Arzt und Maschine werden ein Team

Markus Holzer
Markus Holzer(c) Luiza Puiu
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Markus Holzer, CEO des Start-up „contextflow“, geht davon aus, dass es analog zum autonomen Fahren bald „autonome Ärzte“ geben wird.

Die Presse: Wie viel künstliche Intelligenz (KI) verträgt unser Gesundheitssystem?

Markus Holzer: Wie viel es verträgt, wird sich noch zeigen müssen – brauchen wird es diese unbedingt. Vorsicht ist aber geboten: KI wird nie alle Probleme im Gesundheitswesen lösen können. Was sie kann, ist Unterstützung bieten.

Unterstützung wofür?

Immer mehr Daten werden generiert, die Arbeitslast der Ärzte, speziell der Radiologen, steigt. Damit Mediziner qualitativ hochwertige Entscheidungen schnell treffen können, braucht es technischen Support. Das derzeitige Paradebeispiel ist das Cancer Screening. Künstliche Intelligenz kann CTs von Lungen auf vorhandene Knötchen analysieren und abgleichen – derzeit noch im Testlabor. Denn das Problem ist: Die Maschinen brauchen spezifische Fragestellungen, viel Beispieldaten und einen korrekten Validierungsprozess, um die nötige Qualität im breiten klinischen Einsatz sicherzustellen.

IBMs „Watson“ soll Ärzten bei der Behandlung von Krebspatienten helfen. Ein US-Arzt meint, seine Vorschläge seien teils lebensgefährlich gewesen.

Die Rahmenbedingungen sind schwierig. Die Daten sind meist unvollständig und verrauscht, sodass eine Standardanwendung nicht ausreicht, sondernadaptiert werden muss. Außerdem wird die Komplexität der Problemstellungen, mit denen Ärzte konfrontiert sind, oft unterschätzt. Insofern: Es ist sinnvoll, an Systemen wie Watson weiter zu arbeiten. Bildlich gesprochen: Künstliche Intelligenzen lernen wie Schulkinder. Bis zum Uniabschluss dauert es aber noch.

Ist der Uniabschluss da, braucht es dann die Ärzte noch?

Bei sehr spezifischen Fragen werden Künstliche Intelligenzen den Ärzten die Entscheidungen irgendwann abnehmen. Etwa bei der Frage: Ist in der Lunge ein Tumor? Aber: Die Entscheidung, was der gefundene Lungenknoten für die Therapie des Patienten bedeutet, wird vorerst weiter der Arzt treffen.

Vorerst?

Ich kann mir vorstellen, dass wir in den nächsten Jahrzehnten eine Art „autonomen Arzt“ haben werden, der standardisierte Fragestellungen abarbeitet – analog zum autonomen Fahren oder Fliegen. Der Computer hat immer einen 360-Grad-Überblick, wird nicht müde oder abgelenkt. Umgelegt auf den Arzt: Warum ihn nicht beim fokussierten Arbeiten unterstützen – und damit den Patienten.

KIs scheren Patienten über einen Kamm, Onkologen rufen nach individualisierter Medizin – das ist doch ein Widerspruch.

Nur auf den ersten Blick. Jeder ist speziell, aber trotzdem gibt es Gruppen von Menschen, die gewisse DNA-Muster aufweisen und somit für gewisse Krebsarten anfälliger sind. Für manche Muster eignet sich Medikament A, bei anderen wirkt B besser. Um die spezifischere Unterscheidung von Krebs und DNA-Muster und die Entwicklung spezialisierter, personalisierter Medikamente, darum dreht sich momentan alles.

Entwickelt werden aktuell auch Chatbots für den Gesundheitsbereich. Warum will man den Arzt so vehement abschaffen?

Warum soll ein Chatbot einem Patienten nicht Fragen zu einer Erkrankung stellen, um ihm einen ersten Eindruck zu geben, woran er leiden könnte? Besser, als wenn wild gegoogelt wird und der Betroffene Panik bekommt. Einem Gespräch mit Arzt oder Apotheker entgeht man so ohnedies nicht.

Liegt die Patientendatensicherheit in der Blockchain?

Denkbar, aber nicht nur. Das Start-up „Grapevine“ hat eine Blockchain entwickelt, die Daten von Patienten an Ärzte leitet, um Mehrfachbehandlungen vorzubeugen. Das ist wirklich praktisch, ansonsten dominiert derzeit der Hype.

Veranstaltung: Heute, Dienstag, ab 9 Uhr, spricht „contextflow“-CEO Markus Holzer im Elisabeth-Herz-Kremenak-Saal über „Daten – Paradigmenwechsel in der Medizin“.

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