Die rot-grüne Parallelaktion

Die Wiener Grünen wiederholen gerade die Geschichte ihres Koalitionspartners
Die Wiener Grünen wiederholen gerade die Geschichte ihres KoalitionspartnersAPA/ROLAND SCHLAGER
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Interner Wahlkampf, Flügelschlagen und einsame Spitze: Die Wiener Grünen wiederholen gerade die Geschichte ihres Koalitionspartners. Allerdings mit anderen Spielregeln.

Das hätte sich Maria Vassilakou 2010 bei Rot-Grün I wohl nicht gedacht. Dass ihre Ära und die von Michael Häupl im Parallelschwung enden. Und doch ist es so. Auch ihr droht ein semifreiwilliger Abschied. Wie zuvor die Roten stehen die Grünen vor einer Richtungswahl. Wieder liegen Flügelkampf-Warnungen und Einigungsrufe in der Luft, und wieder vollzieht sich all das vor dem Hintergrund einer – bei den Grünen: absoluten – Leerstelle im Bund. So wie Häupl hat Vassilakou ihre Partei falsch eingeschätzt (Heumarkt), vielleicht, weil sie – wie er – den Austausch im engen Zirkel bevorzugt.

Sollten sich die rot-grünen Ähnlichkeiten fortsetzen, sieht es für Peter Kraus, den jungen Bewerber, jedenfalls schlecht aus. Denn bei der SPÖ hat gerade nicht der Liebling des Chefs gewonnen. Und statt des Kandidaten mit dem „bigger picture“ bevorzugten die Genossen den Kommunalroutinier. Also jemanden wie David Ellensohn.

Allerdings: Die Grünen sind nicht die SPÖ. Erstens gibt es ein neues, als Cliquen-Bypass gedachtes Wahlsystem. Wer gewinnen will, muss breit und nicht nur Parteimitglieder mobilisieren. Und zweitens waren die Grünen zuletzt erfolgreich, wenn sie es wie der Innsbrucker Georg Willi angelegt haben: pragmatisch, konsensual, habituell bürgerlich, Modell Van der Bellen. Dem entspricht Ellensohn, der stets im verbalen Kampfmodus läuft (nicht nur gegen die SPÖ) und im Zweifel links von links steht, nicht.

Ob Kraus – den Ellensohn unter „Bart&Party“ subsumiert – dem eher nahekommt, ist freilich nicht gesagt. Optisch passt es nicht, aber Kraus denkt in die Richtung. Er war in den Niederlanden bei Jesse Klaver, dem Star der Grünlinken, der den „konstruktiven Konflikt“ bewirbt. Und er hat den Ko-Chef der Deutschen Grünen, Robert Habeck, getroffen, von dem er sich am liebsten alles abschauen würde, vor allem den Trick, sich thematisch (Gentechnik) und stilistisch nonchalant vom Parteiballast zu befreien. Und ach ja, auch in den USA hat Kraus wegen Tipps zum Mobilisieren angefragt. Theoretisch will da also jemand viel. Aber praktisch macht einen das halt nicht zum zweiten Van der Bellen. Genauso wenig, wie man eine Partei leiten kann, nur weil man gleich alt wie der Kanzler ist. Kraus-Fan Christoph Chorherr wird, wie er es einst für Vassilakou getan hat, da bei der Basis viel Überzeugungsarbeit leisten müssen.

So oder so wird die Wahl aber über die Stadtgrenze hinaus relevant. Denn sie wird zeigen, was folgt, wenn eine etablierte Partei interne Wahlen fürs Publikum öffnet. Nicht nur die Grünen im Bund werden beobachten: Was zieht? Scharfer Ton oder gute Laune? Koalition (Kraus) oder Opposition (Ellensohn)? Kompromiss oder Kontrolle? Inhalt oder Emotion? Und welche Inhalte? Wobei sich hier, wie bei der SPÖ, die Kandidaten im Kern (Wohnen, Soziales, Umwelt, gegen Türkis-Blau) ähneln werden. Interessant ist daher eher, wie sie sich dort positionieren, wo es heikel wird: z. B. bei der Migration.

Welche die richtige Position ist, wird freilich nicht jetzt, sondern bei der echten Wahl 2020 entschieden. Zumindest müssen das die Grünen hoffen. Denn wird vorverlegt, könnte es bitter enden. Egal, wer vorn steht.

ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2018)

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