Krebs durch Glyphosat? Monsanto zu Millionen-Strafe verurteilt

In den USA machen tausende Krebskranke Monsanto für ihr Leiden verantwortlich.
In den USA machen tausende Krebskranke Monsanto für ihr Leiden verantwortlich. Reuters (Alessandro Garofalo)
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Ein ehemaliger Hausmeister bekommt in den USA 298 Millionen US-Dollar vom Agrarkonzern zugesprochen. Monsanto kündigte Berufung an.

Ein US-Gericht hat den Agrarkonzern Monsanto zur Zahlung von 298 Millionen Dollar (260 Millionen Euro) Schmerzengeld verurteilt, weil seine glyphosathaltigen Unkrautvernichtungsmittel Krebs verursacht haben sollen. Die Mittel hätten "wesentlich" zur Krebserkrankung des ehemaligen Hausmeisters Dewayne Johnson beigetragen, befand das Geschworenengericht am Freitag (Ortszeit) in San Francisco. Johnson ist unheilbar an Lymphdrüsenkrebs erkrankt und macht die Herbizide von Monsanto dafür verantwortlich.

Die Geschworenen-Jury begründete das Urteil mit dem Versäumnis von Monsanto, den Kunden vor dem Krebsrisiko durch das Unkrautvernichtungsmittel zu warnen. Sie stufte dies als "Heimtücke" ein. Der 46-jährige Kläger hatte die Mittel als Hausmeister einer Schule im kalifornischen Benicia über Jahre hinweg angewendet.

Im Zentrum des Verfahrens stand die Frage, ob die in den Unkrautvernichtungsmitteln Roundup und RangerPro enthaltene Chemikalie Glyphosat möglicherweise eine krebsauslösende Wirkung hat. Monsanto, das seit Juni zum Bayer-Konzern gehört, bestreitet eine solche Wirkung seines Produkts.

Dewayne Johnson wurden 298 Millionen Dollar zugesprochen.
Dewayne Johnson wurden 298 Millionen Dollar zugesprochen. Reuters

Monsanto kündigte umgehend Berufung gegen das Urteil an. Die Produkte hätten "eine 40-jährige Geschichte der sichere Anwendung" und seien weiterhin ein "wichtiges, wirksames und sicheres Mittel", erklärte das Unternehmen. Die Geschworenen hätten "eine falsche Entscheidung getroffen", sagte Monsanto-Vizepräsident Scott Partridge. Monsanto empfinde zwar Mitgefühl für Johnson und seine Familie. Das Urteil ändere aber "nicht die wissenschaftlichen Befunde", die Glyphosat als harmlos beurteilten.

Auch Bayer kritisierte das Urteil. Ein Sprecher sagte am Samstag, es bestehe "kein Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Glyphosat und dem Non-Hodgkin-Lymphom", an dem Johnson leidet. Auf der Grundlage dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse, der Einschätzungen von Regulierungsbehörden weltweit und der jahrzehntelangen praktischen Erfahrung mit dem Einsatz von Glyphosat sei Bayer überzeugt, "dass Glyphosat sicher und nicht krebserregend ist".

Unter Experten ist hochumstritten, ob Glyphosat tatsächlich Krebs verursachen kann. Die US-Umweltbehörde EPA und auch die Aufsichtsbehörden in der EU gelangten zu dem Schluss, dass keine Krebsgefahr von dem Herbizid ausgeht. Dagegen hatte die zur Weltgesundheitsorganisation WHO gehörende Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) vor drei Jahren konstatiert, dass Glyphosat "wahrscheinlich krebserregend bei Menschen" sei.

Nur "die Spitze des Eisbergs"

Dieser Befund hatte maßgeblichen Einfluss auf die Urteilsfindung in San Francisco. Klägeranwalt Brent Wisner sagte, das Urteil belege "die überwältigenden Beweise" für die Gesundheitsrisiken durch Glyphosat. Das Urteil sei nur "die Spitze des Eisbergs" - in Zukunft würden noch viele derartige Urteile fallen.

In den USA machen tausende Krebskranke Monsanto für ihr Leiden verantwortlich. Ein Bundesrichter in San Francisco hatte im vergangenen Monat mehr als 400 weitere Klagen wegen der möglichen krebsauslösenden Wirkung des Unkrautvernichtungsmittels zugelassen. Für diese Verfahren könnte das Urteil vom Freitag Signalwirkung haben.

Kläger Johnson nahm das Urteil mit Tränen und Erleichterung auf. "Hier geht es nicht nur um mich", sagte er. "Diese Sache wird nun hoffentlich die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient."

Botschaft an die Chefetage von Monsanto 

Der Umweltanwalt Robert F. Kennedy Jr., der zu Johnsons Anwaltsteam gehört, sagte: "Die Geschworenen haben der Chefetage von Monsanto eine Botschaft gesandt, dass die Geschäfte nun geändert werden müssen." Der Konzern habe lange versucht, die kritischen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu unterdrücken - "doch die Wissenschaft war viel überzeugender", sagte Kennedy.

