Die Unfallversicherung streicht 300 Jobs und die Zuschüsse für Betriebe. Für Freizeitunfälle kommt sie nicht mehr auf. Wer die Kosten übernehmen soll, bleibt bis auf Weiteres offen.
Wien. Vorweg die gute Nachricht aus Sicht der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt: Die AUVA bleibt erhalten. Unfallspitäler und Reha-Einrichtungen werden keine geschlossen. Und auch betriebsbedingte Kündigungen werde es nicht geben, versicherten die beiden Regierungsverhandler, Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) und ÖVP-Klubchef August Wöginger, am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit AUVA-Obmann Anton Ofner.
Die schlechte Nachricht: Die AUVA muss in den nächsten Jahren 428 Millionen Euro einsparen. Das ist zwar weniger als die ursprünglich von der Regierung verordneten 500 Millionen – allerdings: Wenn man das AUVA-Gesamtbudget von 1,4 Milliarden Euro heranziehe und bedenke, dass 600 Millionen Euro fix gebunden seien, „dann ist dieses Einsparungsziel durchaus herausfordernd“, sagte Ofner. Es habe „einiger Mühen bedurft, um Lösungen zu finden“. Die sich nun folgendermaßen darstellen:
Verwaltung
35 Millionen Euro will die AUVA durch Kooperationen (mit den Landesspitälern) einsparen, weitere 100 in der Verwaltung: Von den 1550 Stellen in der Verwaltung werden in den nächsten sechs Jahren 300 nicht nachbesetzt. Bei Ärzten und Pflegern soll es jedoch keine Personalkürzungen geben.
Eine Privatisierung der Unfallversicherung ist vom Tisch, allerdings wird – als 100-prozentige Tochter der AUVA – eine Betriebs-GmbH geschaffen, unter deren Dach alle Unfallspitäler und Reha-Zentren „gleich geführt und organisiert werden“, wie es im Reformkonzept heißt. Darüber hinaus sollen laut Ofner „Beschaffungsvorgänge zentralisiert und Prozesse noch stärker digitalisiert werden“.
Sozialministerin Beate Hartinger-Klein sprach von einem „Fitnessprogramm gegen den Verwaltungsspeck“. Die Aufgaben der einzelnen AUVA-Einrichtungen würden gebündelt und damit „notwendige Synergien genutzt“.
Quersubventionen
Wie die restlichen zwei Drittel, also 295 Millionen Euro, gehoben werden sollen? Indem Quersubventionen, die das AUVA-Budget belasten, gestrichen werden. So will die Unfallversicherung nicht mehr für Freizeitunfälle aufkommen, die in ihren Spitälern behandelt werden. Das bringt über 150 Millionen Euro. Weitere 110 Millionen sollen insofern wegfallen, als sich die AUVA nicht mehr an den Entgeltfortzahlungen in kleinen und mittleren Betrieben (bis 50 Mitarbeiter) beteiligt. Außerdem wird auch bei einem Arbeitsplatz-Präventionsprogramm gespart.
Die Neuregelung sei Sache des Gesetzgebers, werde aber erst in Angriff genommen, wenn die gesamte Kassenreform fertig sei, erklärte ÖVP-Klubobmann August Wöginger der „Presse“. Also wenn klar ist, wie die Gegenfinanzierung im Detail aussieht. Wann das sein werde? Ende der Legislaturperiode, schätzt Wöginger. Bis dahin sollen die 21 Sozialversicherungsträger zu fünf zusammengefasst werden – inklusive Fusion der neun Gebietskrankenkassen. Davon versprechen sich ÖVP und FPÖ eine Milliarde Euro an Einsparungen.
Betriebe vs. Arbeitnehmer
Fest steht, dass Unternehmen künftig weniger in den AUVA-Topf einzahlen müssen. Ab 2019 wird der Unfallversicherungsbeitrag von 1,3 auf 1,2 Prozent gesenkt – und in weiterer Folge dann auf 0,8 Prozent. Ob die AUVA-Reform bedeute, dass die Arbeitnehmer künftig mehr zahlen müssen? „Unsinn“, sagt Wöginger. Hier würden Unwahrheiten verbreitet, nämlich von der SPÖ und den roten Gewerkschaften. Die Kassenreform solle am Ende alle entlasten. Auch Hartinger-Klein garantierte, dass das Leistungsangebot für die Patienten in vollem Umfang erhalten bleibe.
Proteste
Doch das bezweifeln die Belegschaftsvertreter. Das Gesundheitssystem solle zerstört werden, weil die Regierung der Industrie eine halbe Milliarde Euro an Lohnnebenkosten schenken wolle – auf Kosten der Arbeitnehmer, wie die Vorsitzende der Privatangestellten-Gewerkschaft, Barbara Teiber, bei der AUVA-Betriebsversammlung Montagfrüh in Wien mutmaßte. „Das ist eine brutale Umverteilung von unten nach oben, zu denen, die es eh schon haben.“
Auch die SPÖ sprach von einem „waghalsigen AUVA-Finanzierungskonzept für die Abgabensenkung der Wirtschaft“. Am Ende, so Bundesgeschäftsführer Max Lercher, könnten nur Leistungskürzungen für die Patienten herauskommen. Die Neos kritisierten eine „mutlose Nullnummer“, zumal die Kosten bloß von der Unfallversicherung zu den Gebietskrankenkassen verschoben würden. In der Liste Pilz war einstweilen von einer „AUVA-Reform-Maus“ die Rede.
Lob für die Regierung gab es von der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung: nicht nur, aber insbesondere für die Senkung der Lohnnebenkosten. (pri)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2018)