Bedingungsloses Grundeinkommen hilft der Umwelt

Wer nicht um Existenz kon-kurrieren muss, kann Zumutungen ablehnen.

Die ökologische Krise ist die Schwester der politischen. Um beiden adäquat begegnen zu können, müssen die Grundlagen unserer Existenz gesichert sein. Sind sind das nicht, treibt die Konkurrenz um die Existenz ihren Spaltkeil tiefer in die Gesellschaft. Eine gespaltene Gesellschaft konkurrierender Individuen agiert verschwenderisch und gefährdet ihren Wohlstand. Gegenwärtig ist Umweltpolitik zahnlos, weil sie innerhalb ihres Gestaltungsspielraums an den Ursachen der Krise nur kratzen kann. Zu diesen zählt eine Bevölkerung, die sich primär als Konsumgesellschaft versteht und Ressourcenverbrauch einfordert: „Nimm drei, zahl' zwei.“ Umweltpolitischen Vordenkern war immer klar, dass es ein Verständnis für und die Einbettung von Umweltpolitik in solch größere Zusammenhänge erfordert.

Konsum besteuern

2010 ließ der Philosoph Peter Sloterdijk mit dem Argument aufhorchen, auf lange Sicht die Bürger bestimmen zu lassen, wie viel Steuern („Gaben“) sie zu zahlen bereit sind. Eine ähnliche Logik wohnt umsatzbezogenen Steuern wie der Konsumsteuer inne: Wer mehr konsumiert, zahlt mehr Steuern. Eine Steuer auf Leistungsentnahme statt Leistungserbringung belohnt sowohl jene, die weniger konsumieren, als auch jene, die viel arbeiten. Leistung würde sich tatsächlich wieder lohnen, Reparaturen kämen billiger, maschinell erzeugte Neuanschaffungen teurer. Als Alternative zur Einkommensteuer wird die Konsumsteuer bereits international erforscht – aus mindestens drei Gründen: eine alternde Gesellschaft, die Globalisierung und die Automatisierung lassen Zweifel an der Einkommensteuer als beständiger Quelle des Sozialstaats. Zugleich ist Solidarität, die auf der Besteuerung von Einkommen und auf Abgaben basiert, nach Jahrzehnten sozialstaatlichen Erfolgs brüchig geworden. Im gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Klima verstärkt eine Steuer auf Erwerbsarbeit die Spaltung zwischen Zahlern und Empfängern.

Absetzbetrag für alle

Die Konsumsteuer ist die fiskalpolitische Institutionalisierung von Gerechtigkeit, unter der Voraussetzung eines Steuerabsetzbetrags. Ohne diesen wäre sie sozial ungerecht, weil ärmere Menschen einen größeren Anteil ihres Einkommens aufbringen müssen, um auszukommen. Um also eine Konsumsteuer gerecht zu gestalten, braucht es einen Absetzbetrag ähnlich dem Einkommensteuerabsetzbetrag. Dieser Konsumsteuerabsetzbetrag müsste an alle Steuerzahler – alle Konsumenten – in ausreichender Höhe ausbezahlt werden. Nennen könnte man ihn ein bedingungsloses Grundeinkommen. Weil es auch Reiche bekämen, wären diese über eine Vermögenssteuer eingeladen, ihre Gebefähigkeit unter Beweis zu stellen und einen angemessenen Beitrag zu einer friedlichen Gesellschaft zu leisten.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre nicht nur gerecht, es würde individuelle Freiheit als Voraussetzung für die Erweiterung des umweltpolitischen Gestaltungsspielraums ermöglichen. Für zwei Millionen Pendler wäre Einkommen nicht mehr zwingend und ausschließlich an den Erwerbsarbeitsplatz gebunden. Menschen, die um ihre Existenz nicht konkurrieren müssen, werden ermächtigt, Nein zu Zumutungen und Ja zu den Arbeiten, die ihnen sinnvoll erscheinen, zu sagen.


Mathis Hampel ist Wissenschafts- und Technikforscher. Aaron Sterniczky ist Politikwissenschaftler und Unternehmensberater. Beide Autoren engagieren sich im zivilgesellschaftlichen Verein Generation Grundeinkommen, der sich für die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens einsetzt. Für den Kommentar wurden sie nicht entlohnt.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2018)

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