Kinderbetreuung: Die Länder fürchten um „ihr“ Geld

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Der Bund will den Ländern weniger Geld für die Kinderbetreuung zur Verfügung stellen. Auch bei den Lehrergehältern sollen die Bundesländer künftig selbst tiefer in die Tasche greifen.

Die Länder wollen mit dem Bund „auf Augenhöhe“ verhandeln, wie sie mantraartig wiederholen. Die türkis-blaue Bundesregierung scheint daran allerdings nur wenig Interesse zu haben. Das hat sich sowohl bei der Ankündigung, die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern neu aufzuteilen, als auch bei der jetzigen Diskussion um den Ausbau der Kinderbetreuung gezeigt.

Das hat die Länder verärgert. Sechs davon hat das zu einer gemeinsamen kritischen Stellungnahme veranlasst. Den übrigen drei war diese, wie es offiziell hieß, zu polemisch formuliert. Das zehnseitige Papier, das der „Presse“ vorliegt, ist tatsächlich nicht zimperlich formuliert. Darin wird kritisiert, dass sich der Bund „zunehmend von einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit (. . .) verabschiedet“ hat. Es gebe keine gemeinsame Ausarbeitung von Verträgen und „unangemessen kurze Stellungnahmefristen“. Gesprächstermine würden außerdem stets „in letzter Minute festgelegt“. All das – und vermutlich auch so manch geplanter finanzieller Einschnitt – habe unter den Ländern für „Verwunderung und Missfallen“ gesorgt.

Ein Überblick über die strittigen Verhandlungspunkte:

Kinderbetreuung

Bei der Kinderbetreuung geht es vorrangig ums Geld. Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) hat den Ländern in den Verhandlungen zu einer neuen 15a-Vereinbarung 110 Millionen Euro pro Jahr für den Ausbau der Kinderbetreuung, die Sprachförderung und den Gratiskindergarten in Aussicht gestellt. Bisher sind es 140 Millionen gewesen. Den Ländern würde dadurch jährlich ein Minus von 30 Millionen Euro entstehen. Das ist für sie inakzeptabel.

Das trifft auch auf die strengeren Vorgaben des Bundes zu. Die Länder werden ab nun etwa dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Kinderbetreuungsquote pro Jahr um zwei Prozentpunkte steigt. Zudem soll der Anteil der Kinder, die eine Einrichtung besuchen, die sich mit einem Vollzeitjob der Eltern vereinbaren lässt, jährlich um einen Prozentpunkt wachsen.

Neue Vorschriften gibt es auch bei der Sprachförderung. Innerhalb eines Kindergartenjahres soll sich der Anteil der Kinder mit Sprachförderbedarf um 40 Prozent verringern. Beim Schuleintritt soll es dadurch weniger außerordentliche Schüler, die aufgrund schlechter Deutschkenntnisse nicht benotet werden, geben. Auch das ist mit einem Zahlenwert definiert.

Die Länder lehnen all diese Vorgaben „in Anbetracht der völlig unrealistischen Zielsetzung entschieden ab.“ Die Kriterien seien „völlig praxisfern“, „überbürokratisiert“ und „nicht erreichbar“. Die „zwanghaft anmutenden Kontrollinstrumente“ seien „nicht zielführend“. Was auch dahinter steckt: Die Länder wollen keine Macht abgeben.

Doch genau dazu wären sie gezwungen. Denn der Bund verlangt das ausgeschüttete Geld, falls die Vorgaben nicht erfüllt werden, zurück. Ganz fix ist das alles noch nicht. Angesichts der Kritik zeigte sich die Familienministerin am Dienstag gesprächsbereit.

Lehrer


In den laufenden Verhandlungen zwischen Bund und Ländern geht es nicht nur um die Kinderbetreuung. Sondern auch um die Bezahlung der Landeslehrer. Die Bundesregierung legt sich auch hier mit den Ländern an. Sie sollen künftig für die zusätzliche Pflichtschullehrer tiefer in die Tasche greifen. So sieht es ein vom Bildungsministerium vorgelegter Entwurf zur sogenannten Landeslehrercontrollingverordnung vor.

Das ist nicht nur ein komplizierter Begriff, sondern auch ein kompliziertes System. Der Bund legt jährlich einen Stellenplan fest. In diesem ist fixiert, wie viele Lehrer die Länder in den Volks-, Sonder- und Neuen Mittelschulen anstellen dürfen. Die Länder können diese Zahl allerdings überschreiten. Diese zusätzlich angestellten Lehrer werden „Überhang-Lehrer“ genannt. Im Schuljahr 2016/17 hat es österreichweit beispielsweise 1500 solcher gegeben. Im kleinen Vorarlberg wurden besonders viele, nämlich rund 500 Pädagogen mehr, angestellt als der Stellenplan zuließ (siehe Grafik).

Das kostet etwas – und zwar nicht nur die Länder, sondern auch den Bund. Der streckt das Geld für die Landeslehrer nämlich vor. Die Bundesländer müssen es nach dem Jahresabschluss zurückzahlen. Das tun sie auch. Aber nicht zur Gänze. Sie refundieren dem Bund das Gehalt eines Junglehrers – und das nach altem Dienstrecht. In der Praxis werden allerdings auch dienstältere und damit teurere Lehrer eingestellt. Außerdem ist das Einstiegsgehalt eines Junglehrers im neuen Dienstrecht höher als im alten. De facto bleibt der Bund deshalb jährlich auf mehreren Millionen Euro sitzen. Zuletzt sind das 36,9 Millionen Euro gewesen.

Der Bund will diese lockere Anstellungspolitik der Länder nicht weiter (mit)-finanzieren. Die Länder sollen künftig die finanziellen Konsequenzen selbst tragen. Sie sollen dem Bund die Echtkosten oder zumindest die an das neue Dienstrecht angepassten Kosten rückerstatten. Das wäre für so manches Bundesland eine enorme finanzielle Belastung.

Der Aufschrei ist deshalb auch hier groß. Die Verhandlungen zur Kinderbetreuung dürfen nicht mit jenen zur Lehrerbezahlung vermischt werden. „Eine solche Junktimierung wird im Sinne einer ,unerlässlichen qualitätsvollen inhaltlichen Auseinandersetzung abgelehnt', heißt es dazu in der Stellungnahme der Länder lapidar.

Kopftuchverbot

Mit den Verhandlungen zur Kinderbetreuung wird nicht nur das Landeslehrercontrolling verknüpft, sondern auch die Einführung eines Kopftuchverbots im Kindergarten. Diese Junktimierung lehnen die Länder ebenso entschieden ab. Sie haben offenbar rechtliche Bedenken. Es sei, heißt es in dem Länderpapier, noch nicht geklärt, ob ein Kopftuchverbot überhaupt verfassungskonform wäre. Mit Blick auf die „Umsetzbarkeit und die Zweckmäßigkeit von Verwaltungsstrafen“ würden sich ebenso noch Fragen stellen. Und grundsätzlich sei die „Relevanz in der elementarpädagogischen Praxis nicht ersichtlich“.

Das ist harsche inhaltliche Kritik. Es scheint den Ländern offenbar nicht immer ums Geld zu gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2018)

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