Glücksspiel: Das feine Spiel des Gebens und Nehmens

Gluecksspiel feine Spiel Gebens
Gluecksspiel feine Spiel Gebens(c) AP (ED WRAY)
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Unglaublich, aber wahr: Im dritten Anlauf dürfte es jetzt dem Glücksspielmonopol an den Kragen gehen. Keine leichte Übung: Die mächtigen Niederösterreicher mussten erst gefügig gemacht werden.

Dass wir das noch erleben dürfen. Voraussichtlich am kommenden Dienstag wird die Novelle zum Glücksspielgesetz im Ministerrat behandelt werden. Geht alles nach Plan, dann wird das neue Gesetz noch vor der Sommerpause vom Nationalrat abgesegnet.

Interessant, was alles möglich ist, wenn nur der Druck groß genug ist. Ewig ist über die Gesetzesnovelle verhandelt worden – bis vor wenigen Wochen notgedrungen ein Zahn zugelegt werden musste: In einer ersten Stellungnahme Ende Februar hatte der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof Österreichs Glücksspielmonopol für rechtswidrig erklärt. Das offizielle EuGH-Urteil wird so gegen Jahresende nachgereicht – und dem muss zuvorgekommen werden. Das neue Gesetz soll also den Monopolvorwurf entkräften: Es stellt klare Regeln für das sogenannte „kleine Glücksspiel“ (Spielautomaten) auf. Vor allem aber schreibt es eine EU-weite Ausschreibung von auslaufenden Casinolizenzen vor. Vorbei die gemütlichen Zeiten, in denen die Casinos Austria die Lizenzen automatisch bekamen. Das Monopol gerät ins Wanken.

Wenn's wahr ist. Denn eine entscheidende Hürde muss noch genommen werden: Das neue Gesetz sollte auch tunlichst verabschiedet werden. Keine Selbstverständlichkeit. Denn die Geschichte des Glücksspielgesetzes ist eine voller Intrigen, politischer Winkelzüge und Anfeindungen. Vor allem aber ist sie äußerst langwierig.

Josef Pröll ist bereits der dritte Finanzminister, der sich mit dem mühsamen Thema herumschlagen muss – kein Wunder, dass er den Gesetzesentwurf der Obhut seines Staatssekretärs Reinhold Lopatka überlassen hat. Mit dem Glücksspiel hatten seine Vorgänger jedenfalls keine Fortune.

Schon weiland Karl-Heinz Grasser hat sich am Versuch, das Glücksspielmonopol aufzubrechen, die Zähne ausgebissen. Dabei hatte KHG, stets politisch gewieft, eine wirklich raffinierte Strategie gewählt: die Aktion Nacht & Nebel. Das war im Sommer 2006, und die Saure-Gurken-Zeit sollte für den großen Coup im Parlament genützt werden – mittels eines sogenannten Abänderungsantrags wollte Grasser die Vergabe einer zweiten Konzession für elektronische Lotterien sowie für das Aufstellen von Videoterminals in Spielstätten ermöglichen. So weit der Plan.

Der Antrag wurde in letzter Minute zurückgezogen. Die Casinos Austria hatten tags davor Wind von der Sache bekommen und alle Hebel in ihrem monströsen Beziehungsnetzwerk in Bewegung gesetzt, um das klandestine Vorhaben zu Fall zu bringen. Die ÖVP ging schließlich in die Knie.

Bald kam der nächste Finanzminister – Wilhelm Molterer. Der versuchte es auf die sanfte Tour. Will heißen: Ab dem Frühjahr 2007 wurden – diesmal hochoffiziell – Arbeiten an der Gesetzesnovelle vorgenommen. Alles schön im Konsens mit den Betroffenen. Ging wohl auch nicht anders: Längst hatten die, aufgescheucht durch den KHG-Vorstoß, schlagkräftige Lobbyingagenturen engagiert. Die Casinos AG lässt sich nicht lumpen und vertraut auf die Dienste von „Kovar & Köppl“ – einer echten Branchengröße. Dafür setzen die anderen auf gute alte Kontakte ins Finanzministerium: Der Spielautomatenkonzern Novomatic engagierte die Agentur „Red Carpet“ – mit dem ehemaligen ÖVP-Finanzstaatssekretär Alfred Finz als Chefberater. Und der Online-Sportwettenanbieter Bwin (der allerdings erst von einem späteren Liberalisierungsschritt profitieren soll) holte den früheren Grasser-Kabinettschef Matthias Winkler an Bord.

