Ich war immer ein Venedig-Verteidiger. Aber im Sommer 2018 fällt die Verteidigung zunehmend schwer.
12.08.2018 um 11:31
Venedig ist wie ein Staat, der sich zunehmend radikalisiert und den Menschen, die da leben – aber auch den Besuchern – immer weniger Spielraum lässt.
Martin Amanshauser
Jedes Jahr liest man: "Venedig verbannt Kreuzfahrtskolosse". Doch schon nach wenigen Stunden vor Ort sieht man einen Koloss am Markusplatz vorbeifahren. (Momentan müssen nur – und erst seit kurzem – die absoluten Monster mit mehr als 96.000 Tonnen alternative Routen nehmen.) Es geht nicht nur um die Menschenmassen, sondern auch um das Naturgebiet Lagune, in der viele Arten unter der Bewegung der Wassermassen leiden. Deshalb wäre ein Totalverbot für große Schiff in der Lagune wünschenswert.
Martin Amanshauser
Die Venezianer agitieren erfolglos dagegen. Ich glaube, der politische Ablauf folgt jenem der Diskussion gleicher-Lohn-für-gleiche-Arbeit-für-Frauen. Jeder, den man so fragt, spricht sich für eine Sache aus, die logisch und sinnvoll scheint, aber sie wird nie umgesetzt, weil im Hintergrund ein paar sehr starke Kräfte unauffällig an den Rädchen drehen.
Martin Amanshauser
Wegen der Überhandnahme von Tagestouristen haben viele alte Geschäfte geschlossen und wurden durch profitablere Ramschläden ersetzt, die in China produzierten Venezia-Kleinkram anbieten. Der Kampf gegen die Heuschrecken erfolgt auch von Geschäftsbesitzerseite. Einfach nur Hinsetzen und gemütlich die Pizzaschnitte essen funktioniert in Venedig kaum nicht mehr.
Martin Amanshauser
Bade-Ausflug an den Lido, um der Innenstadt zu entkommen. Im Vaporetto stapeln sich die Menschen wie üblich, dabei gibt es interessante Frisuren zu sehen.
Martin Amanshauser
Eigentlich war das Öffentliche Bad am Lido (heute "Blue Moon") mit seinen historischen Metall-Konstruktionen immer ein Geheimtipp für proletarisches Badevergnügen. Früher legten sich die Leute gerne in den Schatten der erhöhten Promenadenrampe, aber deren Holzbretter sind heute abmontiert – kein Schatten mehr. Zwei Liege-Bettchen mit Schirm, die man noch vor wenigen Jahren für 12 Euro mieten konnte, kosten mittlerweile 27 Euro.
Martin Amanshauser
Das rätselhafteste Schild des Lido steckt im seichten Gewässer des „Blue Moon“. Auf jeder einzelnen Sprache wird der Sachverhalt irgendwie verschleiert, aber wenn man alle zusammen liest, versteht man die Botschaft durchaus.
Martin Amanshauser
Vaporettofahrt. Auch hier sind die Preise explodiert, Ein Einzelticket kostet nun 7,50 Euro und ein Schrankensystem schränkt das Schwarzfahren seit kurzem deutlich ein – Für die Überwindung dieser Schranken benötigt man sichtlich ein bisschen kriminelle Energie, und die bringt fast kein Tourist auf ...
Martin Amanshauser
... während eine echte Gondelfahrt nun mit einem Fixpreis von 80 Euro festgelegt ist (100 Euro pro Nacht) – früher konnte man handeln.
Martin Amanshauser
Überquerung des Canal Grande im sogenannten Traghetto, einer kleinen Gondel, die die Brücke ersetzt. Noch immer ist der Spaß nicht teuer, aber auch hier haben die Preise angezogen, 2 Euro pro Person (Einheimische fahren logischerweise billiger) ...
Martin Amanshauser
... kostenlos – man benötigt aber einige Ellbogenkraft oder ein Schiff, von dem aus man sie in Ruhe betrachten kann- ist hingegen weiterhin der Blick auf die frisch glänzende Seufzerbrücke, die während ihrer Renovierung jahrelang von Werbetransperenten verdeckt war.
Martin Amanshauser
Wie auch immer, einen Reisetipp kann man heutzutage nicht mehr geben. Zu hoffen ist, dass sich Venedig von der Mafia befreit – denn bekannterweise ist die Stadt heilig. www.amanshauser.at Tipp: Martin Amanshauser, „Die Amerikafalle, oder: Wie ich lernte, die Weltmacht zu lieben“, Kremayr & Scheriau 2018.
Martin Amanshauser
Amanshausers Albträume - 05 Venedig
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