Talk auf der Alm: „Diversität passiert nicht einfach so“

Bewährt und beliebt: wandern und diskutieren. Thema des „Talk auf der Alm“ war diesmal „Diversität: Moralische Selbstverpflichtung oder Mittel zur Gewinnmaximierung“.
Bewährt und beliebt: wandern und diskutieren. Thema des „Talk auf der Alm“ war diesmal „Diversität: Moralische Selbstverpflichtung oder Mittel zur Gewinnmaximierung“.(c) Christian und Verena Hohlrieder
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Moral oder Gewinnstreben: Nach den Motiven der Unternehmen, sich divers aufzustellen, fragte „Die Presse“ auf der Zirmalm. Und auch, welche Rolle Algorithmen spielen.

Nicht immer muss man eine Stunde auf und ab durch die Berge gehen, um zu einer Podiumsdiskussion zu gelangen, aber nicht immer bekommt man dafür auch so einen schönen Panorama-Ausblick. Die rund 60 Personen, die sich um halb neun Uhr morgens vom Congress Centrum aufmachten, schienen den Weg zur Zirmalm jedenfalls zu genießen. Die Gruppe war bunt gemischt, Männer und Frauen, Ältere, Jüngere, aus verschiedensten Branchen, manche in Wanderhose und -schuhen, andere in eleganten Hosen und Ballerinas. Das passte. Denn um Diversität ging es auch bei der Podiumsdiskussion „Diversität: Moralische Selbstverpflichtung oder Mittel zur Gewinnmaximierung“ zu der „Presse“-Geschäftsführer Rudolf Schwarz eingeladen hatte. Brunch und Weißwürste zum Frühstück inklusive.

Dabei sei es gar nicht so leicht, Diversität zu fassen, sagte Heike Mensi-Klarbach, Professorin am Institut für Gender und Diversität in Organisationen, an der WU Wien zum Einstieg. Ob eine Gruppe divers sei, hänge von der Referenzgröße ab – also mit wem man sie vergleiche. Diskriminierung würde jedenfalls Diversität verhindern: Geschlecht, Herkunft, Religion, Alter, Behinderung oder sexuelle Ausrichtung. „Wir sind darauf gepolt, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die uns ähnlich sind“, fügte sie hinzu.

Dabei bringen Menschen, die anders sind, einen Mehrwert in Unternehmen, sagte Martin Essl, Gründer der Essl Foundation, der mit dem „Zero Project“ Menschen mit Behinderung besser in die Arbeitswelt integrieren will. So können sich Autisten etwa viel länger und besser konzentrieren, was in der Softwareentwicklung gefragt sei. Er erzählte auch die Geschichte einer Logistik-Firma in den USA, die an einem ihrer 25 Standorte mehr als die Hälfte Behinderte einstellte. Am Ende war es der profitabelste Standort von allen, weil dort die Prozesse vereinfacht wurden und die Talente der Menschen besser zu ihren Positionen passten.

Man muss daran arbeiten

Diversität in Unternehmen ist jedenfalls etwas, „das nicht einfach von selbst passiert“, sagte Mensi-Klarbach. Das weiß auch Michael Hilbert, Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger in Wien, wo neue Mitarbeiter durch einen sehr engen, leistungsorientierten Rekrutierungsprozess laufen – dadurch sei auch das Profil der neuen Mitarbeiter sehr ähnlich. Weltweit gebe es unter den rund 200 Roland-Berger-Partnern allerdings nur drei Frauen. „Wir wissen das und wir wollen das ändern“, sagt Hilbert.

Warum suchen wir uns in der Arbeitswelt überhaupt Menschen, die uns selbst ähnlich sind? Diversitäts-Expertin Mensi-Klarbach argumentiert es mit dem Wunsch, unsere eigene Persönlichkeit und unsere Arbeit zu legitimieren. „Die große Herausforderung wird sein, das zu durchbrechen, ohne die Leistung herunterzuschrauben.“

Männern traut man mehr zu

Es gebe manchmal aber einfach nicht genug Frauen, die einem Anforderungsprofils entsprechen – etwa mehrjährige Erfahrung –, weil sie nicht aufgebaut wurden, sagte Oliver Suchocki (Suchocki Executive Search), der seit mehr als 20 Jahren als Headhunter tätig ist. „Ins Risiko will das Management oft nicht gehen und jungen Menschen eine Chance geben.“

„Das stimmt nicht“, warf Mensi-Klarbach ein. Jungen, weißen Männern traue man das sehr wohl zu. Jungen Frauen nicht. Dazu gebe es Studien. Deswegen seien Frauenquoten „eine Krücke, aber ohne sie ändert sich nichts“.

Hilbert wiederum kritisierte, dass heute noch nicht Menschen für Jobs ausgebildet werden, die es in der Zukunft geben wird. Claudia Kernstock, Personalchefin bei Thales Austria, das sich auf die Sicherung kritischer Infrastrukturenspezialisiert hat, argumentierte, sie habe jetzt schon Probleme, Fachkräfte zu finden, weswegen ihr Unternehmen breiter rekrutiert – auch unter Flüchtlingen. Sie selbst habe die Arbeit in stark heterogenen Teams als „superanstrengend“ empfunden. Die Resultate seien aber deutlich besser gewesen.

In der Zukunft könne ein algorithmengestützter Rekrutierungsprozess (un-)bewusste Diskriminierungen entschärfen. Das persönliche Gespräch könne das aber nicht ersetzen. Es gehe auch darum, das innere Bild von möglichen Mitarbeitern zu ändern, sagte Mensi-Klarbach.

Welche Fehler man unbedingt vermeiden solle, fragte Moderator und „Presse“-Redakteur Michael Köttritsch. Die Führungskräfte nicht einzubinden, sagte Kernstock. Und man müsse erklären, warum Frauen manchmal bevorzugt werden, sagte Mensi-Klarbach. Und, fügte Suchocki an, man müsse Diversitätsprozesse zu Ende denken. Sonst verfehlen sie erst recht ihren Zweck.
[OQHM1]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2018)


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