Neue Gewaltwelle in Äthiopien treibt eine Million Menschen in die Flucht

APA/AFP/MAHEDER HAILESELASSIE TA
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Helfer schlagen Alarm: Helfe man den Flüchtlingen, die unter schlimmen Bedingungen leben müssen, nicht, "könnten die Konsequenzen entsetzlich" sein.

In Äthiopien warnen Helfer vor einer humanitären Katastrophe. Hintergrund ist eine neue Gewaltwelle, die knapp eine Million Menschen in die Flucht getrieben hat. Die Menschen lebten unter katastrophalen Bedingungen, sagte Crystal Wells vom Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK).

Sollte die humanitäre Hilfe nicht schnell verstärkt werden, könne es für die betroffenen Menschen im Süden des Landes schlimme Folgen haben. Es bestehe unter anderem die Gefahr, dass sich Krankheiten ausbreiteten.

Rund 987.000 Menschen sind dem UNO-Nothilfebüro (OCHA) zufolge im Juni in den Regionen Gedeo und West Guji vor einem neu aufgeflammten Stammeskonflikt geflohen. Viele Menschen würden auf engstem Raum in Schulen, Kirchen oder offenen Gebäuden übernachten, sagte Lucy Murunga von der Organisation World Vision. Sie hätten wenig Nahrungsmittel und kaum angemessene Kleidung, die sie vor der Kälte schützen könne. "Was wir da sehen, ist unvorstellbar", sagte Murunga.

"Diese Krise ist überhaupt nicht auf dem Radar der internationalen Gemeinschaft und die Konsequenzen dieses Versäumnisses könnten entsetzlich sein", sagte Shirin Hanafieh vom IKRK.

Radikale Reformen der Regierung

In den vergangenen Wochen standen die radikalen Reformen von Äthiopiens neuem Regierungschef im Vordergrund. Der seit April amtierende Abiy Ahmed hat unter anderem mit dem langjährigen Rivalen Eritrea Frieden geschlossen. Doch in dem Vielvölkerstaat am Horn von Afrika herrschen noch immer mehrere ethnische Konflikte.

Die jüngste Gewaltwelle im Süden Äthiopiens begann Wells zufolge Mitte April und eskalierte im Juni. Auslöser sind vor allem Spannungen über die Nutzung von Land, da die Region dicht besiedelt und die Konkurrenz um Weideland und andere Ressourcen groß ist.

Der Konflikt sei durch Provokationen von einzelnen Menschen, Sicherheitskräften und Regierungsvertretern ausgelöst worden, die unterschiedliche Gruppen für politische Zwecke gegeneinander ausspielen wollten, sagte Mitiku Kassa, der Leiter der äthiopischen Katastrophenschutzbehörde.

Keine Opposition im Parlament

Die instabile Lage erschwert die Arbeit der Helfer. "Viele der betroffenen Regionen im Süden Äthiopiens sind in den vergangenen Monaten schwer bis gar nicht erreichbar", sagte Matthias Späth, der Leiter der Welthungerhilfe am Horn von Afrika.

Äthiopien mit seinen rund 100 Millionen Einwohnern wurde lange mit harter Hand regiert. Die Opposition ist im Parlament nicht vertreten. Allerdings hat der neue Regierungschef Abiy seit seinem Amtsantritt Hunderte politische Gefangene freigelassen, Oppositionsgruppen von der Terrorliste gestrichen und den Verkauf von Anteilen einiger Staatsunternehmen angekündigt. Äthiopien zählt trotz eines raschen Wirtschaftswachstums UNO-Statistiken zufolge noch immer zu den ärmsten Ländern der Welt.

(APA/dpa)

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