Standortpolitik: Liste der Kritiker wird immer länger

++ THEMENBILD ++ LOBAUTUNNEL: UeBERSICHT GEPLANTE TRASSENFUeHRUNG
++ THEMENBILD ++ LOBAUTUNNEL: UeBERSICHT GEPLANTE TRASSENFUeHRUNGAPA/HANS KLAUS TECHT
  • Drucken

Nun haben auch der Städtebund und die Rechtsanwaltskammer ihre Ablehnung zum Standortentwicklungsgesetz geäußert. Das Tiroler Landesverwaltungsgericht sieht rechtsstaatliche Prinzipien verletzt.

Die Liste der Kritiker an dem von der Regierung geplanten Standortentwicklungsgesetz wird immer länger. In der laufenden Begutachtung haben sich nun unter anderem auch der Städtebund und die Rechtsanwaltskammer ablehnend geäußert. Einmal mehr kam auch Kritik aus Tirol. Vorarlberg hatte sich schon kritisch geäußert, nun gesellt sich auch Kärnten dazu.

"Gegen das Gesetzesvorhaben bestehen gravierende verfassungsrechtliche und unionsrechtliche Bedenken", so das Amt der Kärntner Landesregierung in seiner Stellungnahme. Vom Landesverwaltungsgericht Tirol heißt es in dessen Stellungnahme: "Ausgehend von den vorab aufgezeigten im Verfassungsrang stehenden Vorschriften ist daher im Falle des Vorbringens des Beschwerdegrundes eines mangelhaft ermittelten Sachverhaltes und/oder einer mangelhaften Beweiswürdigung jedenfalls ─ auch ohne Antrag ─ eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Ein Abweichen von diesem Grundsatz führt zwingend zu einer Mangelhaftigkeit der jeweiligen gerichtlichen Entscheidung (...) verletzt somit rechtsstaatliche Prinzipien, wie insbesondere das Recht auf ein faires Verfahren."

Umsetzung wirft viele Fragen auf

Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) wiederum hatte gestern betont, dass er dem von der Bundesregierung geplanten Standortentwicklungsgesetz "deutlich positiv" gegenübersteht. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), die für die Gesetzesvorlage zuständig ist, habe seine "volle Unterstützung".

Der Städtebund meinte in seiner Stellungnahme: "Die rechtliche Umsetzung dieser wirtschaftlich prinzipiell zu begrüßenden Maßnahme im vorliegenden Entwurf wirft jedoch viele Fragen auf. Was passiert beispielsweise, wenn Projekte als genehmigt gelten, ohne dass - z. B. aufgrund unzureichend klarer und vollständiger Projektbeschreibungen - alle für die Genehmigung nötigen Tatbestände geprüft werden konnten? Wer haftet dann für Folgeschäden, die daraus resultieren?"

Begutachtungsfrist endet

Und auch der österreichische Rechtsanwaltskammertag hat Bedenken: "Für Projektwerber wäre es sehr einfach möglich, ein Verfahren entsprechend zu verzögern - etwa indem notwendige Unterlagen nicht vollständig vorgelegt werden - und so einen positiven Genehmigungsbescheid zu erwirken. Gleichzeitig würden die Parteirechte der sonstigen Parteien ausgehebelt, die darüber hinaus auf eine Beschleunigung des Verfahrens keinen Einfluss nehmen könnten. Grundsätzlich darf die Folge der Säumnis einer Behörde nie zu Lasten eines Verfahrensbeteiligten gehen, sondern ist ausschließlich dann zulässig, wenn dadurch sämtliche Verfahrensbeteiligte begünstigt werden."

Das umstrittene Standortentwicklungsgesetz (StEntG) wurde am 6. Juli in Begutachtung geschickt, die Begutachtungsfrist läuft bis morgen, Freitag (17. August). Das Gesetz soll mit 1. Jänner 2019 in Kraft treten. Damit sollen Großprojekte "im besonderen Interesse der Republik" schneller genehmigt werden - auch wenn das zugehörige UVP-Verfahren nicht abgeschlossen ist.

Laut dem Gesetzesentwurf ist eine Beschwerde gegen die Genehmigung eines standortrelevanten Vorhabens zwar zulässig, "der mögliche Beschwerdegegenstand ist aber eingeschränkt", heißt es in den Erläuterungen des Wirtschaftsministeriums. Demnach ist eine solche nur möglich, wenn es sich um eine "Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung" handelt. Die Entscheidung, ob ein standortrelevantes Vorhaben vorliegt, trifft die Bundesregierung unterm Strich selbst im Ministerrat. Wird ein Projekt als standortrelevant bewertet, muss die UVP-Behörde dann innerhalb von 12 Monaten entscheiden. Wird die Frist überschritten, gilt das Vorhaben als genehmigt.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Flughafen Wien (Tower)
Innenpolitik

Kritik an Standortpolitik: "Massivster Rückschritt im Umweltbereich seit Jahren"

Landespolitiker äußern massive Bedenken. Das Wirtschaftsministerium will nun prüfen, ob es sich "um konkrete Verbesserungsvorschläge oder reflexartige Ablehnung handelt".
THEMENBILD: AIR BERLIN / NIKI
Home

Standortentwicklungsgesetz: Experten zweifeln an Rechtmäßigkeit

Das Gesetz, das bis Ende der Woche in Begutachtung gehen soll, wird von Juristen kritisch gesehen. Besonders bedenklich sei das Neuerungsverbot.
Die Umweltverträglichkeitsprüfung gilt für Windräder und für Flughafen-Großprojekte. Manchmal dauert sie Jahre.
Österreich

Standortentwicklung: Schneller zu Großprojekten

Das umstrittene „Standortentwicklungsgesetz“ passierte heute den Ministerrat. Die ÖVP rechnet mit 15 Anträgen im Jahr.
Um die dritte Piste für den Flughafen Wien Schwechat gab es ein jahrelanges Tauziehen, derart komplexe Fälle sind freilich selten. Für einen Gesetzesentwurf zur Beschleunigung von UVP- Verfahren setzte es nun harsche Kritik.
Österreich

Standortgesetz hat schweren Stand

Unionsrechtswidrig? Am geplanten Standortentwicklungsgesetz, das Umweltverfahren beschleunigen soll, setzte es massive Kritik. Nun steht eine Überarbeitung an.
Verfassungsrechtler Heinz Maye: "Die Wirtschaft ist kein Selbstzweck"
Österreich

Gesetz zur Standortentwicklung wird nach harscher Kritik überarbeitet

Als "Freibrief für Betonierer" geißelt die Umweltschutzorganisation WWF das geplante Standortentwicklungsgesetz. Es soll mit 1. Jänner des kommenden Jahres in Kraft treten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.