Wie kriminelle Kryptotrader Millionen scheffeln

Leonardo di Capri als "Wolf of Wall Street"
„Ich weiß mehr über das alles als irgendjemand sonst auf der Welt“, sagt der von Leonardo DiCaprio verkörperte Jordan Belfort über die Manipulationen auf dem Kryptomarkt.Universal
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Aufgepumpt und fallen gelassen: Die Masche ist so alt wie Börsen an sich – und hat schon dem "Wolf of Wall Street" zu Reichtum verholfen.

Wien/New York. Jordan Belfort mag Bitcoin nicht. „Steigt aus, solange ihr noch könnt. Wenn es richtig zusammenbricht, werdet ihr auf dem Weg nach unten nicht mehr verkaufen können – weil die Liquidität fehlt“, sagte der als Aktienbetrüger verurteilte Amerikaner kürzlich in einem Video auf YouTube. Seine Lebensgeschichte wurde im Film „Wolf of Wall Street“ mit Leonardo DiCaprio verewigt. „Ich weiß mehr über das alles als irgendjemand anderer auf der Welt. Ich bin nicht stolz drauf. Aber so ist es.“

Belforts Modus Operandi: Er und seine Kollegen haben ihren Kunden sogenannte Penny Stocks angedreht – wertlose Aktien, angebliche Geheimtipps, die Belforts Firma selbst schon besessen und nach einer kurzen Phase der Euphorie (Pump) teuer verkauft hat (Dump). Ganz ähnliche Methoden nutzen seine geistigen Kinder auf den Kryptomärkten. Statt um Penny Stocks geht es um kleine Kryptowährungen, die kaum verbreitet und leicht manipulierbar sind. In einer ausführlichen Recherche hat das „Wall Street Journal“ mehrere Duzend Gruppen gefunden, die Pump-and-Dump-Manipulationen durchführen. Übersetzung: aufpumpen und fallen lassen. Diese Gruppen hätten in den vergangenen sechs Monaten ein Tradingvolumen von 800 Mio. Dollar generiert. Die Masche ist immer dieselbe, schreibt das „WSJ“. Die Anführer der Gruppen informieren ihre „Kunden“ über öffentliche und halbprivate Chaträume. Anders als die Kunden von Belfort sind sich zumindest die Teilnehmer dieser Chats darüber im Klaren, was hier passiert. Die Anführer haben es auf kaum bekannte Kryptowährungen abgesehen, die Namen wie Pesetacoin und Agrello tragen. Oder Cloakcoin. Diese Währung hat die Gruppe Big Pump Signal Anfang Juli ins Visier genommen.

Preis in extremen Höhen

Mit rund 75.000 Mitgliedern ist es die größte derartige Community, die das „WSJ“ finden konnte. Die Strategie sei immer dieselbe: Zuerst werden ein Datum und eine Uhrzeit ausgegeben. Dann wird bekannt gemacht, auf welcher Börse die Manipulation stattfinden soll. Wenn die Mitglieder vorbereitet sind und ihr Geld parat haben, wird der Name der Coin genannt und das „Signal“ ausgegeben.

Binnen kürzester Zeit treiben die Manipulatoren den Preis in extreme Höhen. Wenn der übrige Markt auf den Zug aufspringt, um ihn nicht zu verpassen, fangen die Gruppenmitglieder zu verkaufen an. Oft gibt es mehrere Gruppen, die über unterschiedliche Wissensstände verfügen. Je näher man an den Betreibern ist, desto mehr Geld kann man machen.

Alles geht rasend schnell. Im Fall von Cloakcoin wurde der Preis binnen weniger Minuten um 50 Prozent in die Höhe getrieben, nur um danach sofort zu kollabieren. Die Methode von Pump and Dump ist auf den traditionellen Märkten schon seit 1930 verboten, taucht aber im Zuge von Spekulationsblasen trotzdem immer wieder auf.

In der Welt der Kryptowährungen, die auf obskuren Börsen wie Binance, Bittrex oder Poloniex gehandelt werden, ist eine derartige Marktmanipulation aber ungleich einfacher als auf einer regulierten Wertpapierbörse. Vor allem Binance, die ursprünglich in China gegründete, derzeit größte Kryptobörse, ist immer wieder Ziel der Gruppen – weil dort sehr viele kleine Coins gelistet sind.

„Die schlimmsten Typen“

Die Kriminellen machen nicht nur durch die Manipulationen selbst Geld, sondern verlangen oft auch Gebühren von den Teilnehmern – im Bereich von 50 bis 250 Dollar pro Monat. Insgesamt hat die Untersuchung des „WSJ“ 63 solcher Gruppierungen gefunden. Dazu kommt, dass es neben den Pump-and-Dump-Gruppen auch legitime Trading-Chaträume gibt, in denen lediglich Marktsignale weitergegeben und diskutiert werden.

Auch rund um die Ur-Kryptowährung Bitcoin gibt es immer wieder Manipulationsvorwürfe – die sich zum Teil direkt gegen die Betreiber verschiedener Börsen richten. Manche meinen herausgefunden zu haben, dass der Preis im vergangenen Jahr massiv nach oben manipuliert wurde – und zwar durch Schaffung synthetischer „Dollar“ in Form der Kryptowährung Tether. Auch Jordan Belfort glaubt an diese Theorie. „Es ist schlimmer, als man sich vorstellen kann. So ist das halt auf unregulierten Märkten. Die ziehen die schlimmsten Typen an.


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