„Sauerkrautkoma“: Ein Heimatkrimi mit leeren Augen

 Turteln in der Kleinstadt: Lisa Maria Potthoff und Gedeon Burkhard in „Sauerkrautkoma“, einem Film, der auf fragwürdige Geschlechterklischees nicht verzichtet.
Turteln in der Kleinstadt: Lisa Maria Potthoff und Gedeon Burkhard in „Sauerkrautkoma“, einem Film, der auf fragwürdige Geschlechterklischees nicht verzichtet.(c) Constantin Film
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Feiern Komödien wie „Sauerkrautkoma“ das geordnete Kleinstadtleben? Die Figuren wirken jedenfalls nicht glücklich darüber, den Absprung in die Stadt nie geschafft zu haben.

Heimatkrimi-Komödien, die im tiefsten Bayern spielen, erfreuen sich seit Jahren großer Beliebtheit. Dem „Bullen von Tölz“ hat man in seinem Heimatort sogar einen Brunnen und ein Museum gewidmet. Der Berufsalltag der seit 16 Jahren für hohe Einschaltquoten sorgenden „Rosenheim Cops“ lässt sich wiederum auf Stadtrundfahrten entlang der Drehorte nachverfolgen. Die Eberhofer-Krimis – benannt nach dem Kommissar, der in ihnen ermittelt – spielen zwar in einem fiktiven Dorf namens Niederkaltenkirchen, gedreht werden sie aber im niederbayrischen Frontenhausen. Die Website dieses 4650-Einwohner-Orts zeigt neben Bildern vom Marktplatz, der kleinen Dorfkapelle und dem großen Supermarkt auch Szenenfotos aus der Filmreihe, deren letzter Teil, „Die Grießnockerlaffäre“, eine Million Zuschauer in die Kinos lockte – obwohl er, wie man zu berichten weiß, fast ausschließlich in Bayern zu sehen war. Vor fünf Jahren begann die Kinokarriere der Saga, die auf den gleichnamigen Lokalkrimis von Rita Falk basiert – und die nun eine weitere Fortsetzung gefunden hat.

Klamaukig, vulgär, klischeehaft

Der Eberhofer-Franz (Sebastian Bezzel) wird darin gegen seinen Willen nach München versetzt, wo er sich in der Absteige seines inzwischen als Privatdetektiv tätigen Exkollegen, dem Birkenberger-Rudi (Simon Schwarz), einquartiert. Gleich nach dem Einzug wird seinem Vater in der „drecksbrunzversifften Scheißstadt“, wie der dauerbekiffte Öko-Landwirt die Metropole an der Isar schimpft, das Auto geklaut. Als es wieder auftaucht, befindet sich die Leiche eines serbischen Au-pair-Mädchens im Kofferraum, das (welch ein Zufall!) für den Bürgermeister von Niederkaltenkirchen arbeitete. Neben dem aufzuklärenden Mordfall ist der wortkarge Beamte zudem mit der Heiratswilligkeit seiner langjährigen Freundin konfrontiert, auf die bereits der weltgewandte Karl-Heinz Fleischmann (Gedeon Burkhard) ein Auge geworfen hat.

Wie schon die Vorgängerfilme ist auch „Sauerkrautkoma“ kein handelsüblicher Vertreter der humoristisch-harmloseren Heimatkrimi-Komödien, wie man sie aus dem Abendprogramm kennt, sondern eine grelle, klamaukige und vulgäre Parodie derselben. Alle Figuren sprechen im derbschnauzigen Dialekt miteinander und lassen sich umstandslos als stereotype Karikaturen identifizieren. Vor niveaubefreiten Flatulenz- und Fäkalwitzen wird ebenso wenig zurückgeschreckt wie vor fragwürdigen Geschlechterklischees in Gestalt von frustrierten Freundinnen, herrschsüchtigen Ehefrauen, lebensunfähigen Junggesellen und unromantischen Männern.

In einer süddeutschen Tageszeitung wurde der Erfolg der mehrteiligen Provinzposse unlängst auf eine vermeintlich wiedererwachte Sehnsucht nach einem überschaubaren und geordneten Kleinstadtleben zurückgeführt. Und tatsächlich: Der vorm Rathaus aufgestellte Maibaum mit seinem blau-weiß gestreiften Stamm, die mit süßem Hausmachersenf herzförmig beklecksten Leberkässemmeln und der aus der Zeit gefallene Streifenwagen des raubeinigen Protagonisten (ein alter Audi 80, wie er vor allen in den Achtzigerjahren von der bayrischen Polizei eingesetzt wurde) versprühen heimeliges Lokalkolorit.

Eine Hymne aufs Landvolk ist das nicht

Dennoch beschleicht einen permanent das Gefühl, dass es den Charakteren keineswegs gutgetan hat, den Absprung in urbanere Gefilde stets verpasst oder nie gewagt zu haben. Die Augen des von Sebastian Bezzel verkörperten Bauernbuben in Uniform sind erschreckend leer. Der Gesichtsausdruck von Lisa Maria Potthof in der Rolle seiner fordernden Lebensgefährtin nicht minder apathisch. Die temperamentvolleren Nebenfiguren wirken hingegen überdreht, jähzornig oder kleinkariert. Eine Hymne auf die gute alte Zeit und das vermeintlich ausgeglichenere Landvolk schaut jedenfalls anders aus – und warum wird eigentlich immer die Zuverlässigkeit übersehen, mit der irgendwann eine Leiche auftaucht und sich ein unscheinbarer Normalbürger als Meuchelmörder entpuppt?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2018)

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