Chemnitz: Haftbefehle für zwei Tatverdächtige

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In der ostdeutschen Stadt war es nach dem gewaltsamen Tod eines 35-Jährigen zu Übergriffen auf Migranten gekommen. "Das nehmen wir nicht hin", teilt ein Regierungssprecher mit.

Die Staatsanwaltschaft hat nach den tödlichen Auseinandersetzungen in Chemnitz Haftbefehle gegen einen Syrer und einen Iraker beantragt. Den beiden Männern werde vorgeworfen, in der Nacht zum Sonntag "ohne rechtfertigenden Grund" mehrfach auf einen 35 Jahre alten Deutschen eingestochen zu haben, teilte die Behörde am Montag mit.

Der Anlass des blutigen Streits am frühen Sonntagmorgen ist noch unklar. Dabei wurden drei Männer zum Teil schwer verletzt. Der 35-Jährige erlag später im Krankenhaus seinen Verletzungen. Die Polizei nahm zwei Personen vorübergehend fest, die beiden werden in Kürze nun dem Haftrichter vorgeführt.

Nach dem Tötungsdelikt hatten unter anderem die AfD und rechtsextreme Hooligans zu Protesten aufgerufen, woraufhin in Chemnitz Migranten von Teilen der Kundgebungsteilnehmer bedroht wurden.

Regierung verurteilt Attacken

Nach dem gewaltsamen Tod des Mannes und der darauffolgenden Chaos-Nacht haben in Deutschland Bundes- und Landesregierung in Sachsen vor Hetzjagden auf Ausländer und Selbstjustiz gewarnt.

Regierungssprecher Steffen Seibert verurteilte am Montag in Berlin die Übergriffe auf Migranten scharf. "Solche Zusammenrottungen, Hetzjagden auf Menschen anderen Aussehens, anderer Herkunft, oder der Versuch, Hass auf den Straßen zu verbreiten, das nehmen wir nicht hin, das hat bei uns in unseren Städten keinen Platz, und das kann ich für die Bundesregierung sagen, dass wir das auf das Schärfste verurteilen", betonte Seibert. "In Deutschland ist kein Platz für Selbstjustiz, für Gruppen, die auf den Straßen Hass verbreiten wollen, für Intoleranz und für Extremismus", sagte Seibert.

Erinnerung an Pogrome der frühen 90er-Jahre

Sachsens Wirtschaftsminister und SPD-Landeschef Martin Dulig forderte eine Aufklärung durch Polizei und Justiz. "Selbstjustiz, Mutmaßungen und Gerüchtemacherei sind nach der tödlichen Messerattacke fehl am Platz", betonte der SPD-Ostbeauftragte. Wie auch die Linken-Vorsitzende Antje Feiks sprach er den Angehörigen des getöteten 35-Jährigen sein Beileid aus.

Am Nachmittag waren nach einem Aufruf einer rechten Ultra-Gruppierung aus dem Umfeld des Fußball-Regionaligisten Chemnitzer FC rund 1000 Menschen, darunter zahlreiche Rechte, durch die Innenstadt gezogen. "Die sich anschließende Mobilisierungswelle im Spektrum der extremen Rechten und Hooligans lassen Erinnerungen an die Pogrome zu Beginn der 1990er Jahre aufkommen", sagte Feiks.

Auf Videos ist zu sehen, wie Ausländer von Personen aus der Masse heraus attackiert werden. Zu hören sind Rufe wie "Wir sind das Volk", aber auch rechte Parolen wie "Deutsch, sozial, national". Aus Sicherheitsgründen war zuvor das Stadtfest abgebrochen worden.

Linke kritisiert zu wenig Polizisten

Die Linke-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz kritisierte das zu geringe Polizeiaufgebot. "Wenn Informationen durchsickern, dass es am Rande eines Stadtfestes einen Toten gab, dann hätte die Polizei eigentlich Gewehr bei Fuß stehen müssen - bei all dem Alkohol, der bei solchen Gelegenheiten konsumiert wird", sagte sie der dpa.

Das Landesamt für Verfassungsschutz (Inlandsgeheimdienst) hat nach eigenen Angaben in Chemnitz zuletzt immer wieder Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Rechtsextremisten und Personen mit Migrationshintergrund registriert.

"Besonders aktiv und auch am aktuellen Demo-Geschehen beteiligt ist die rechtsextremistische Hooligangruppierung Kaotic aus dem Umfeld des Chemnitzer FC, die ebenfalls wie die gleichfalls rechtsextremistische Gruppierung NS-Boys ("New Society Boys") mit ihren Aktivitäten zum Anziehungspunkt für Angehörige von neonationalsozialistischen Strukturen und subkulturellen Gruppierungen geworden ist", sagte ein Sprecher der Behörde der dpa. Man habe wiederholt auf die Gefahr aufmerksam gemacht, die von diesem Personenkreis ausgehe.

Für den Montag waren erneut zwei Demonstrationen in Chemnitz geplant. Das Bündnis "Chemnitz Nazifrei" hat für 17 Uhr zu einer Kundgebung im Stadthallenpark aufgerufen. Der Protest richtet sich "gegen rechte Hetze und Instrumentalisierung". Eineinhalb Stunden später hat die rechtspopulistische Bewegung "Pro Chemnitz" vor dem Karl-Marx-Monument zu einer Versammlung aufgerufen.

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(APA)

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