In Asien fällt die Lira in den Morgenstunden auf ein neues Rekordtief. Der türkische Präsident ortet ein Komplott hinter dem Verfall der türkischen Währung. In der Früh sind die US-Strafzölle auf Aluminium und Stahl aus der Türkei in Kraft getreten.
Die türkische Regierung will mit einem Aktionsplan für die Wirtschaft die Märkte beruhigen und den Kursverfall der Lira stoppen. "Von Montagmorgen an werden unsere Institutionen die notwendigen Schritte unternehmen und dies den Märkten mitteilen", sagte Finanzminister Berat Albayrak in einem Interview der Zeitung "Hürriyet". Die Lira hatte ihren Sinkflug am Montag im frühen asiatisch-pazifischen Handel fortgesetzt und ein neues Rekordtief mit 7,24 Lira zum Dollar markiert.
Finanzminister Albayrak, der Schwiegersohn von Präsident Recep Tayyip Erdogan, sagte der "Hürriyet", der Aktionsplan für Banken und Realwirtschaft sowie die einzelnen Maßnahmen seien vorbereitet und fertig. Sie richteten sich auch an kleine und mittlere Unternehmen, die von Währungsschwankungen am stärksten betroffen seien. Zu Details des Plans sagte Albayrak nichts. Die Schwäche der Lira nannte er einen "Angriff".
Zentralbank lockert Bestimmungen für Lira-Reserven
Die Zentralbank des Landes kündigte dann am Montagmorgen an, die Liquiditätsversorgung der Geschäftsbanken sicherzustellen. Man habe die Bestimmungen für Lira-Reserven gesenkt. Dadurch würden dem Finanzmarkt rund zehn Milliarden Lira, sechs Milliarden Dollar sowie Goldguthaben im Wert von drei Milliarden Dollar an Liquidität zugeführt. Zusätzlich zum Dollar könnten auch Euro zur Absicherung von Lira-Reserven genutzt werden. Sie werde den Finanzmarkt genau beobachten und alle notwendigen Schritte ergreifen. Das half der Lira aber nur kurzfristig. Die türkische Währung legte zunächst zu, rutschte dann aber wieder ab.
Die Bankenaufsicht teilte in der Nacht auf Montag mit, die Swapgeschäfte der Banken mit ausländischen Investoren würden auf 50 Prozent ihres Eigenkapitals begrenzt. Das gelte auch für das Spot- und Termingeschäft.
Erdogan spricht von "Währungsverschwörung"
Am Wochenende bezeichnete Erdogan den Kursverfall der Lira als "Raketen" in einem Wirtschaftskrieg gegen sein Land. Der Weg aus der "Währungsverschwörung" bestehe darin, die Produktion zu steigern und die Zinsen zu senken. Erdogan hat sich selbst wiederholt als "Gegner der Zinsen" bezeichnet und angekündigt, eine größere Kontrolle über die Geldpolitik auszuüben. Er will, dass die Banken billige Kredite vergeben und so das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Anleger befürchten jedoch, dass es zu einer Überhitzung kommen könnte. Der Präsident hat auch mehrfach seine Landsleute aufgerufen, ihre Dollar- und Euro-Guthaben in die heimische Währung umzutauschen.
Am Sonntag bestritt Erdogan in einer Rede vor Anhängern in Trabzon am Schwarzen Meer, dass die Türkei in einer Finanzkrise wie der in Asien von zwei Jahrzehnten stecke. Der Verfall der Lira sei das Ergebnis eines Komplotts und spiegle nicht die wirtschaftlichen Fundamentaldaten des Landes wider. "Was ist der Grund für diesen Sturm im Wasserglas? Es gibt keinen wirtschaftlichen Grund dafür", sagte Erdogan. "Das ist das, was man eine Operation gegen die Türkei nennt."
Die Lira hat seit Jahresbeginn mehr als 45 Prozent ihres Wertes verloren. Allein am Freitag hatte sie 18 Prozent eingebüßt und war auf ein Rekordtief von 7,24 zum Dollar gefallen. Es war der größte Verlust an einem einzigen Tag seit dem Jahr 2001. Ein wesentlicher Grund dafür sind Befürchtungen, Erdogan, der seit einer Verfassungsänderung mit großer Machtfülle ausgestattet ist, könnte sich massiv in die Wirtschaft und die Währungspolitik einmischen. So wächst die Besorgnis, dass die Notenbank ihre Unabhängigkeit verliert. Zudem liegt Erdogan mit dem NATO-Partner USA bei mehreren Themen über Kreuz, darunter die unterschiedlichen Interessen im Syrien-Konflikt.
Erdogan droht mit Abkehr von USA
Hinzugekommen ist der Streit wegen des in der Türkei festgehaltenen US-Pastors Andrew Brunson. Türkische Ermittler werfen ihm Verbindungen zu dem in den USA lebenden Geistlichen Fethullah Gülen vor, der nach Darstellung der Regierung in Ankara hinter dem Putschversuch vor zwei Jahren steckt.
Am Montag sind daher drastisch erhöhte US-Strafzölle auf Stahl aus der Türkei in Kraft getreten. Von 0.01 Uhr (6.01 Uhr MESZ) an wird Stahl aus der Türkei mit Abgaben in Höhe von 50 Prozent statt bisher 25 Prozent belegt, wie das Weiße Haus mitteilte.
Am Freitag hatte US-Präsident Donald Trump eine Verdoppelung der Sonderzölle auf Stahl und Aluminium aus der Türkei angeordnet. Trump hatte in einem Tweet ausdrücklich auf die schlechten Beziehungen zu dem NATO-Partner und auf den Absturz der türkischen Lira verwiesen, den er mit seiner Ankündigung weiter beschleunigte. Erdogan drohte daraufhin mit einer wirtschaftlichen und politischen Abkehr vom Westen und kündigte eine stärkere Hinwendung zu Russland, China und der Ukraine an. Die Türkei habe Alternativen, schrieb Erdogan in einem Meinungsartikel in der "New York Times" vom Wochenende.
(APA/Reuters)