Košice: Historische Substanz, neuer Geist

Kreative Nutzung im ehemaligen Fabriksgebäude, der Tabačka-Kulturfabrik.
Kreative Nutzung im ehemaligen Fabriksgebäude, der Tabačka-Kulturfabrik.Tabačka Kulturfabrik
  • Drucken

Die Stadt Košice zeigt ihren Aufschwung – mit kulinarischen Festen, wandelbaren Kulturstätten und guter Stimmung. Im Umkreis liegen berühmte Höhlen im Karst.

Wegen der schönen historischen Altstadt, der kreativen Szene, der reizvollen Umgebung, aber vor allem wegen der Ausstrahlung und der Begeisterungsfähigkeit der Menschen, die überall wahrnehmbar ist, sollte man Košice zumindest einmal besucht haben. Die früher nur als wirtschaftliches Zentrum im Osten bekannte Stadt ist mit ihren rund 240.000 Einwohnern nach Bratislava die zweitgrößte in der Slowakei. 2013 war sie eine der Kulturhauptstädte Europas. Am besten man startet mit einem Stadtspaziergang quer durch.

Ein schmaler, etwa zwei Fuß breiter Wasserlauf trennt die beiden Straßenseiten, der in heißen Sommern eine willkommene Abkühlung bietet. Immer wieder sieht man Menschen barfuß darin entlangschlendern. Und dann gibt es hier im Zentrum auch noch Straßenbahnschienen, auf denen jedoch keine Bahn mehr fährt, weil die gesamte Altstadt zur Fußgängerzone erklärt wurde. Prachtvolle Bauten, eine Fassade schöner als die andere, lassen einen immer wieder innehalten. Man sieht feine Cafés und Restaurants, gut gelaunte Menschen.

Gleich hinter dem Dom, der größten slowakischen Kirche aus dem 14. Jahrhundert, und dem anschließenden Urban-Turm, einem frühgotischen Glockenturm, befindet sich der Park der singenden Fontänen. Auf dem beliebten Platz in der Fußgängerzone tummeln sich Erwachsene und Kinder, Bewohner wie Gäste lassen sich zum Sitzen, Schauen und Musikhören nieder. Wir schlendern vorbei am Wasserspiel durch den Park bis zum Staatstheater. Das durch seine Größe beeindruckende Hauptgebäude aus 1899 und das unweit davon im Art-déco-Stil erbaute kleinere Gebäude spielen jährlich rund sechs Premieren unterschiedlicher Genres. Unweit der Fußgängerzone, ein paar Gassen weiter, vor dem Eingang zum Stadtpark befindet sich linkerhand das Theater Romathan-Romaland. Als erstes professionell betriebenes Roma-Theater in der Slowakei präsentiert es seit 1992 klassische und zeitgenössische Bühnenstücke in Romani, der Sprache der Sinti und Roma, und in slowakischer Sprache. Von dort ist es dann nur mehr ein Katzensprung in den hübschen Stadtpark von Košice.

Palatschinken im Park

Auf einer Fläche von rund elf Hektar befindet sich am östlichen Rand der Altstadt der im 18. Jahrhundert angelegte Stadtpark. Seit 2009 präsentiert er sich jedes Jahr im Juni als große Bühne für das dreitägige Gurmán-Fest. Es handelt sich dabei um ein außergewöhnliches Food Festival, das unter Beteiligung vieler regionaler Restaurants, internationaler Chefköche und Sommeliers unter freiem Himmel stattfindet. Umschauen, kosten und genießen ist hier die Devise. Man zahlt mit Gurmán, einer eigens für das Festival ins Leben gerufenen Währung, die beim Eingang gegen Euros eingetauscht wird. Der Begründer und Organisator des Festivals, Radoslav Nackin, berichtet stolz: „Hier machen alle mit und freuen sich jedes Jahr auf dieses Fest“, Begeisterung, die auf die Besucher überspringt. Über das weitläufige Gelände verstreut sieht man sie in der Wiese liegend oder auf Bänken und Stühlen sitzend die Köstlichkeiten genießen: Bryndzove halušky (Brimsennockerln), süße oder pikante Parené buchty (Dampfnudeln) oder Palacinky, oder wie wir sagen: Palatschinken, gefüllt mit Marmelade.

