Messebericht: Willkommen in der neuen Realität

(c) Peter Matzanetz
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Die Investmentwelt ist eine andere als zuvor. So lautet der Tenor der Profis bei der Mipim in Cannes. Nun wird wieder ganz genau geprüft, was und wo man kauft.

Die Trendumkehr auf den internationalen Investmentmärkten scheint nun Gewissheit. Auf der Gewerbeimmobilienmesse Mipim, die diese Woche in Cannes über die Bühne ging, ist wieder vorsichtiger Optimismus angesagt. Anlass dazu geben Investmentraten, die steigen. Zwar auf niedrigem Niveau, aber doch.

Die Investoren müssten sich allerdings einer neuen Realität stellen, meinen Experten unisono. Christian Ulbrich, CEO des Beratungsunternehmens Jones Lang LaSalle für die Region Emea, bringt es auf den Punkt: „Wo in Zeiten steigender Nachfrage nur Märkte gekauft wurden, muss jetzt wieder geschaut werden, was gekauft wird.“ In dieselbe Kerbe schlägt sein Kollege bei CB Richard Ellis, John Welham: „Es muss ausgesucht investiert werden.“ War es früher etwa ausreichend, wenn eine Immobilie in der CEE-Region stand, müsse nun geprüft werden, in welchem Detailmarkt, in welcher Assetklasse und in welcher Qualität eingekauft werde.

Was außerdem infrage kommt: einzelne Investitionsmöglichkeiten in Hotspots. Diese trotzen der aktuellen Situation, etwa Warschau, Istanbul oder Oslo. Und manche haben die Krise bereits hinter sich gelassen, zum Beispiel London, wo die Immobilienwerte sogar schon wieder im Steigen begriffen sind.

Selektives Vorgehen, das ist auch bei den österreichischen Marktteilnehmern das Motto. „Es wird zwischen Staaten differenziert: In solche, in denen es sich wieder lohnt zu investieren und in jene, in denen die Situation noch unsicher ist“, meint Peter Vcelouch, Partner bei der Anwaltssozietät CHSH. Polen und Tschechien seien positive Beispiele. Für Hans-Peter Weinhandl, Key-Account-Manager bei der Hypo Investmentbank AG, ist speziell Polen bedeutend. „Vonseiten der Banken und Investoren ist ein regelrechter Run festzustellen.“ Ob dies das Entstehen einer neuerlichen Blase begünstigen könnte? Analysten geben diesbezüglich Entwarnung. Sie sehen für die wichtigsten Märkte keine große Gefahr, da die Preise sich unter dem Langjahresschnitt bewegen.

Ein Fenster tut sich auf

Günstig kann diese Situation für Investoren sein. Wer in naher Zukunft seine Chancen wahrnimmt, dem winken gute Renditen. Eine aktuelle Umfrage von CB Richard Ellis hat ergeben, dass die große Mehrheit der europäischen Investoren in den kommenden 15 Monaten wieder aktiv werden möchte. Bei Jones Lang LaSalle spricht man in dem Zusammenhang von einem „Fenster an Investitionsgelegenheiten, insbesondere bei guten Immobilien in soliden Märkten“. Neben vorsichtigen Kaufabsichten stehen bei den institutionellen Immobilieneigentümern noch immer Bereinigungen der Portfolios auf dem Programm. „Ohne gutes Asset-Management ist die Rückzahlungsfähigkeit in Gefahr und die Rendite gefährdet“, betont Weinhandl. Einfach dort weiterzumachen, wo man vor der Krise aufgehört hat, ist also tabu. Und Zahlen verdeutlichen auch, warum: Über die letzten Jahre hinweg haben europäische Banken etwa 350 Milliarden Euro an Krediten angehäuft, die als problematisch einzustufen sind.

Neue Geschäfte werden aber auch jetzt angebahnt, nicht zuletzt auf der Mipim und nicht zuletzt für Österreich. „Risikoaverse internationale Anleger sind durchaus an Objekten, etwa im Wohnbereich, bei uns interessiert“, stellt der leitende Projektentwickler bei der Bundesimmobiliengesellschaft BIG, Alois Aigner, fest. Er zeichnet ein positives Stimmungsbild von der französischen Messe und bemerkt eine Rückkehr zur Normalität. So lebhaft wie vor dem Wirtschaftseinbruch wird es aber noch länger nicht zugehen. Die Preise sind dazu noch zu wenig marktbestimmend. Entscheidender ist laut Analysten die Liquidität der Unternehmen. Projektentwickler verkaufen daher auch zurzeit nur, wenn sie wirklich müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2010)

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