Kurz: „EU ohne Westbalkan-Staaten unvollständig“

Sebastian Kurz
Sebastian KurzDaniel Novotny
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Der Bundeskanzler sprach in Alpbach über Prioritäten der österreichischen Ratspräsidentschaft: Neben Sicherheitsthemen sind dies der Brexit, die Subsidiarität und eine Beitrittsperspektive für den Westbalkan.

Herausforderungen gibt es sonder Zahl – daraus will der Bundeskanzler kein Hehl machen. Wie fast jedes Jahr verbrachte Sebastian Kurz auch heuer seinen Geburtstag in Alpbach; und war damit nach eigener Aussage bereits öfter zum Forum im Bergdorf gereist als Präsident Franz Fischler selbst. Das Hauptthema des Besuchs diesmal: die österreichische Ratspräsidentschaft, die noch bis Ende Dezember andauert.

Im überfüllten Elisabeth-Herz-Kremenak-Saal, dem größten des Congress Centrums, erläuterte Kurz seine Vorstellungen für die verbleibenden vier Monate des EU-Vorsitzes – und sparte vor dem Alpbacher Publikum nicht mit Lob für das gemeinsame Staatenprojekt: Die Union sei die größte Errungenschaft des 20. Jahrhunderts, sagte Kurz. Jeder Bürger sollte ein europäisches Selbstbewusstsein entwickeln – nicht aber Stolz oder gar Nationalismus. Allerdings sei die Union weltweiten Entwicklungen heute „ein Stück weit hilflos ausgeliefert“. Zu den wichtigsten Aufgaben für die österreichische Ratspräsidentschaft gehöre daher, das Fundament zu stärken und darauf zu achten, dass Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundwerte eingehalten werden.

Größte Herausforderung Brexit

Dazu sei auch eine stärkere Kooperation in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik vonnöten, sagte Kurz. Bekanntermaßen hat besonders ein funktionierender Außengrenzschutz für die heimische Regierung in den kommenden Monaten Priorität – das verrät schon das Motto der Präsidentschaft: „Ein Europa, das schützt.“ Nicht alle sind mit dieser Botschaft einverstanden. Vor dem Auftritt von Kurz hatten Aktivisten Papierschiffchen vor dem Alpbacher Congress Centrum platziert, die in Anlehnung an die Bootsflüchtlinge im Mittelmeer mit dem Spruch „Wir sitzen alle in einem Boot“ beschriftet waren – und Besucher am Eintritt hindern sollten.


Auch beim informellen EU-Rat im September in Salzburg steht das Thema Migration ganz oben auf der Agenda. Allerdings, das betonte Kurz in Alpbach, gibt er Bundespräsident Alexander Van der Bellen recht, der gesagt hatte, die Migration sei nicht die größte Herausforderung für die EU. „Wichtiger ist jetzt, den Brexit ordentlich abzuwickeln“, sagte Kurz. Bis zum informellen Rat im September hofft er auf einen entsprechenden Vorschlag der Kommission.


Neben Sicherheitsthemen und dem Brexit zählt bekanntlich auch das Schlagwort Subsidiarität zu den Lieblingsthemen des österreichischen EU-Vorsitzes. „Ich will die Zusammenarbeit in großen Fragen vertiefen“, erklärte der Kanzler. Brüssel solle sich – so der Tenor der Regierung – nicht länger in Lebensbereiche der Menschen einmischen, die auf nationaler oder regionaler Ebene besser gelöst werden können. Schon Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker – auf den Kurz gerne verweist – hat zu Beginn seiner Amtsperiode den Leitsatz „Weniger, aber effizienter“ ausgegeben.


Eine „Kurskorrektur“ in der EU wünscht sich Kurz in dem Sinne, dass das „übereinander Schimpfen“ – Nord gegen Süd, Ost gegen West – beendet werde und „entstandene Gräben zwischen den Mitgliedstaaten zugeschüttet werden“. Für dieses Vorhaben dürfte viel Fingerspitzengefühl erforderlich sein, gehen doch die Meinungen insbesondere in der Flüchtlingskrise nach wie vor weit auseinander und haben schon viel verbrannte Erde hinterlassen.

„Positive Dynamik nützen"

In der Frage der Beitrittsperspektive für die Westbalkanstaaten wünscht sich Kurz eine „Kraftanstrengung für mutigere Zukunftsentscheidungen“; denn: „Das ist noch keine vollständige Union im geografischen Sinne, solange die Westbalkan-Staaten nicht dabei sind.“ Nach der Erweiterungsmüdigkeit der vergangenen Jahre gebe es jetzt wieder eine positive Dynamik. Bei der „spürbaren Annäherung“ zwischen Serbien und dem Kosovo, deren Präsidenten sich zuletzt in Alpbach für eine Konfliktlösung ausgesprochen hatten, solle die EU „nicht dreinreden, sondern vor Ort unterstützen“.

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