Olympiasieger im Handaufhalten

Korruption im Sport ist keine österreichische Spezialität. Nur die Dreistigkeit mancher Funktionäre ist beispiellos.

Es schockiert gar nicht so sehr die Tatsache, dass im Österreichischen Olympischen Comité (ÖOC) Geld abgezweigt worden ist. Korruption ist ein gesellschaftliches Phänomen, das vor keinem Bereich haltmacht. Politik, Wirtschaft, Sport. Man findet sie überall, wenn man sie finden will. Und die gute Nachricht ist: Nun will man sie zumindest finden.

Das wirklich Schockierende an dieser Nachricht ist allerdings, wie banal und simpel hohe Summen aus Steuer- und Sponsorgeldern auf einem schwarzen Konto verschwinden können. Im ÖOC hat man einfach bei einem befreundeten Reisebüro Flüge gebucht und bezahlt. Wenig später wurden die Flüge storniert, das Retourgeld allerdings auf ein Schwarzgeldkonto überwiesen. Schon war das Geld aus dem offiziellen Finanzkreislauf verschwunden. Denn in der offiziellen ÖOC-Buchhaltung wurde das Storno natürlich nicht verbucht.

Mindestens 1,2 Millionen Euro sind so auf die Seite geräumt worden. Und dieses Geld diente einzig und allein der Selbstbedienung. Da haben sich ÖOC-Mitarbeiter heimlich und steuerfrei Boni auszahlen lassen. Da wurden sechsstellige Bargeldbeträge abgehoben, um sich das Leben bei den Olympischen Spielen zu versüßen. Mit dem Schwarzgeld wurden dann sogar tatsächlich Flüge gebucht. Flüge für Freunde, Bekannte und Günstlinge.

Nein, das vermeintliche Schweigegeld für den unter Dopingverdacht stehenden Ex-Langlauftrainer Walter Mayer dürfte nicht über das Schwarzgeldkonto geflossen sein. Dafür gab es andere Kanäle. Das Konto war tatsächlich nur zur Selbstbedienung bestimmt. Wäre Handaufhalten olympisch, wäre einigen (ehemaligen) ÖOC-Mitgliedern eine Goldmedaille sicher.


Natürlich ist Korruption im Sport keine österreichische Spezialität. Wer Österreich sagt, muss im gleichen Atemzug Trinidad und Tobago, Togo, Costa Rica oder Thailand sagen.

Und natürlich gibt es weltweit zahlreiche Beispiele für Korruption im Sport: Der Fußballpräsident von Trinidad hat bei der WM in Deutschland tausende Tickets unter der Hand verkauft. Er ist noch immer Fifa-Vizepräsident.

Die Chefs des Bewerbungskomitees für die Winterspiele in Salt Lake City 2002 haben Dutzende IOC-Funktionäre mit Bargeld, US-Aufenthaltsgenehmigungen, Reisen und Immobilien bedacht. Sie wurden von allen Vorwürfen freigesprochen – immerhin haben sie die Olympischen Winterspiele an Land gezogen.

Wo es um viel Geld geht, wird auch viel korrumpiert. Und bei Olympischen Spielen, Fußballweltmeisterschaften und -europameisterschaften geht es um Summen wie bei Rüstungsgeschäften. Die Geschichte der Korruption im Sport ist übrigens so alt wie der Sport selbst. Die erste urkundliche Erwähnung eines Korruptionsfalls bei Olympischen Spielen stammt aus dem Jahr 388 vor Christus. Damals hat der Faustkämpfer Eupolos drei Gegner bestochen, um den Lorbeerkranz zu ergattern.


Die Korruption im Sport war immer da, sie nimmt nicht zu und auch nicht ab. Das bestätigen die wenigen Studien, die es auf diesem Gebiet gibt. Die Korruption spielt sich allerdings speziell in Österreich in einem sehr seltsamen Biotop ab. In einem Biotop aus Verhaberung, Verpolitisierung und Verklärung.

Für die Verklärung sorgten auch die Medien. Kritischer Sportjournalismus ist in diesem Land nur in Spurenelementen vorhanden. Dieses verseuchte Klima führte nicht zuletzt dazu, dass am Ende die Dreistigkeit mancher Funktionäre beispiellose Auswüchse annahm. Denn es versagten nicht nur sämtliche internen Kontrollmechanismen, sondern auch um die gesellschaftliche Kontrolle war es schlecht bestellt. Ist es zum Teil noch immer schlecht bestellt, wenn man sich die Rolle der beiden größten Medien dieses Landes, der „Kronen Zeitung“ und des ORF, vor Augen führt. Die „Kronen Zeitung“, die etwa als Hauptsponsor des Österreichischen Skiverbandes und der vergangenen Handball-EM fungiert hat und damit jeglichen objektiven Journalismus ad absurdum führt. Und der ORF, der fast ausnahmslos eine Sportjubelberichterstattung praktiziert, in der für kritische Fragen und Beiträge kein Platz ist.

Wie immer ist der Sport auch im jüngsten Fall ein Spiegel der Gesellschaft. Zum Handkuss kommen die Sportler und die vielen tausend meist ehrenamtlichen Funktionäre, die ihre Freizeit und Energie dem Sport opfern. Sie werden verraten und verhöhnt von jenen, für die Handaufhalten ein Teil des Spiels ist.


gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2010)

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