Gut gesättigt ziehen wir weiter und folgen den Klängen bekannter Melodien aus dem „Vogelhändler“ von Carl Zeller. Es sind Werkelmänner oder auch Drehorgelspieler genannt, die auf dem Platz vor dem Staatstheater im Halbrund den begeisterten Zuschauern und Zuhörern ihre Musik darbieten. Einer nach dem anderen, gekleidet im Stil der 1920er-Jahre, gibt auf seinem Leierkasten bekannte Melodien zum Besten. Sie alle sind Teil des Programms des jährlich stattfindenden internationalen Virvar-Festivals. Einer der Werkelmänner ist Hansjörg Surber, ein Schweizer der schon lang in Ungarn am Plattensee, am Balaton, wohnt und gern mit seiner Frau zu solchen Veranstaltungen fährt. „Ich sammle schon mein ganzes Leben lang diese Instrumente“, erzählt Surber. In seinem Wohnort Címünk führt er ein von ihm selbst eingerichtetes Museum für mechanische Musik. An vier Tagen im Juni findet eine Vielzahl, eben ein „Wirrwarr“ an Darbietungen, Mitmachtheater und Workshops statt. Veranstaltet wird es vom örtlichen, seit 1959 bestehenden Puppentheater, dem einzigen professionellen seiner Art in der Slowakei.

Haushohe Graffitikunst

Angetan von der schicken Kleidung der 1920er und beschwingt von den bekannten Ohrwürmern geht's weiter. Bei einem großen ehemaligen Fabriksgebäude, der Tabačka-Kulturfabrik bietet sich die Gelegenheit, sich auf die Atmosphäre und die kreative Vielfalt dieses Orts einzulassen. Die Wände überziehen zum Teil überdimensionale Graffiti, die künstlerischen Arbeiten bedecken ganze Hausmauern. Ein alter Spind hier, Pflanzen dort, eine kleine Bühne im Eck, gemütliche loungeartige Palettenmöbel und dazu ein Bistro und ein Kino. Die Kulturfabrik ist das zweitgrößte unabhängige Kulturzentrum der Slowakei. Eröffnet 2015, entwickelte sich ein lebendiger Ort für künstlerische Produktionen, ein Platz für die Kreativszene. Hier arbeiten und gestalten Künstler, Designer und Architekten, hier treffen sich Menschen aller Altersgruppen. Mehr als 3000 Quadratmeter Fläche stehen für jährlich bis zu 1200 Programmpunkten – Konzerte, Kabaretts, Lesungen, Filmvorführungen und Workshops – zur Verfügung. Alles ist modern und mobil ausgestattet, auf dem letzten technischen Stand. So lässt sich das scheinbar herkömmliche Fabrikscafé im Nu zum Veranstaltungsplatz für Konzerte oder Filmvorführungen umfunktionieren. Und im großen Konzertsaal staunt der Besucher über die ausgefeilte Bühnen- und Saaltechnik. Das Vorbild, so erzählen die Verantwortlichen für diesen offenen Kulturbetrieb ist das Kulturzentrum Hof in Linz. Zwei Städte, die einst durch Industrie groß geworden sind und sich heute außerordentlich um Kunst und Kultur bemühen.

Rauf und runter im Karst

Ohne das Umland von Košice gesehen zu haben, kann man nicht nach Hause fahren. Schon gar nicht, wenn man die Natur, Berge und den Blick hinunter in die Täler liebt: Denn hier befindet sich mit dem Karst eine der schönsten Landschaften der Slowakei. Will man dort auch noch die geheimnisvollen Tiefen der Erde erkunden, muss man hinunter in den Karst und seine vielen Höhlen.

