
Das aktuelle Cover des einflussreichen katholischen Magazins greift die Migrationspolitik des italienischen Innenministers an.REUTERS
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Das katholische Magazin „Famiglia Cristiana“ vergleicht den Innenminister mit dem Teufel. Damit erreicht der Protest italienischer Kirchenvertreter gegen die Lega-Migrationspolitik einen neuen Höhepunkt – obwohl sich Salvini intensiv um ein Image als Paradekatholik bemüht.

Rom/Wien. Eine Hand erhebt sich über den perplex blickenden italienischen Innenminister. „Vade retro Salvini“ steht in Blockbuchstaben daneben. Salvini quasi als moderner Satan – das Cover des einflussreichen katholischen Magazins „Famiglia Cristiana“ spricht diese Woche eine deutliche Sprache: die Anspielung auf das Jesuswort „weiche zurück, Satan“ (Mk 8,33) und auf den Exorzismus ist unmissverständlich.

Mit dieser heftigen Kritik an der Einwanderungs- und Minderheitenpolitik der Lega spitzt sich der Konflikt zwischen dem Chef der ausländerfeindlichen Partei und der Kirche in Italien massiv zu. „Wir können und wollen nicht wegschauen. Wir können nicht zulassen, dass Angst Entscheidungen prägt und ein Klima des Misstrauens, der Verachtung und Wut schürt“, zitiert „Famiglia Cristiana“ die italienische Bischofskonferenz. Angeführt werden auch die Positionen vieler Kirchenvertreter, die gegen Salvinis Schließung der Häfen, Angriffe auf NGOs, Kürzungen der Flüchtlingshilfe und Drohungen gegen die Roma-Minderheit bereits deutlich Stellung bezogen haben. So etwa Mario Delphi, Bischof aus Mailand: „Wir wünschen uns, dass es niemanden gleichgültig lässt, was passiert. Dass niemand ruhig schläft, dass sich niemand einem Gebet entzieht.“

„Geschmacklos“, nannte der Innenminister im ersten Ärger das Magazincover, später versuchte er, etwas souveräner zu wirken. „Auf Hass antworte ich mit Verzeihung“, twitterte er. Doch der Frontalangriff der in Italien politisch einflussreichen Kirche dürfte Salvini besonders schmerzen. Der ehemalige Gründer einer kommunistischen Fraktion innerhalb der Lega bemüht sich ja seit Jahren intensivst um katholische Stimmen. Mit einigem Erfolg: Immerhin wählten im März 15,7 Prozent der Katholiken die radikale Rechtspartei, die Zustimmung wächst. Salvini selbst präsentiert sich heutzutage gern als Paradekatholik – und nimmt bei jedem wichtigen öffentlichen Ereignis den Rosenkranz mit: Am Tag seines Amtsantritts hatte er gut sichtbar einen Rosenkranz in der Hand, ebenso wie beim heurigen Lega-Parteitag, als er die „Befreiung der Völker Europas“ versprach. Mit Rosenkranz und Evangelium schloss er Ende Februar auch den Lega-Wahlkampf ab. Zu Wochenbeginn brachte der Lega-Chef einen Gesetzesentwurf ein, laut dem das Kruzifix in öffentlichen Gebäuden Pflicht sein soll – vor allem in Häfen, wo immer noch Flüchtlinge angekommen.

Für viele Kirchenvertreter in Italien hat Salvinis Politik nichts Christliches an sich. Immer mehr sagen das offen: Für hitzige Debatten sorgte Anfang Juli der Pfarrer einer kleinen Gemeinde in den mittelitalienischen Marche, der die „unchristliche Politik“ des Lega-Chefs offen angriff. Eine Gruppe Touristen verließ damals empört die Messe. Erst 2016 hatte ein Pfarrer aus dem norditalienischen Como für Proteste der Lega gesorgt: „Entweder ihr seid Christen, oder ihr seid für Salvini“, predigte er.

Lega lässt Roma-Siedlung räumen

Von Kirchenkritik lässt sich der Innenminister jedenfalls nicht bremsen. Gestern begann die Räumung einer illegalen Barackensiedlung nahe Rom, in der circa 300 Roma und Sinti leben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte den Abriss der Siedlung Camping River eigentlich gestoppt. „Endlich wird die Siedlung abgerissen. Legalität, Sicherheit und Respekt in erster Linie“, twitterte Salvini. Gleich nach seinem Amtsantritt hatte er einen Zensus für Roma in Italien gefordert und den Abriss von Siedlungen versprochen. Die Reaktion von Roms Weihbischof Paolo Lojudice ließ gestern nicht lang auf sich warten: „Gewaltaktionen wie die Räumung von Camps führen zu nichts.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2018)

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