AfD-Chef Gauland über Chemnitz: "Ist normal, dass Menschen ausrasten"

Rechte (im Bild) und linke Demonstrationen stehen in Chemnitz beinahe täglich auf dem Plan.
Rechte (im Bild) und linke Demonstrationen stehen in Chemnitz beinahe täglich auf dem Plan.APA/AFP/ODD ANDERSEN
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Der Parteivorsitzende der AfD rechtfertigt die gewalttätigen Ausschreitungen in Chemnitz nach einer Tötungstag. Am Samstag droht durch eine gemeinsame Veranstaltung mit Pegida erneut Unruhe.

Nach den gewalttätigen Ausschreitungen am Sonntag und Montag kommt Chemnitz nicht zur Ruhe: In dieser Woche sind weitere Demonstrationen in der sächsischen Stadt angemeldet. Zudem macht Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Donnerstagabend in Chemnitz Station auf seiner Tour durch den Freistaat.

Zu Wort meldete sich nun auch der AfD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland. Er zeigte Verständnis für die Ausschreitungen von Chemnitz. "Wenn eine solche Tötungstat passiert, ist es normal, dass Menschen ausrasten", sagte er der "Welt" nach Vorabbericht vom Mittwoch. Dies sei "in Freiburg nicht anders als in Konstanz oder eben in Chemnitz".

Gauland billigte auch einen Tweet des AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier, der bundesweit als Aufruf zur Selbstjustiz kritisiert wurde. Frohnmaier hatte nach den Ausschreitungen geschrieben: "Wenn der Staat die Bürger nicht mehr schützen kann, gehen die Menschen auf die Straße und schützen sich selber." Gauland erklärte dazu: "Selbstverteidigung ist mit Sicherheit nicht Selbstjustiz. Nichts anderes ist gemeint." Derzeit kämen "Menschen aus einem völlig fremden Kulturkreis mit völlig anderen Auffassungen". Das zerstöre die Identität und das Gefühl, dass man sich auf den Nachbarn verlassen könne.

Kretschmer-Talk und neue Demos

Die Station von Ministerpräsident Kretschmer in Chemnitz war lange geplant, bekommt durch die aktuellen Vorfälle aber eine besondere Brisanz. Seit Februar bereist Kretschmer alle Landkreise und kreisfreien Städte. Bei seinem Amtsantritt im Dezember kündigte der CDU-Politiker an, er wolle mit den Menschen in Sachsen wieder mehr ins Gespräch kommen. Zuvor hatte die CDU bei der Bundestagswahl eine herbe Niederlage erlitten und war nach der AfD nur knapp zweitstärkste Partei geworden.

Mittwochabend fast zeitgleich ruft die rechtspopulistische Organisation Pro Chemnitz erneut zu einer Demonstration auf. Diese war auch Initiator der Demonstration am Montagabend mit rund 6000 Teilnehmern, die in Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken mit zahlreichen Verletzten mündete.

Die selbst ernannte Bürgerbewegung Pro Chemnitz sitzt immerhin mit drei Abgeordneten im Chemnitzer Stadtrat. Vom Verfassungsschutz wird die Organisation, die bisher unter anderem durch Proteste gegen Asylbewerberheime auffiel, bisher nicht beobachtet. Die Aktivitäten der vergangenen Tage würden beim Verfassungsschutz aber sehr wohl registriert, heißt es dort.

Nahe am Veranstaltungsort des Sachsengesprächs meldete Pro Chemnitz nun für Donnerstag ab 18 Uhr nach Angaben der Stadt eine Kundgebung mit mehreren hundert Teilnehmern an. Die Polizei, die zuletzt mit der großen Demonstrantenzahl überfordert schien und mit dem Vorwurf mangelnder Einsatzplanung konfrontiert war, bereitet sich vor. "Die Planungen laufen noch", sagte ein Polizeisprecher.

Hohes Gefährdungspotenzial erneut am Samstag

Der Ausnahmezustand droht Chemnitz dann wieder am Samstag: Die AfD und die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung rufen ab 17 Uhr zu einem sogenannten Schweigemarsch auf. Damit solle "um die Toten und Opfer der illegalen Migrationspolitik" in Deutschland getrauert werden, hieß es in einem gemeinsamen Aufruf der AfD-Vorsitzenden von Sachsen, Thüringen und Brandenburg - Jörg Urban, Björn Höcke und Andreas Kalbitz. Damit üben AfD und Pegida ein Jahr vor den Landtagswahlen in den drei Ländern einmal mehr den Schulterschluss.

Der Deutschen Journalistenverband (DJV) hat eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz gefordert. Er begründete dies mit einer Facebook-Mitteilung des AfD-Kreisverbands im hessischen Hochtaunuskreis, in dem nach seinen Angaben "indirekt zur Gewalt gegen Verlage und Funkhäuser" aufgerufen wurde. Die Partei stelle sich "offensiv gegen das Grundrecht der Pressefreiheit" und müsse beobachtet werden, erklärte Bundeschef Frank Überall am Mittwoch.

Laut Verband hieß es in dem Post in dem sozialen Netzwerk: "Bei uns bekannten Revolutionen wurden irgendwann die Funkhäuser sowie die Pressehäuser gestürmt und die Mitarbeiter auf die Straße gezerrt - darüber sollten die Medienvertreter hierzulande einmal nachdenken, denn wenn die Stimmung endgültig kippt, ist es zu spät."

Überall verwies darauf, dass die AfD mehrfach Journalisten von Parteitagen ausgeschlossen hatte und deren Spitzenpolitiker "wiederholte Medienhetze" betrieben hätten. Es gehe um "systematische Versuche, Medien und Journalisten zu diskreditieren", erklärte der Bundeschef in Berlin.

(APA/Reuters)

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