Am östlichen Teil des slowakischen Karsts im Nationalpark, 40 Kilometer von Košice entfernt, liegt das Zádielska-Tal. Nach rund 45 Minuten, einem teilweise steil nach oben führenden Weg, erreicht man ein Plateau mit wunderbarem Ausblick ins Tal. Bis dorthin muss man jedoch ein unwegsames, auch dicht bewachsenes Gelände überwinden, in dem man leicht die Orientierung verlieren kann. Wir gehen mit einem Guide, dem freundlichen Gabriel Lešinsky, der erzählt, dass bei einer seiner Expeditionen ein Kollege morgens nur kurz auf die Toilette gehen wollte und erst nach vier Stunden wieder zurückgefunden hat. Im Winter kann es hier schon frische minus 30 Grad haben, dann verirrt man sich besser nicht. Aber auch im Sommer mit 30 Grad plus verlässt man sich besser auf die Orientierung eines hilfreichen Guides.

Die Domica-Höhle (Unesco-Welterbe) ist Teil des länderübergreifenden Höhlensystems zwischen der Slowakei und Ungarn und wegen ihrer besonderen Schönheit einen Besuch wert. Sie ist die größte bekannte Höhle des Slowakischen Karsts. Zwei Bäche, Styx und Domický potok, zeichnen für die Innengestaltung verantwortlich. Sie schufen dank ihrer Wasserkraft wunderschöne Sinterfahnen, Steinsäulen, zwiebelförmige Stalaktiten, pagodenförmige Stalagmiten und großzügige Dome und Seen. Das „Römische Bad“, ein Gebilde von Kaskadenseen im Majkov-Dom, findet bei den Besuchern, neben der Bootsfahrt auf dem Styx die wohl größte Bewunderung. Es leben an die 1500 Fledermäuse aus 16 verschiedenen Arten hier. Sie sind die Einzigen, die uns auf der Reise in und rund um Košice, nicht gleich freundlich entgegenkommen. Aber das ist den meisten wohl lieber, wenn die Geschöpfe der Nacht sich zwar mithilfe der Taschenlampe besichtigen lassen, aber sonst ruhig kopfüber auf ihren Plätzen in der Finsternis verweilen.

Košice, Karst und Höhlen

Anreise: Von Wien Direktzüge täglich, sechs Stunden Fahrt mit den ÖBB und der slowakischen Bahn ZSSK Slovakrail. Senioren und Studierende bis zu 26 Jahren reisen in der Slowakei übrigens zum Nulltarif. www.oebb.at, www.slovakrail.sk

Flug: Mit den Austrian Airlines zweimal täglich direkt von Wien nach Košice und retour in etwas mehr als einer Stunde Flugzeit. www.austrian.com

Genuss und Unterkunft:

Granarium: Kleine Landwirtschaft samt Gastronomie in Jablonové im slowakischen Karst. Regionale, zum Teil vergessene alte slowakische Köstlichkeiten aus Keller und Küche. Frisch zubereitete Lokše: Palatschinken aus Kartoffelteig, die mit Gänseschmalz bestrichen, direkt auf der heißen Ofenplatte gebacken werden. Gefüllt mit Marmelade. Reservierung erforderlich. www.granarium.sk

Villa Regia: Traditionelles Restaurant mit sieben Zimmern in der Altstadt in einem Renaissancegebäude aus dem 17. Jahrhundert. www.villaregia.sk

Boutique Hotel und Restaurant Slavia: Stilvolles Restaurant und Hotel mitten in der Altstadt auf Höhe des Nationaltheaters. Das Haus besticht durch seine Architektur außen wie innen – Jugendstil – und seine stilvolle Einrichtung. Die Küche ist top! www.kaviarenslavia.sk

Ambassador: Empfehlenswertes Viersternhotel mit schönen geräumigen Zimmern, Café und Restaurant in der Fußgängerzone. www.ambassador.sk/de

Compliance: Die Reise erfolgte auf Einladung der Slowakischen Vertretung für Tourismus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.