Es brennt in den Schwellenländern

Hohe Schulden, hohe Inflation, abstürzender Peso: Argentinien steckt in einer veritablen Währungskrise.
Hohe Schulden, hohe Inflation, abstürzender Peso: Argentinien steckt in einer veritablen Währungskrise.(c) APA/AFP/EITAN ABRAMOVICH (EITAN ABRAMOVICH)
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Die Probleme in der Türkei sind hausgemacht, aber sie lösen einen Flächenbrand auf anderen aufstrebenden Märkten aus. Argentinischer Peso und indische Rupie schmieren ab.

Wien. Während die amerikanischen Aktienmärkte von einem Rekord zum nächsten eilen, braut sich in den Schwellenländern gerade die nächste Krise zusammen. Nur auf den ersten Blick hat das wenig miteinander zu tun: Kapital, das in die USA strömt, muss irgendwoher kommen. Finanzmarktteilnehmer ziehen derzeit massive Summen aus den sogenannten Emerging Markets ab, um es in sichere Häfen wie den Dollar zu bringen.

Für Staaten wie die Türkei, Argentinien oder Indien hat das bereits dramatische Folgen. Ihre Währungen stürzen derzeit auf rekordniedrige Werte ab. Sicher: Ein Abwärtstrend auf den Devisenmärkten ist in manchen Ländern schon seit Längerem zu beobachten. Doch die politische und wirtschaftliche Krise in der Türkei hat den Blick der Investoren noch viel stärker auf die Probleme in anderen Staaten gelenkt. „Wenn man Angriffsmöglichkeiten bietet, nutzt der Markt das auch aus“, sagt dazu Esther Reichelt, Devisenanalystin der Commerzbank, zur „Presse“.

Die Türkei ist selbst verschuldet in ihre Situation geschlittert. So hat Präsident Recep Tayyip Erdoğan seine Macht Anfang Juni einzementiert und Investoren signalisiert, er würde künftig selbst über den Kurs der türkischen Zentralbank bestimmen. Anleger verloren das Vertrauen in die Währung. Verschärft wurde die Lage, nachdem die USA Sanktionen gegen das Land verhängt hatten, weil ein amerikanischer Pastor in Haft genommen worden war.

Dass die Türkei bis Mitte des kommenden Jahres rund 153 Mrd. Euro an ausländischen Schulden – fast ein Viertel der jährlichen Wirtschaftsleistung – zurückzahlen muss, verbessert die Stimmung nicht gerade. Am gestrigen Donnerstag rutschte die Lira gegenüber dem Euro auf ein neues Tief ab.

Argentinien braucht rasch Geld

Es geht nun die Gefahr eines Flächenbrandes in Schwellenländern mit hohen Auslandsschulden um. Auch der argentinische Peso hat seit Jahresbeginn 45Prozent an Wert verloren. Das Land steht unter anderem wegen hoher Inflationsraten und einer schwachen wirtschaftlichen Entwicklung unter Druck. Das größte Problem aber sind die Schulden von rund 200 Mrd. Dollar.

Wertet eine Fremdwährung auf, muss ein Staat mehr Kapital für die Schuldentilgung in die Hand nehmen. Schwellenlandschulden sind meist Dollar-Schulden. Diese legten im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund neun Prozent auf 3,7 Billionen Dollar zu, wie Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zeigen. Die BIZ weist schon seit Längerem auf mögliche Gefahren dieser Entwicklung hin. Eine Aufwertung der US-Währung macht die Schwellenländer nämlich verwundbar.

Der Kurs des US-Dollars hat in diesem Jahr kräftig Fahrt aufgenommen. Der brummende Konjunkturmotor in den USA und damit einhergehende Zinserhöhungen der Notenbank Fed machen das Land als Anlageort noch attraktiver. Für die aufstrebenden Länder wird das aber zunehmend zum Problem.

Argentinien hat den Internationalen Währungsfonds bereits im Juni angerufen und mit diesem eine 50 Mrd. Dollar schwere Geldspritze vereinbart. Eine erste Tranche floss sofort. Nun hat Präsident Mauricio Macri um eine weitere, vorzeitige Auszahlung gebeten.

Die argentinische Zentralbank ist schon seit Längerem darum bemüht, die Lage zu stabilisieren. In der ersten Wochenhälfte hat sie mit Stützungskäufen eingegriffen. Die Zinsen hat sie gestern von 45 auf 60 Prozent angehoben. Mit Reformen und einer stärkeren Unabhängigkeit der Notenbank habe der Präsident zwar vieles richtig gemacht, sagt der in Argentinien bekannte Ökonom Guillermo Nielsen. Doch komme dies zwei Jahre zu spät. Das Land steuert erneut auf eine Rezession zu.

Indische Rupie auf Rekordtief

Auch die indische Rupie ist am gestrigen Donnerstag auf den historisch niedrigsten Wert gefallen. Zwar steht mit Narendra Modi ein Reformer an der Spitze des Landes, doch werden Änderungen tendenziell langsam umgesetzt, sagt Commerzbank-Expertin Reichelt. Zwar gilt das indische Leistungsbilanzdefizit mit rund zwei Prozent nicht als dramatisch, doch habe es sich zuletzt verschlechtert.

Auch für Indien ist der starke Dollar ein Problem. Das Land ist einer der größten Importeure von Rohöl, das sich heuer deutlich verteuert hat. Das drückt nicht nur auf das Wachstum, sondern macht auch der vielfach strapazierten Leistungsbilanz weitere Probleme.

AUF EINEN BLICK

Die Türkei hat mit ihren wirtschaftlichen und politischen Problemen die Angst der Investoren vor einem Flächenbrand in aufstrebenden Ländern verstärkt. Deren Probleme werden nun vor den Vorhang geholt. Die Währungen in Argentinien und Indien befinden sich deshalb auch auf Talfahrt. Die Dollar-Stärke macht den Staaten ebenso zu schaffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2018)

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