Getreideernte schrumpft dahin

Die Getreideernte war dieses Jahr so früh wie noch nie.
Die Getreideernte war dieses Jahr so früh wie noch nie.(c) REUTERS (Bogdan Cristel)
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Die EU wird 2018 weniger Getreide produzieren als die Jahre zuvor. Die Hitze hat viele Kulturen ruiniert. Der Getreidepreis steigt trotzdem nur moderat – vorerst jedenfalls.

Wien.Die Dürreschäden in Deutschland werden ein „katastrophales Ausmaß“ annehmen, sagte gestern der deutsche Bauernverband-Präsident Johannes Runkwied. Vergangenes Jahr betrug die Getreideernte 45,6 Mio., dieses Jahr werden es nur 36 Mio. Tonnen sein. Auch EU-weit wird eine niedrigere Getreideerntemenge als zuletzt erwartet, sagte AMA-Marktexperte Christian Gessl. Rund 4,4 Prozent weniger als im Vorjahr sollen es sein, denn nicht nur Norddeutschland, sondern auch Polen, Dänemarks und Russlands Bauern leiden unter der Hitze, die Erträge sind um 50 Prozent niedriger.

Auf den Getreidepreis wird sich der starke Rückgang der Erntemengen jedoch – vorerst – nicht so stark auswirken. Das erstaunt, denn der weltweite Bedarf (rund zwei Mrd. Tonnen) ist höher als Getreide an den Börsen angeboten wird. Und er steigt jährlich um ein Prozent. Gessl gibt die Erklärung, weshalb die Teuerungen moderat ausfallen: „Derzeit gibt es überall große Lagerbestände, die den Ausfall kompensieren. Wenn die Vorräte über die nächsten zwei Jahre aufgebraucht werden, ist auch mit einem drastischen Preisanstieg zu rechnen.“

Heimischer Bedarf ist konstant

Auch in Österreich, wenngleich die heimische Nachfrage seit Jahren gleichbleibend ist. Sie liegt bei rund 5,9 Mio. Tonnen (inklusive Mais). Wofür das Getreide verwendet wird? Nur 13 Prozent davon werden vermahlen, 23 Prozent zu Stärke verarbeitet und an Brauerein geliefert. Elf Prozent werden zu Ethanol und nur drei Prozent als Saatgut verwendet. Der Löwenanteil, 50 Prozent nämlich, wird als Futter gebraucht.

Übrigens: In Österreich wirken sich Trockenheit und Dürre längst nicht so dramatisch aus wie in Norddeutschland. Zwar fiel die heurige Getreideernte (Weizen, Gerste) bisher unterdurchschnittlich aus, aber von einer Krise könne nicht gesprochen werden, sagt die Agrarmarkt Austria (AMA). Im Herbst werden noch Mais, Sonnenblumen und Soja geerntet und hier hoffen die Experten auf ein gutes Ergebnis.

Die erwartete Erntemenge liegt dennoch um zwölf Prozent unter dem letzten Fünfjahresschnitt, im Vergleich zu 2017 bleibt sie jedoch gleich. Denn auch das Vorjahr war schon recht trocken. 2018 hat es allerdings regional sehr große Unterschiede gegeben. Im Norden und im Osten ist es zwar sehr trocken gewesen, im Süden Österreichs hingegen feucht, sagt AMA-Vorstandschef Günter Griesmayr bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Eine Besonderheit gilt jedoch für das gesamte Bundesgebiet: „Die Getreideernte ist dieses Jahr so früh wie noch nie erfolgt.“

Auf die Qualität von Weizen und Gerste hat sich das nicht ausgewirkt: „Wir rechnen mit einer guten Qualität“, sagt Griesmayr. Trotzdem ist es notwendig, dass sich Österreichs Landwirte auf den fortschreitenden Klimawandel einstellen, wenn sie die Ernteausfälle auf Dauer kompensieren wollen. Und das tun sie auch schon mit verschiedenen Strategien.

Früher säen, früher ernten

Schon in den vergangenen Jahren hat es eine deutliche Verschiebung vom Frühjahres- zum Herbstanbau gegeben. Die Getreidesaat nicht erst im Frühjahr, sondern schon im Herbst zu säen, hat Vorteile. Winterweizen und -gerste haben zwar eine längere Wachstumsphase, doch wenn es in Frühjahr zu Hitze- und Dürreperioden kommt, sind diese Kulturen schon weit entwickelt und robust. Die hohen Temperaturen können deshalb den Pflanzen nicht mehr so viel anhaben. Doch der AMA-Chef will es nichts verschreien: „Die Bilanz gibt es erst dann, wenn das Korn im Silo ist.“ Mehr und mehr Landwirte setzen als Reaktion auf den Klimawandel auch auf den Anbau von Soja. „Die Sojabohne ist entsprechend dem mehrjährigen Aufwärtstrend mit der diesjährigen Zunahme von rund 3200 Hektar die bereits viertgrößte Kultur auf unseren Äckern. Österreich ist mittlerweile der fünfgrößte Sojaproduzent in der EU“.

Doch bei allem Engagement - eines wird sich nicht ändern, sagt Franz Stefan Hautzinger, Verwaltungsrat-Vorsitzender der AMA: „Ohne Direktzahlungen der EU würden die Bauern mit dem Getreide nichts verdienen, es ist ein Nullsummenspiel.“ Die Abschaffung von Direktzahlungen steht bei den Verhandlungen des EU-Budgets derzeit aber ohnehin gar nicht zur Diskussion. Das weiß auch Hautzinger. Er will mit seinem Statement offenbar vorbeugen, dass auch kein Verhandler auf die Idee kommen soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2018)

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