Wenn Sozialbauten auf booking.com landen

Der Wohnturm in der Belvederegasse 14–16 wurde von einem gemeinnützigen Wohnbauträger errichtet.
Der Wohnturm in der Belvederegasse 14–16 wurde von einem gemeinnützigen Wohnbauträger errichtet. Clemens Fabry / Die Presse
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Der Deal um 3000 Sozialwohnungen sorgt derzeit für Aufregung. Im Geschehen: Heumarkt-Investor Tojner, der bereits ähnliche Geschäfte machte. In einem Fall werden Sozialwohnungen jetzt als Ferienappartements vermietet.

Wien. „Top Appartement“. „Die Unterkunft können wir jederzeit empfehlen.“ Solche Lobeshymnen singen Kunden auf der Buchungsplattform booking.com über die 20 Ferienwohnungen, die sich in der Belvederegasse 14–16 (vierter Bezirk) befinden.
Auch die Preise sind für diese Lage moderat: Drei Nächte im 30-Quadratmeter-Studio gibt es ab 350 Euro. Längerfristiges Mieten ist auch möglich: Eine 70-Quadratmeter-Wohnung kostet pro Monat rund 2000 Euro. Das „Schnäppchen“ wird zum Wucher, wenn man berücksichtigt, in welchem Haus die Appartements sind.

Es wurde von der Gesfö in den 1950er-Jahren mit Steuergeldern als Sozialbau errichtet. Laut Gesetz gilt: Eine gemeinnützig errichtete Wohnung bleibt immer gemeinnützig. Egal, wem sie gehört, egal, wer ein- oder auszieht. Heißt: Der Mietpreiszins wäre nach Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) zu berechnen – und der läge in diesem Fall bei rund 3,70 Euro pro Quadratmeter. Ob es im Sinne der Gemeinnützigkeit ist, dass Wohnungen über Buchungsplattformen vermietet werden, sei dahingestellt. Wie kommt es dazu?

Die Gesfö hat seit einigen Jahren einen neuen Eigentümer: Heumarkt-Investor Michael Tojner. Dass er gern Geschäfte mit gemeinnützigen Bauträgern macht, das zeigt sich gerade auch in Wien. Dort soll der gemeinnützige Bauträger WBV-GFW mit 3000 Sozialwohnungen zum Preis von sechs Millionen Euro über den Tisch gehen. Tojner zog im Hintergrund die Fäden – wie ein der „Presse“ vorliegender Notariatsakt zeigt. Dieser enthält ein Abtretungsangebot an Tojner ebenso wie eine Kaufoption. Letztere hat Tojner, der den Akt unterschrieben hat, gezogen. Er bezahlte 800.000 Euro, um seinen Geschäftsfreund Christian Hosp als Eigentümer einzusetzen – den der WBV-GFW-Aufsichtsratsvorsitzende Stefan Gregorich zuletzt als „Strohmann Tojners“ bezeichnete. Auf der Politikebene wird nun gestritten, ob der Deal rechtmäßig war, ob er rückabgewickelt werden muss – oder der Bauträger die Gemeinnützigkeit verliert. Die "neuen" Eigentümer haben nun versucht nachträglich einen Antrag auf Genehmigung einzubringen, über die die Stadtregierung im Herbst abstimmen soll. Bisher haben dem alle Parteien eine Abfuhr erteilt - die SPÖ verhielt sich in der Causa äußert zögerlich. Wie man sich entscheiden will, wollte man in den vergangenen Tagen im Wohnbauressort von Kathrin Gaal (SPÖ) noch nicht bekanntgeben. Nach heftiger Kritik teilte sie am Mittwoch dann doch mit, dem Deal nicht zustimmen zu wollen.

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