Hausgeschichte

Der Engel geht, Johann kommt

Innen Beton, außen Tradition: Silhouette und Material sollen an das typische Vorarlberger Rheintalhaus erinnern.
Innen Beton, außen Tradition: Silhouette und Material sollen an das typische Vorarlberger Rheintalhaus erinnern.i+R
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Im Vorarlberger Lauterach entsteht ein modernes Dorfgasthaus – aus Beton und Holzlamellen. Dennoch oder gerade deswegen soll es die Tradition des Ortes fortsetzen.

Beschaulich ist es am „scharfen Eck“ von B 190 und Wolfurter Straße im Vorarlberger Lauterach nicht: Das Grundstück – und damit das Haus – steht an einer viel befahrenen Kreuzung. Dennoch soll das alte Dorfgasthaus genau hier wieder neu erstehen: mit 86 Sitzplätzen in zwei Gasträumen, einer Bar und 15 Hotelzimmern.

„Das Gasthaus war über Jahrzehnte ein Treffpunkt am Alten Markt“, erklärt Projektleiter Rainer Elmenreich von der i+R Gruppe GmbH. „Hier spielte sich vieles an Dorfleben ab.“ Als Teil des alten Zentrums, das durch den Straßenausbau in den Sechziger- und Siebzigerjahren gelitten hat – „man sieht das räumliche Chaos entlang der B?190, das hier immer noch herrscht“, so der Architekt Philipp Lutz –, soll das neue Gasthaus auch ein Vorreiter für zukünftige Veränderungen sein.

Alte Formen neu interpretiert

„Für die Belebung von Ortskernen braucht es Plätze und Räume, die zur Begegnung einladen“, ist Wolfgang Berchtold, Leiter der Vermögensverwaltung der i+R, überzeugt. Nach der Pensionierung des Engelwirts Blacky Schwarz stand das Haus lang leer, bis es die i+R erwarb und mit der Gemeinde ein Konzept zur zukünftigen Nutzung entwickelte. Und dem Projekt einen neuen Namen gab: in Erinnerung an Johann Schertler, der 1904 mit der Gründung von Zimmerei und Flößerei in Lauterach den Grundstein für das heutige Unternehmen gelegt hatte.

(c) i+R

„Ein Jahr lang haben wir überlegt, wie das alte Haus für moderne Anforderungen zu revitalisieren wäre“, erzählt Lutz. Doch aus dem alten Gebäude ein modernes Dorfgasthaus zu machen „hätte einfach nicht geklappt. So haben wir entschieden, es komplett neu zu bauen – angelehnt an typische Details alter Häuser und ihrer Silhouette, die das Ortsbild prägen“, erläutert der Architekt.

Passend zum Ortsbild

Das wären vor allem moderate Höhen von zwei bis drei Stockwerken, holzverkleidete Wände – traditionell meist Schindeln –, eine breite Gaupe als Fassadenfortsetzung im Dachgeschoß und ein Dach mit „Aufschiebling“. Letzteres bezeichnet eine Abflachung der Dachschräge in der Nähe des Sims.

„Die Gaupe entsteht anstelle des alten Ladekrans an der Rückseite des Hauses und bietet den Hotelgästen im Dachgeschoß viel Licht“, erklärt Lutz. Nebenan ist ein Teil der Haustechnik untergebracht – Beheizung und Kühlung erfolgen mit Erdsonden und einer Sole-Wasser-Pumpe, die über eine Fußbodenheizung und aktivierte Bauteile im Haus wärmt und kühlt. „Die kontrollierte Be- und Entlüftung soll für ein angenehmes Klima sorgen“, so Elmenreich.

„Als Baumaterial haben wir zuerst an Holz gedacht, dann aber Beton gewählt, der für diesen Ort an der befahrenen Straße einfach besser geeignet ist“. Außen soll eine kupferbraun lasierte Fichtenholzfassade an die Tradition der Schindeln anknüpfen und als Wärmeschutz dienen, obenauf kommt ein graues Walmdach. Auch innen soll heimisches Holz Ausstattung und Einrichtung dominieren. Die beiden Gasträume, die zum Vormittagskaffee ebenso einladen sollen wie zur Vereinssitzung oder dem anschließenden Glas Wein, können per Schiebetüren getrennt oder gemeinsam – etwa für Feste – genutzt werden.

Treffpunkt Engel (links im Bild) um 1900.
Treffpunkt Engel (links im Bild) um 1900. (c) i+R

Getrennter Hotelbereich

In die Zimmer führt ein eigener Eingang samt Treppe, von der der Gastraum betreten werden kann. Den Grund für neun Parkplätze gegenüber stellt die Gemeinde zur Verfügung. Der Weg zur Baugenehmigung war kein Spaziergang. „Die gewerberechtlichen Hürden sind so hoch, dass es kein Wunder ist, wenn in den Zentren keine neuen Gasthäuser entstehen“, meint Elmenreich. Dazu kam, dass das Haus zum Teil, etwa an der Straßenfront, auf der Grundstücksgrenze steht, was eine Reihe von Zusatzregelungen nötig macht. „Man muss ja quasi schon zum Fensterputzen über die Grundstücksgrenze, da braucht es wohlwollende Nachbarn.“

Bis Ende des Jahres soll das Gebäude fertiggestellt werden und gleich in Betrieb gehen: Mit Rafaela und Alexander Berger wurden bereits neue Pächter gefunden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2018)

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