Eine Lernreise für die Regierung

Bundeskanzler Sebastian Kurz bei seinem Besuch an der Singapore Polytechnic School.
Bundeskanzler Sebastian Kurz bei seinem Besuch an der Singapore Polytechnic School. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Singapur soll für Österreich Vorbild sein – in puncto Innovation, Digitalisierung und Bildung. Kanzler und Minister wollen auf ihrem Besuch auch Türöffner für die Wirtschaft sein.

Singapur. Ein dichtes Netz an Linien legt sich über die Hochhäuser Singapurs – manche in Grün, manche in Rot. Sie durchziehen den Luftraum und kennzeichnen hier am Bildschirm die Drohnenflug- und -Verbotszonen. Unbemanntes Flugverkehrsmanagement nennt sich das. Daran wird an der Nanyang Technical University (NTU) intensiv geforscht. Technisch wird es schon in wenigen Jahren möglich sein, sagen die Forscher, Drohnen mit Transportgütern durch die Stadt zu schicken.

Hier in Singapur ist die (digitale) Zukunft daheim – und dieser Tage auch eine große österreichische Delegation mit Kanzler Sebastian Kurz, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, Infrastrukturminister Norbert Hofer, Wissenschaftsminister Heinz Faßmann und Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer zu Gast. Erst im April reiste die österreichische Regierung nach China. Nun wird mit Singapur und Hongkong wieder (Südost-)Asien besucht.

Es sind die schnell wachsenden Märkte und die Innovation, die Österreichs Regierung in Begleitung von Unternehmern und Wissenschaftlern anlocken. Österreich wolle, sagten Kanzler wie Minister mehrmals während der Reise, „von den Besten lernen“. Da war sogar explizit von einer „Lernreise“ und von „copy with pride“, also Kopieren mit Stolz, die Rede.

Nachahmen wollen die Minister viel – ob Wirtschaftsministerin Schramböck im Bereich der Digitalisierung, Biotechnologie und Robotik oder Infrastrukturminister Hofer mit Blick auf Entwicklungen beim autonomen Fahren und Fliegen sowie bei den Smart Cities. Nur Bildungsminister Faßmann schien noch nicht ganz vom Pisa-Sieger Singapur überzeugt zu sein: Der Spitzenplatz würde wohl nicht nur wegen eines guten Schulsystems, sondern auch wegen eines gewissen Drills erreicht. Das wolle er sich näher ansehen. Bis Sonntag bleibt dazu noch Zeit.

Österreich erwartet sich wirtschaftlich viel von dem Besuch in dem Stadtstaat. Das Außenhandelsvolumen zwischen den beiden Ländern beträgt derzeit rund 500 Millionen Euro. „Es darf ruhig ein bisschen mehr sein“, sagt Schramböck. Mit einer Bevölkerung von mehr als 630 Millionen Menschen stellt die Asean-Region, die Gemeinschaft der zehn südostasiatischen Staaten, einen „Zukunftsmarkt mit großem Potenzial dar“.

Neues Freihandelsabkommen

Die klassische Politik war beim Besuch in Singapur fast Nebenschauplatz. Bundeskanzler Kurz wurde am Donnerstag in Singapur von Premierminister Lee Hsien Loong mit militärischen Ehren empfangen. Bei einem Mittagessen haben Kurz, der derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat, und Lee, der zurzeit den Asean-Staaten vorsteht, über Cyber-Security, Klimawandel und den Freihandel gesprochen.

Vor die Medien traten die beiden nicht gemeinsam. Kurz nahm erst nach dem Treffen Stellung – allerdings nicht zu den Entwicklungen rund um die BVT-Razzia, sondern zu den Handelsbeziehungen. Hier habe sich die Situation in den vergangenen Monaten durch die Spannungen zwischen den USA und China verändert. Umso mehr müsse man andere Partnerschaften stärken. Die EU werde ein Freihandelsabkommen mit Singapur unterzeichnen. Beim EU-Asien-Gipfel am 18. und 19. Oktober werde es so weit sein. Dadurch würden „so gut wie alle Zölle“ fallen.

Großauftrag für Magna?

Singapur wird als die Schweiz Asiens bezeichnet – ein kleiner Staat und zugleich ein großes Finanzzentrum. Der Stadtstaat mit seinen 5,6 Millionen Einwohnern und einer Fläche, die nicht einmal doppelt so groß ist wie Wien, hat einen rasanten Wandel vollzogen und gilt heute als wirtschaftsfreundlich, korruptionsarm und technologiestark. Eine Demokratie im westlichen Sinn ist es allerdings – trotz Wahlen – nicht.

Die Bürgerrechte werden von der einzig breitenwirksamen Partei im Land eingeschränkt. So sind etwa die Presse- und Demonstrationsfreiheit begrenzt. Es stehen strenge Strafen auf kleine Vergehen. Die Todesstrafe wird hier immer noch vollstreckt.

Großes Thema war das – zumindest bei den öffentlichen Auftritten der Regierung – nicht. Minister Hofer lobte hingegen sogar die „Balance zwischen staatlicher Ordnung und der Freiheit für das Individuum und die Wirtschaft“ in Singapur. Diesmal hoffte man offenbar vielmehr, „einiges an Geschäft mit nach Hause bringen zu können“, wie Hofer es formulierte. Es sei, wie der Bundeskanzler sagte, das Ziel einer Wirtschaftsdelegation, „Türöffner zu sein“.

Das könnte auch gelungen sein. Noch ist es nicht fix, aber die Chancen für den Magna-Konzern (den Standort in Graz) stehen gut, einen großen Auftrag an Land zu ziehen. Singapur will in drei Stadtteilen ab 2022 nur noch selbstfahrende Busse zulassen. Die sollen aus Österreich kommen. Drohnen sind es allerdings nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2018)

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