Alle durften also schön mitreden. Herausgekommen ist ein Gesetzesentwurf, der im November 2008 in die Begutachtung geschickt wurde. Und kläglich scheiterte.

Molterers Gesetzesentwurf hatte nämlich einen entscheidenden Schönheitsfehler: Er hatte Interessen entscheidender „Player“ nicht berücksichtigt. Und so kam es, wie es kommen musste: Zunächst machte die Wirtschaftskammer, die via Fachverband der Freizeitbetriebe unzählige Gastronomen vertritt, heftig Druck gegen die Gesetzesnovelle – immerhin sollte das Aufstellen von einzelnen Spielautomaten in Wirtshäusern per Gesetz verboten werden.

Die Querschüsse der Kämmerer hatte das Finanzministerium noch einigermaßen im Griff. Nicht aber die der Bundesländer. Vor allem Wien und Niederösterreich machten gegen das neue Gesetz mobil: Dort ist das „kleine Glücksspiel“ längst Alltag – und die Landeschefs wollten partout keine Kompetenzen in Richtung Bund abgeben. Geschweige denn die Steuereinnahmen in Millionenhöhe.

Die Wiener konnten besänftigt werden, doch die Niederösterreicher blieben stur. Und die sind nicht irgendwer in der ÖVP. Das war's dann für den Molterer-Entwurf.

Molterer ging, der nächste Finanzminister kam. Und somit lautete das Glücksspielmatch des Jahres 2009: Josef Pröll versus Erwin Pröll. Wenn das nicht Brutalität ist.

Ein Jahr lang wurde nun zwischen dem Kabinett Lopatkas und Vertretern der niederösterreichischen Landesregierung verhandelt – und dabei soll der Ton mitunter auch recht ruppig gewesen sein. Immer wieder kam es zu lautstarken Auseinandersetzungen, immer wieder wurden Verhandlungen abgebrochen. Die Niederösterreicher beharrten nicht nur auf ihren Kompetenzen, sie sollen auch die Interessen der (niederösterreichischen) Novomatic sehr im Auge gehabt haben. Wiederholt musste sich das Lopatka-Team vorwerfen lassen, zu sehr Rücksicht auf die Casinos zu nehmen: „Ihr reitet ein totes Pferd“, polterten die Niederösterreicher in Richtung Finanzministerium.

Eine Pattsituation, die jetzt auf wundersame Weise gelöst werden konnte. Herausgekommen ist nämlich ein Gesetzesentwurf, der den Niederösterreichern schon sehr entgegenkommt: So wird der Bund in Hinkunft den Rahmen für Glücksspiele festlegen, die Länder können aber bei den Spielautomaten autonom agieren und eigenständig Konzessionen für Automatensalons erteilen.

Vor allem aber: Es wird künftig nicht, wie bisher, zwölf Casinostandorte in Österreich geben. Sondern 15. Dem Vernehmen nach ist Niederösterreich ein zweiter Standort (neben Baden) fix zugesagt worden, angeblich soll Novomatic dafür den Zuschlag bekommen. Was vom Finanzministerium empört dementiert wird: Es gehe bei dem Gesetz lediglich um das Vergabeverfahren.

Klaus Schneeberger, Klubobmann der ÖVP Niederösterreich, ist dennoch auffallend guter Dinge: „Die Verhandlungen sind gut gelaufen“, sagte er der „Presse“. Ob das Gesetz am Dienstag in den Ministerrat kommt? Schneeberger: „Aus unserer Sicht steht dem nichts im Wege.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2010)

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