In einer EU-Umfrage stimmten 80 Prozent der Befragten für die Abschaffung der Zeitumstellung. Obwohl sich nur 4,6 Millionen Menschen beteiligten, will Brüssel nun ernst machen. Die österreichische Regierung befürwortet die Abschaffung.
Nun ist es offiziell: Die EU-Kommission will die zweimal jährlich stattfindende Zeitumstellung abschaffen. Die zuständige EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc sagte am Freitag in Brüssel, die Kommission werde einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorlegen. Bulc begründete dies mit dem Ergebnis einer öffentlichen Befragung. "Das Ergebnis ist sehr klar: 84 Prozent wollen die Uhren nicht mehr umstellen."
Damit bestätigte sie eine Ankündigung von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Freitag in einem Interview mit dem deutschen Sender ZDF. "Millionen haben geantwortet und sind der Auffassung, dass es so sein sollte, dass die Sommerzeit in Zukunft für alle Zeit gilt. So wird das auch kommen", sagte Juncker. "Die Menschen wollen das, wir machen das."
Der Schritt ist überraschend: In einer EU-Umfrage zur Sommerzeit hatten sich zwar mehr als 80 Prozent dafür ausgesprochen, die Zeitumstellung - die Abschaffung des Wechsels zwischen Sommer- und Normalzeit - abzuschaffen. Doch von den insgesamt 4,6 Millionen Teilnehmern der Umfrage stammten gut drei Millionen aus Deutschland. In der EU leben mehr als 500 Millionen Menschen. Außerdem wurde die Abstimmung explizit nicht als Referendum bezeichnet.
Österreich befürwortet Abschaffung
Österreich liegt gemessen an der Bevölkerungsgröße, was die Beteiligung an der EU-Befragung betrifft, an zweiter Stelle hinter Deutschland. In Deutschland nahmen 3,79 Prozent der Bevölkerung an der Umfrage teil, in Österreich 2,94. Schlusslicht ist Großbritannien mit nur 0,02 Prozent Beteiligung.
Die österreichische Bundesregiergung, die derzeit zum Teil in Singapur verweilt, befürwortet die Abschaffung der Zeitumstellung. Diese habe "weder praktischen noch wirtschaftlkichen Nutzen" gebracht, sagt Wirtschaftministerin Margarete Schramböck vor Journalisten in Hongkong. Auch Infrastrukturminister Norbert Hofer hält die Zeitumstellung für "überholt". Die erwünschten Energieeinsparungen habe es dadurch ohnehin nicht gegeben. Der Mensch sei ein biologisches Geschöpf und brauche einen Rhythmus.
Österreich wolle diesen Schritt gemeinsam mit allen anderen Ländern gehen. Es brauche eine einheitliche Zeitzone. Österreich wünsche sich, wie es Hofer formuliert, "ewigen Sommer". Er solle ganzjährig die Sommerzeit gelten. Die Mehrheit der EU-Länder scheint das allerdings anders zu sehen. Prinzipiell strebe man eine gemeisame Lösung an. Dass Österreich die Zeitzone wechselt und sich den weiter östlichen Ländern anschließt, könne man sich, wie Wirtschaftsministerin Scharmböck es formuliert, "anschauen".
EU-Kommission muss noch zustimmen
Die EU-Kommission hat zunächst jedoch einmal nur ein Vorschlagsrecht. Das Europaparlament und die EU-Staaten müssen noch zustimmen. Wenn das noch vor Ende der Legislaturperiode im Mai 2019 passieren soll, müssen sie sich beeilen. Die Befürworter der Abschaffung sind sich sicher, dass es im EU-Parlament eine Mehrheit dafür gibt. Im Rat der Mitgliedsländer ist die Lage unübersichtlicher. Auch Deutschland hat sich bisher nicht positioniert.
Sollte das Hin und Her um eine Stunde tatsächlich abgeschafft werden, könnte jedes Land für sich entscheiden, ob es dauerhaft die Standardzeit - also Winterzeit - oder die Sommerzeit einführen möchte. Diese Entscheidung, welche von beiden Zeiten dauerhaft gilt, ist eine nationale Angelegenheit und würde von einer Abschaffung der Zeitumstellung nicht berührt.
Noch mehr Zeitzonen in EU?
Gut möglich, dass es dann noch mehr zeitliche Unterschiede geben würde. Spanien etwa würde wohl kaum die Sommerzeit beibehalten - denn sonst würde die Sonne in Madrid im Winter erst gegen 9.30 Uhr aufgehen. In der von Deutschland dominierten Online-Umfrage wollte hingegen eine Mehrheit die dauerhafte Sommerzeit. In Österreich sprachen sich in einer Telefon-Umfrage des Linzer Meinungsforschungsinstitut Spectra 65 Prozent für eine das ganze Jahr geltende Zeit aus. 36 Prozent davon bevorzugen die permanente Sommerzeit.
Schon jetzt gibt es drei Zeitzonen in der EU. In Österreich und 16 weiteren Staaten herrscht die gleiche Uhrzeit: die Mitteleuropäische Zeit, genannt MEZ. Darunter sind Deutschland, die Niederlande, Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Kroatien, Polen und Spanien. Acht Länder - Bulgarien, Estland, Finnland, Griechenland, Lettland, Litauen, Rumänien und Zypern - sind eine Stunde voraus: dort gilt die Osteuropäische Zeit oder OEZ. Drei Staaten sind eine Stunde zurück, nämlich Irland, Portugal und Großbritannien, wo die Westeuropäische Zeit gilt, die WEZ.
Die Sommerzeit wurde EU-weit eingeführt, um das Tageslicht besser zu nutzen und so Energie zu sparen. Ob das tatsächlich erreicht wird, wird allerdings bezweifelt. Viele Menschen klagen zudem über gesundheitliche Probleme durch die Zeitumstellung, bei der zwischen März und Oktober die Uhr eine Stunde vorgestellt wird.
Eine kleine Geschichte der Sommerzeit
Die Sommerzeit wurde 1973 im Zuge der Ölkrise eingeführt, um Energie zu sparen. Mit der Zeitverschiebung sollte eine Stunde Tageslicht für Unternehmen und Haushalte gewonnen werden. Die erste Sommerzeit führte damals Frankreich ein.
Begleitet wurde die Einführung von allerhand Diskussionen über die Sinnhaftigkeit: Zwar ging man davon aus, dass die Umstellung eine Energieersparnis von 0,3 Prozent brächte, Experten kritisierten jedoch gleich, dass Aufwand und Nutzen in keinerlei Verhältnis stehe.
Auf der Pro-Seite fanden sich damals jedoch auch andere Argumente: Von der effizienteren Ausnutzung des Tageslichtes erhoffte man sich mehr Verkehrssicherheit, weil die Autofahrer abends noch mit ausreichend Licht unterwegs sein konnten. Positive Effekte brachte die Sommerzeit auch für den Tourismus: Urlaubern erlaubten die langen hellen Abende, ihre Ausflüge bis spät optimal zu nutzen.
In den folgenden Jahren gab es quer durch Europa unterschiedliche Umstellungssysteme. Mit dem Zusammenschluss zur Europäischen Union wurde dieser Umstand beseitigt: Seit 1998 gibt es unter den EU-Mitgliedsstaaten ein harmonisiertes System.
(APA/dpa/red./j.n.)