Lässt die Fed die Zinszügel schleifen?

Die Einigkeit zwischen dem US-Präsidenten und Fed-Chef Powell (re.) trügt.
Die Einigkeit zwischen dem US-Präsidenten und Fed-Chef Powell (re.) trügt. (c) REUTERS (Carlos Barria)
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Der Währungsverfall in Schwellenländern und die Konjunkturabkühlung in Europa dürften die Vorgangsweise der US-Notenbank mehr beeinflussen als Attacken des US-Präsidenten.

Washington/Frankfurt. Einmal, zweimal, viermal – oder gar nicht? Nach der schweren Attacke auf die US-Notenbank Fed durch US-Präsident Donald Trump, der sich in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters dezidiert gegen Zinserhöhungen aussprach, darf über den weiteren geldpolitischen Kurs der Fed spekuliert werden.

Der Präsident und CEO der Federal Reserve Bank of Dallas, Robert Kaplan, macht jedenfalls kein Hehl daraus, was er von Trumps Meinung hält. Kaplan rechnet mit drei bis vier weiteren Zinsanhebungen. Die Zentralbank sollte angesichts von Vollbeschäftigung und einer Inflation auf der Zielgeraden mit ihrem Vorhaben weiterer behutsamer Zinserhöhungen in den nächsten neun bis zwölf Monaten voranschreiten, schreibt Kaplan in einem am Dienstag veröffentlichten Essay.

Auch die Fed-Protokolle legen baldigen weiteren Zinsschritt nahe. Auf ihrer jüngsten Sitzung kamen viele Währungshüter zu dem Schluss, dass wahrscheinlich bald eine weitere Straffung angemessen sei, hieß es in dem am Mittwoch veröffentlichten Protokoll des zweitägigen Treffens, das am 1. August endete.

Sobald ein neutrales Niveau erreicht sei, könnte die Fed mit der Anhebung der Leitzinsen aufhören und darüber nachdenken, was als Nächstes zu tun sei, heißt es im Essay weiter. Als neutrales Zinsniveau, bei dem die Konjunktur weder angeschoben noch gebremst würde, erachtet Kaplan eines zwischen 2,5 und 2,75 Prozent.

Derzeit liegt das Zinsniveau in den USA bei 1,75 bis zwei Prozent. Die Fed hat allein in diesem Jahr schon zweimal den Leitzins angehoben. Mit zumindest einem, wenn nicht zwei Schritten noch heuer wird an den Börsen gerechnet, weil die US-Wirtschaft heiß läuft. Die Inflation ist so hoch wie seit sechs Jahren nicht und die Arbeitslosigkeit so gering wie seit rund 20 Jahren – eben auch dank Trumps radikaler Steuerreform. Schon im September, bei der nächsten Fed-Sitzung, könnte es so weit sein.

Auch wenn Kaplan seine Äußerungen nicht als Replik auf Trump verstanden wissen will: Er unterstreicht die Ansicht der Fed, dass Zinserhöhungen die „beste Chance geben, Ungleichgewichte zu handhaben und die wirtschaftliche Expansion in den USA auszuweiten“.

Überrascht vom Lira-Verfall

Kaplans Kollege Raphael Bostic, der Fed-Chef von Atlanta, hat am Montag (noch vor Trumps Äußerung) gemeint, er rechne ungeachtet des Handelsstreits mit China und der EU und des Verfalls der türkischen Währung heuer noch mit einer weiteren Zinserhöhung. Bostic, der stimmberechtigtes Mitglied in dem über die Zinsen entscheidenden Offenmarktausschuss der Fed ist, räumte allerdings ein, dass die US-Währungshüter vom raschen Absturz der türkischen Lira überrascht worden seien. „Das ist definitiv etwas, worüber wir besorgt sind“, sagte er.

Die Fed bekommt also auch von globalen Entwicklungen Gegenwind: Die Lira-Krise hat die Verwundbarkeit mancher Schwellenländer in den Fokus gerückt, in denen die Verschuldung in Dollar hoch ist. Das ist etwa auch in Argentinien der Fall, wo der Peso stark unter Druck gekommen ist. Weiter steigende US-Zinsen würden den Druck auf diese Länder erhöhen, sollte der Dollar weiter an Wert gewinnen. Damit würde sich der Schuldendienst verteuern. Ein starker Dollar würde freilich auch die US-Exporteure und damit die gesamte US-Wirtschaft bremsen.

Sollte die Europäische Zentralbank angesichts einer Konjunkturabkühlung in Europa die ohnedies erst 2019 erwartete Zinsanhebung weiter nach hinten schieben, würde die Zinsschere zwischen den USA und Europa noch weiter aufgehen. Möglicherweise lässt der von Trump ernannte Fed-Präsident Jerome Powell angesichts dieses unsicheren Umfelds die geldpolitischen Zügel ohnedies wieder schleifen – ohne auf Zurufe aus dem Weißen Haus angewiesen zu sein. (eid/ag)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2018)

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