Feuerball über US-Stützpunkt in Grönland schürte Angst vor Fehlalarm

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"Wir sind noch hier", weist ein Atomexperte auf die Gefahr atomarer Fehlalarme aufgrund der Explosion hin. Rund 2000 Nuklearsprengköpfe sind in ständiger Alarmbereitschaft.

"Wir sind noch hier, also müssen die USA den Eindruck gehabt haben, dass es sich nicht um einen russischen Angriff handelt", kommentierte Hans Kristensen vom schwedischen Friedensforschungsinstitut Sipri diese Woche auf der Kurznachrichtenplattform Twitter. Denn es hätte tatsächlich eng werden können.

Mit seinem Posting nahm Kristensen Bezug auf einen Tweet eines Mitarbeiters des "Jet Propulsion Laboratory", das Satelliten und Raumsonden für die US-Raumfahrtbehörde Nasa baut. Das US-Militär habe am 25. Juli über Grönland die Explosion eines Feuerballs, eines besonders hellen Meteors oder im Volksmund einer Sternschnuppe, aufgezeichnet. Er sei in 43,3 Kilometer Höhe mit einer Sprengkraft von 2,1 Kilotonnen zerborsten. Das entspricht der Explosionsenergie von 2100 Tonnen TNT. Zum Vergleich: Die Atombombe in Hiroshima hatte eine Sprengkraft von 13 Kilotonnen.

Dass Meteoriden als Feuerbälle in der Erdatmosphäre verglühen ist an sich nichts Ungewöhnliches. Das passiere in Europa im Schnitt 50 Mal im Jahr, schreibt das "Europäische Feuerkugelnetz", das solche Vorgänger beobachtet und dokumentiert. Was die Explosion aber außergewöhnlich macht, ist ihr Ort: Sie ereignete sich ungefähr 21 Kilometer westlich der Halbinsel Avanersuaq. Dort befindet sich seit 1951 in Folge eines Abkommens mit Dänemark der amerikanische Luftwaffenstützpunkt Thule. Seit 1959 "blicken" die USA von hier aus über den Nordpol bzw. den Arktischen Ozean, um russische Interkontinentalraketen - und damit atomare Angriffe - erkennen zu können.

Fast 2000 Nuklearsprengkörper der USA, Russlands, Frankreichs und Großbritanniens stünden in Alarmbereitschaft, berichtet Kristensen auf Twitter, jederzeit zum Start bereit (dabei übersieht er indes geflissentlich zumindest die Arsenale Indiens, Pakistans, Israels, Chinas). Wären die Offiziere des Frühwarnsystem zur Auffassung gelangt, dass es sich bei der Explosion über Thule um einen beginnenden Atomschlag gehandelt habe, hätte es binnen kurzer Zeit auf Regierungsebene eine Entscheidung über eine nukleare Reaktion geben müssen, schreibt der "Standard".

Angst vor einem Atomkrieg ist zurück

Dass die ständige atomare Alarmbereitschaft nicht unterschätzt werden darf, zeigt ein Blick zurück: Als "Held, der die Welt rettete", ging Stanislaw Petrow in die Geschichte ein. Der Offizier der sowjetischen strategischen Luftabwehreinheiten bewahrte die Welt 1983 vor einem neuen Weltkrieg, da er als Diensthabender einen Alarm des Frühwarnsystems richtig als Computerfehler in einem Spionagesatelliten und nicht als Raketenangriff interpretierte. Aber auch in Thule selbst wurden im Kalten Krieg falsche Warnungen ausgelöst. 1960 etwa wegen einer Spiegelung des Mondlichts, die ein Computer für Raketenspuren hielt.

Und auf Hawaii versorgte eine angeblich herannahende Atomrakete die Bevölkerung im heurigen Jänner in Angst und Schrecken. 38 Minuten lang glaubten die Menschen auf den US-Inseln im Pazifik, dass Nordkorea gerade eine solche Rakete Richtung Hawaii gestartet habe. In Wahrheit hatte ein Mitarbeiter des Katastrophenschutzes unabsichtlich eine Warn-SMS an die Bevölkerung gesendet.

Doch auch ohne Fehlalarme ist die Angst vor einem Atomkrieg zurück. Denn zuletzt standen die Zeichen auf nuklearer Aufrüstung, heißt es im jährlichen Sipri-Atombericht: Zwar ist die Anzahl von Nuklearwaffen 2017 im Vergleich zu 2016 leicht gesunken (von 14.935 auf 14.465), gleichzeitig haben viele Atommächte in großem Maßstab in technische Innovationen investiert. Atomare Abschreckung habe wieder eine strategische Bedeutung erhalten, warnte Sipri nach der Veröffentlichung des Papiers Mitte Juni.

>>> Europäisches Feuerkugelnetz

>>> Bericht im "Standard"

>>> Sipri

(me)

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