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Die Mär vom russischen Goldschiff

SKOREA-RUSSIA-TREASURE
Choi Yong-seok, Chef der nun von den Behörden ins Visier genommenen Shinil-Group.APA/AFP/JUNG YEON-JE
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Ein Goldschatz in den Tiefen des Meeres? Die Meldung aus Südkorea ging um die Welt. Aber das Gold hat es wohl nie gegeben. Die Sache riecht nach einem Betrug. Die Aufsicht ermittelt.

Es ist sehr dunkel, ganz unten, am Grund des Meeres. Da kann man sich schon einmal verschauen. Oder sich einbilden, etwas zu sehen, das es nicht gibt. Gold zum Beispiel. Viel Gold. Um die 200 Tonnen. Gegenwert: 130 Mrd. Dollar. Das sind die Daten, die vor einigen Tagen um die Welt gegangen sind. Just als der Goldpreis eine der längsten Talfahrten seit dem Ende des Bullenmarktes 2011 hinlegt, verlautbarte ein südkoreanisches Forscherteam, dass man ein russisches Kriegsschiff (die Dmitrii Donskoi) mit tonnenweise Gold gefunden hätte. Gold, das man bergen wolle. Ein großer Teil sollte an Russland gehen. Aber auch die südkoreanische Shinil Group, die das Wrack gefunden haben will, sollte profitieren. Ein Goldschatz am Grunde des Meeres. Die Medien weltweit stürzten sich auf die Geschichte. Und jetzt ist plötzlich alles anders.

Nachdem die Meldung tagelang verbreitet wurde, hat jemand nachgerechnet und festgestellt: 200 Tonnen Gold sind rund acht Milliarden Dollar wert. Nicht 130. Am Donnerstag ließ die Shinil Group dann die Bombe platzen: Man sei sich nicht sicher, ob da wirklich Gold zu finden sei, in der Dmitrii Donskoi. Man würde sich dafür entschuldigen, dass man den Berichten über die 130-Milliarden-Bewertung „nicht widersprochen“ hätte, sagte Shinil-Chef Choi Yong-seok bei einer Pressekonferenz in Seoul. Man habe die Zahlen aus früheren Berichten über das Wrack übernommen – und nicht extra gegengecheckt.

Nun ist die Rede davon, dass man bei Tauchgängen Kisten mit „wichtigen Inhalten“ gefunden habe. Möglicherweise. Wissen könne man auch das nicht so genau. Immerhin sind die Kisten ja 400 Meter unter dem Meer. Auch die Aufnahmen der Geräte, die man hinunter geschickt hatte, zeigen keine einzige Goldmünze, keinen Barren, nichts dergleichen.

Experten hatten schon kurz nach der Veröffentlichung des angeblichen Sensationsfundes Zweifel angemeldet. Das 6000 Tonnen schwere Schiff hatte 12 Artillerie-Kanonen, 500 Seemänner und 1600 Tonnen Kohle an Bord. Es sei schlicht kein Platz gewesen für 200 Tonnen Gold. Außerdem hätten die Russen das Gold auch per Bahn schicken können, weit am damaligen Feind Japan vorbei. Die ganze Story habe keinen Sinn.

Es kommt noch schlimmer. Inzwischen hat sich die südkoreanische Wertpapieraufsicht eingeschaltet. Es geht um den Verdacht auf Insiderhandel und Kursmanipulationen. „Wir haben eine Untersuchung von Shinil Group eingeleitet“, sagte Yoon Suk-heun, der Gouverneur des südkoreanischen Financial Supervisory Service. Konkret hat man die Aktie von Jeil Steel im Auge.

Krypto gab's auch. Eh klar.

Der Chef der Shinil Group hatte vor einigen Monaten in diese Firma investiert, und als die Meldung vom Goldschiff um die Welt ging, explodierte der Wert von Jeil Steel, weil Investoren vermuteten, die Firma würde mit der Bergung beauftragt. Auch weitere mit Shinil Group in Verbindung stehende Aktien werden unter die Lupe genommen. Dass die Aktie von Jeil Steel inzwischen wieder abgestürzt ist, versteht sich von selbst. Haben die Insider längst verkauft? War es ein Scam? Ein Pump-and-Dump, wo eine Aktie durch Fake News in die Höhe getrieben wird, damit frühere Investoren mit hohen Gewinnen aussteigen können? Sogar der Name von „Jeil Steel“ erinnert an „Anacott Steel“ aus dem Klassiker „Wall Street“.

Und es kommt noch schlimmer! Scheinbar kommt ein mutmaßlicher Finanzbetrug heutzutage nicht ohne Kryptowährungen aus. Das hat auch Sinn. Über ICOs, sogenannte digitale Börsegänge, können Betrüger Millionen einsammeln, ohne strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten. Zwar wird die Methode durchaus von seriösen Projekten zur Finanzierung genutzt, aber die Verbreitung von Scams und Abzocken in diesem Bereich ist extrem hoch.

Die südkoreanische Shinil Group hatte jedenfalls einen solchen ICO im Köcher und wollte offenbar ab dem 30. Juli eine „Shinil Gold Coin“ verkaufen, die durch das angeblich gefundene Gold gedeckt sein sollte. Der geplante Ausgabepreis pro Münze soll bei 10.000 Won gelegen haben, etwa 8,5 Euro. Die „Shinil Gold Coin“ hätte dann im August oder September an die Kryptobörsen kommen sollen. Nähere Details zur angeblichen Kryptowährung wurden freilich nie bekannt. Und das wird wohl auch so bleiben. Die südkoreanische Aufsicht ermittelt.

Gebeutelte Goldinvestoren wird das alles nicht trösten. Der Goldpreis ist heuer schon um acht Prozent gefallen. Manche haben das angeblich gefundene Gold dafür verantwortlich gemacht. Aber nun, da es dieses Gold wohl nicht gibt, ist der Preis dennoch nicht gestiegen.

Die Permabullen, die immer an Gold glauben, holen jetzt ihr schwerstes Geschütz raus. Schlimmer, sagen sie, kann die Stimmung kaum werden. Jetzt, da sogar die Mainstream-Medien von Gold abraten, sollte der Boden wirklich bald erreicht sein. Aber wer weiß schon, wo und wann genau? Es ist sehr dunkel, ganz unten.


[ON0SR]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2018)