Griechenland: "Hier steht alles still"

Griechenland Hier steht alles
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Das Sparpaket hilft Athen zwar, das Defizit zu drücken, schwächt aber Konsum und Wirtschaftsleistung im Land.

Wien (mac). „Unsere Haupttätigkeit ist es im Moment, Geld einzutreiben“, sagt Bruno Freytag. Eigentlich sollte der österreichische Handelsdelegierte in Athen ja heimische Exporte promoten. Da ist im Moment aber nur wenig zu holen. Schon im Vorjahr kauften die Griechen mit 582 Mio. Euro knapp ein Viertel weniger Waren aus Österreich, heuer werden es noch einmal zehn bis 15 Prozent weniger sein, so Freytags Einschätzung. Firmen und Privaten fehle einfach das Geld, „gekauft wird nur das Nötigste“.

Bessern wird sich daran allzu bald nichts. Erst vergangene Woche stellte Finanzminister Giorgos Papakonstantinou in Brüssel ein 4,8 Mrd. Euro schweres Sparpaket vor, um die angeschlagenen Staatsfinanzen wieder ins Lot zu bringen. Bis zu 50.000 Griechen gingen gegen niedrigere Pensionen und Beamtengehälter sowie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und der Benzinpreise auf die Straße. Doch nach Ansicht der EU-Kommission und der EZB sind die Maßnahmen notwendig, um die Zinsen auf griechische Staatsschulden so weit zu senken, dass sie für das Land bezahlbar bleiben. Allein heuer braucht das Land 53 Mrd. Euro an Krediten, um Haushalt und Zinszahlungen zu finanzieren.

Fünf Prozent minus befürchtet

Auch wenn das Sparpaket das Defizit heuer von über zwölf auf unter 8,7 Prozent drücken wird, der Wirtschaft des Landes hilft das nicht. „In Griechenland steht alles still“, sagt Freytag. Der von der Notenbank angekündigte Rückgang der Wirtschaftsleistung um zwei Prozent ist das Mindeste, was er für heuer erwartet. Pessimistischere Ökonomen rechnen mit einem Minus von fünf Prozent, wenn die Sparmaßnahmen zur Gänze umgesetzt werden.

Denn der Staat kann, so lange er selbst nicht saniert ist, im Land kaum weitere Impulse setzen, die Investitionen der Industrie sind gleich null, und der Konsum sinkt Hand in Hand mit der Stimmung im Land. Jeder Zehnte ist arbeitslos gemeldet, bei Jugendlichen ist jeder Fünfte ohne Job. Die Dunkelziffer liegt weit darüber, denn viele melden sich gar nicht arbeitslos und lassen sich von den Familien auffangen. Was bleibt, ist die schwache Hoffnung auf den Tourismus, der ein Fünftel zum Wohlstand des Landes beiträgt.

Die Stimmung der Griechen werde erst wieder steigen, wenn sich die EU auf ein Hilfspaket für Athen einigt, glaubt Freytag. Dagegen wehrt sich Deutschland aber weiter mit aller Kraft. Der nächste Anlauf für eine Einigung erfolgt beim EU-Gipfel am Donnerstag.

Mit der Sanierung der Staatsfinanzen wird es ohnedies nicht getan sein. Eine ganze Gesellschaft muss sich ändern. „Das größte Problem ist die Steuerwahrheit der Selbstständigen“, sagt Freytag. So sind Athener Ärzte in Innenstadtlage mit einem offiziellen Monatsverdienst von 300 Euro wohl unglaubwürdig, aber keineswegs eine Seltenheit. Die Finanzbehörden drücken beide Augen zu und halten im Gegenzug die Hand auf. Nach einer Studie von Transparency International bezahlt jeder Grieche im Schnitt jährlich 1355 Euro an Bestechungsgeld für staatliche Leistungen.

Ringen um Hilfspaket, Seite 5

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2010)

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