SPÖ-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner forderte ein Glyphosat-Verbot in Österreich. "Die Regierung spielt mit der Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher", sagte die ehemalige Gesundheitsministerin."Es ist beschämend, dass die Regierung trotz solcher Entwicklungen keine klare Haltung zu einem Glyphosat-Verbot hat." Die Regierung soll sich für ein Anwendungsverbot für alle biologisch nicht abbaubaren Pestizide einsetzen.

Glyphosat in der Kritik

Der Wirkstoff Glyphosat ist weltweit umstritten. 2015 stufte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das weltweit meistverkaufte Unkrautvernichtungsmittel als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Verboten ist Glyphosat jedoch bisher nirgendwo. Das historische Urteil gegen den inzwischen zum deutschen Chemiekonzern Bayer gehörenden Hersteller Monsanto in den USA könnte Glyphosat-Gegnern auf der ganzen Welt nun Auftrieb geben.

USA

Ein US-Gericht verurteilte den Agrarkonzern Monsanto am Freitag zur Zahlung von 289 Millionen Dollar (knapp 253 Millionen Euro) Schmerzensgeld, weil seine glyphosathaltigen Unkrautvernichtungsmittel Krebs verursacht haben sollen. Gegen das Unternehmen sind in den USA tausende weitere Verfahren anhängig. Monsanto verweist darauf, dass zahlreiche Studien sowie die US-Umweltbehörde EPA und andere Regulierungsbehörden weltweit zu dem Schluss gekommen seien, dass Glyphosat keinen Krebs verursacht.

Europa

Nach zwei Jahren lebhafter Debatten verlängerten die EU-Mitgliedstaaten Ende 2017 die Zulassung für Glyphosat um weitere fünf Jahre. Zuvor hatten die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) und die Europäische Chemieagentur (Echa) die Substanz als nicht krebserregend eingestuft. Die Unabhängigkeit der Efsa wurde jedoch angezweifelt, weil Textpassagen ihres Gutachtens denen eines Monsanto-Berichts aus dem Jahr 2012 ähnelten.

Frankreich

Die französische Regierung kündigte im Mai an, die Nutzung von Glyphosat innerhalb von fünf Jahren komplett verbieten zu wollen. Im Juni verklagte ein Bienenzüchterverband den Chemiekonzern Bayer, nachdem in Glyphosat-Rückstände in Honig gefunden worden waren. Bereits im Jahr 2009 hatte Frankreichs höchstes Gericht Monsanto wegen Etikettenschwindels zu 15.000 Euro Strafe verurteilt: Das Unternehmen hatte sein Glyphosat enthaltendes Herbizid Roundup als "biologisch abbaubar" beworben.

Argentinien

Der drittgrößte Soja-Anbauer der Welt hinter den USA und Brasilien verbraucht enorme Mengen Glyphosat. In manchen Anbaugebieten der Pampa kommt es ständig zu Konflikten zwischen besorgten Anrainern und Agrarproduzenten, für die das Herbizid unverzichtbar geworden ist. In Ermangelung einer nationalen Regelung haben einige Kommunen das Versprühen von Glyphosat eingeschränkt. Die Produzenten gehen gegen die Regulierungen vor.

Brasilien

Anfang August ordnete eine brasilianische Richterin eine 30-tägige Sperre für die Registrierung neuer glyphosathaltiger Produkte an, damit die Gesundheitsbehörden eine toxikologischen Neubewertung vornehmen können. Die brasilianische Regierung legte daraufhin Rechtsmittel ein, um die Entscheidung noch vor der nächsten Ernte aufheben zu lassen.

El Salvador

Das Parlament stimmte im September 2013 dafür, 53 agrochemische Produkte vom Markt zu nehmen, darunter Unkrautvernichtungsmittel und Pestizide. Der damalige Präsident Mauricio Funes hob diese Entscheidung für elf Pestizide mit der Begründung wieder auf, dass diese besonders häufig verwendet würden und international nicht verboten seien. Ein Ausschuss wurde eingerichtet, aber an der Situation änderte sich in den folgenden fünf Jahren wenig. Glyphosat wird in El Salvador nach wie vor verkauft.

Sri Lanka

Sri Lankas Regierung verbot im Oktober 2015 den Import von Glyphosat. Landwirtschaftsorganisationen kritisierten die Regierung dafür, keine zusätzlichen wissenschaftlichen Untersuchungen durchgeführt zu haben und beklagten einen jährlichen Ernteverlust von zehn Prozent. Im vergangenen Juli wurden die Importe wieder zugelassen, allerdings bleibt die Verwendung von Glyphosat auf Tee-und Kautschukplantagen untersagt.

(APA/dpa)

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