Sanktionen erwischen Iran auf falschem Fuß

Die amerikanischen Sanktionen werden das Leben im Iran um einiges schwieriger machen. Die Währung befindet sich bereits im freien Fall.
Die amerikanischen Sanktionen werden das Leben im Iran um einiges schwieriger machen. Die Währung befindet sich bereits im freien Fall.(c) REUTERS (Reuters Photographer)
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Durch den Iran wogt eine Welle der Proteste gegen Misswirtschaft und Korruption. Ausgerechnet jetzt, ab heute, legen die Amerikaner neue Daumenschrauben an.

Kairo/Teheran. Der aufgebrachte Fernfahrer konnte nicht mehr an sich halten. „Wenn ihr kein Geld mehr habt und unser Land in Schwierigkeiten steckt, warum schickt ihr dann soviel Bares nach Syrien, Palästina und zur Hisbollah“, gestikulierte er mit einer Zigarette in der Hand, während sich hinter ihm bis zum Horizont Busse und Lastwagen aneinander reihten, die seit zehn Tagen bestreikt werden. „Wir haben die Revolution nicht gemacht, um dann in solcher Armut zu leben“, schimpfte der Mann.

Zu Hunderten kursieren dieser Tage Videoclips im Internet, auf denen sich wütende Iraner Luft verschaffen über Preisanstieg und Währungsverfall, Arbeitslosigkeit und Wassermangel, über Korruption, Machtmissbrauch des Regimes und dessen kostspielige außenpolitische Abenteuer.

In allen größeren Städten gingen in den letzten Tagen Demonstranten auf die Straßen, auch wenn ihre Zahl bisher kleiner ist als bei den Unruhen zu Jahresbeginn. „Tod dem Diktator“ und „Nieder mit den Mullahs“, skandierten die Leute. „Unser Feind ist hier, unsere Führer lügen, wenn sie sagen, es ist Amerika“, riefen die Menschen auf einem Handyfilm aus der Stadt Ahvaz. Ausländische Journalisten dagegen, die momentan im Iran sind, werden systematisch daran gehindert, sich vor Ort ein Bild von diesen „nicht autorisierten“ Protesten zu machen.

Schwere Zusammenstöße gab es offenbar in der Ortschaft Ishtehad vor den Toren Teherans, wo eine wütende Menge versuchte, eine Koranschule anzuzünden. In der Provinzstadt Zanjan 330 Kilometer westlich von Teheran wussten sich die Sicherheitskräfte nicht mehr anders zu helfen, als um 22 Uhr in der gesamten Stadt den Strom abzuschalten.

In 90 Tagen kommt es knüppeldick

Irans Bürger fürchten, dass ihr Leben durch die neuen US-Sanktionen noch mühsamer wird als bisher. In der Nacht auf den heutigen Dienstag sollte ein erster Teil in Kraft treten. Die USA untersagen Importe iranischer Lebensmittel und Teppiche. Wichtiger noch: Sie wollen den Iran daran hindern, Geschäfte in Dollar oder Gold abzuwickeln. In 90 Tagen soll es dann überhaupt knüppeldick kommen: Dann sollen die Ölexporte des Iran weltweit zum Erliegen kommen.

Schon jetzt ist die iranische Währung faktisch zusammengebrochen, seit Anfang des Jahres verlor sie zwei Drittel ihres Wertes gegenüber dem Dollar. In vielen Städten bekommen Basarhändler keine neue Ware mehr und halten ihre Geschäfte geschlossen. Jason Rezaian, der Mitte 2014 in Teheran festgenommene und später ausgetauschte Iran-Korrespondent der „Washington Post“, beschrieb dieser Tage eindringlich die Folgen, die die neuen Sanktionen haben könnten. Lebenswichtige Medikamente seien dann wieder nicht zu bekommen.

Irans berühmte Teppich-Industrie, in der immerhin zwei Millionen Menschen arbeiten, könnte völlig dezimiert werden. Die Mittelklasse verarme weiter, während sich eine kleine Regime-Elite durch Schwarzmarkt und Schmuggel bereichere. Trotzdem sollte dies bei den US-Propagandisten eines Regimewechsels nicht allzu viel Optimismus auslösen, fügte Rezaian hinzu. „Irans Mächtige wissen, wie man die Reihen schließt und die eigene Macht absichert, auch wenn die öffentlichen Proteste zunehmen.“ Zudem mache es der permanente Überlebenskampf im Alltag immer schwieriger, sich politisch zu organisieren. Deutlich reservierter klang Alireza Nader, Iran-Experte der amerikanischen Rand Corporation. Er sieht durchaus Anzeichen für ein generelles Aufbegehren gegen das politische System.

China steht bereit

Am Abend will Präsident Hassan Rohani im Fernsehen dem Volk erklären, wie es weitergehen soll. Außenminister Mohammad Javad Zarif räumte bereits ein, der Nation stünden schwierige Zeiten bevor, auch wenn die Vereinigten Staaten, Saudiarabien und Israel in ihrer Feindschaft zum Iran isoliert seien. Und so versprach die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, europäische Firmen vor US-Zweitsanktionen zu schützen und Finanzströme zum Iran offen zu halten. Russland und China, die anderen Mitunterzeichner des Atomabkommens, zeigen noch weniger Neigung, sich in das US-Boykottregime einspannen zu lassen. China kündigte an, es werde weiterhin iranisches Öl importieren. Chinas „National Petroleum Corporation“ erklärte sich bereit, die Entwicklung des „South Pars“ Ölfeldes zu übernehmen, sollte sich der französische Total-Konzern, wie angekündigt, zurückziehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2018)

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