Zahlungskrise für UN-Hilfswerk für Palästinenser

Die USA waren der wichtigste Finanzier der UNRWA, die Schulbildung, medizinische Versorgung und Nahrungsmittelhilfen für rund fünf Millionen Flüchtlinge bereitstellt.
Die USA waren der wichtigste Finanzier der UNRWA, die Schulbildung, medizinische Versorgung und Nahrungsmittelhilfen für rund fünf Millionen Flüchtlinge bereitstellt.(c) APA/AFP/LOUAI BESHARA (LOUAI BESHARA)
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Der Schulbetrieb ist nur bis Ende September garantiert. Nach dem Stopp der US-Zahlungen für das Hilfswerk der Vereinten Nationen springt zum Teil die EU ein. Deutschland hat bereits 94 Millionen Dollar zugesichert.

Jerusalem. Dem UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) drohen infolge der Ende vergangener Woche von US-Präsident Donald Trump gestrichenen Finanzhilfen Zahlungsschwierigkeiten. 200 Millionen der zunächst zugesagten insgesamt 250 Millionen US-Dollar sollen zurückgehalten werden. Anfang des Jahres hatten die USA noch 60 Millionen Dollar an die UNRWA überwiesen. Nun sollen die Zahlungen komplett eingestellt werden.

Ungeachtet des „präzedenzlosen Defizits“, wie Pierre Krähenbühl, Generalkommissar des UN-Hilfswerks, mitteilte, begann der Unterricht in den von dem Flüchtlingshilfswerk unterhaltenen Schulen nach den Sommerferien planmäßig. Allerdings könne der Betrieb vorläufig nur bis Ende September garantiert werden. Heiko Maas, der deutsche Außenminister, appellierte an die EU-Mitgliedstaaten, die Unterstützung an die UNRWA aufzustocken. Maas warnte vor einer „unkontrollierten Kettenreaktion“. Berlin stellte bereits 94 Millionen Dollar zur Verfügung, um die akute Zahlungskrise abzufedern.

„Korrupt und ineffizient“

Die USA waren der wichtigste Finanzier der UNRWA, die Schulbildung, medizinische Versorgung und Nahrungsmittelhilfen für rund fünf Millionen Flüchtlinge bereitstellt. Angestoßen von der Gesetzesinitiative zweier republikanischer Kongressmitglieder strebt Trump eine Neudefinition an. Flüchtling könne nur ein Palästinenser sein, der tatsächlich aus seiner Heimat vertrieben wurde. Die UNO rechnet aber auch Nachfahren der rund 700.000 während und nach dem Unabhängigkeitskrieg 1949 aus Israel vertriebenen Palästinenser als Flüchtlinge.

Großen Unmut hatte Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn und Nahost-Sonderberater, bereits Anfang August unter den Palästinensern hervorgerufen, als er im Verlauf seines Besuchs in Jordanien König Abdullah aufforderte, den rund zwei Millionen Palästinensern in seinem Land den Flüchtlingsstatus abzuerkennen. Kushner sprach sich für eine Auflösung der UNRWA aus, die „den Status quo verewigt, korrupt ist, ineffizient und dem Frieden wenig hilft“. Damit wiederholte er praktisch im Wortlaut eine zuvor von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu geäußerte Kritik.

Die meisten der palästinensischen Flüchtlinge leben in Lagern im Libanon, Syrien, in Jordanien und dem Westjordanland. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung im Gazastreifen ist zudem unmittelbar auf Nahrungsmittelhilfe der UNRWA angewiesen. Das Hilfswerk berichtet auf der eigenen Web-Seite über 711 Schulen, die von rund einer halben Million palästinensischen Kindern im Nahen Osten besucht werden. „Die amerikanische Entscheidung zielt darauf ab, das Rückkehrrecht zu löschen“, kommentierte Sami Abu Suhri, ein Hamas-Sprecher im Gazastreifen. Die Führung der USA sei zu einem „Feind unseres Volkes und unserer Nation geworden“, setzte er hinzu und kündigte an, „vor einer so ungerechten Entscheidung nicht zu kapitulieren“.

Gegen die Schwächsten

Auch in Ramallah, dem Amtssitz von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, wurde Kritik gegen den „abscheulichen Angriff gegen das palästinensische Volk“ laut. Hanan Aschrawi, Mitglied im Exekutivkomitee der PLO, nannte die Streichung der Gelder eine „grausame und unverantwortliche“ Entscheidung, die „die Schwächsten der palästinensischen Gesellschaft“ treffe.

Die Beziehungen zwischen den USA und der palästinensischen Führung liegen seit Ende letzten Jahres praktisch auf Eis, nachdem sich der US-Präsident für die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels ausgesprochen hatte, womit er sich aus Sicht der PLO als neutraler Vermittler im Friedensprozess disqualifizierte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2018)

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