In der Ukraine wurde die Freundschaft mit Österreich beschworen - mit kleineren und größeren Seitenhieben auf Putins Hochzeitsbesuch. Der Kanzler stattete auch dem Maidan einen Besuch ab.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kam am Dienstag in die Ukraine, um den Ruf Österreichs bei den Entscheidungsträgern Kiews wiederherzustellen. Dieser war nach Putins Tanz-Auftritt auf der Hochzeit von Außenministerin Karin Kneissl ein wenig ramponiert worden. Doch konnte sich Kurz auf freundliche Worte verlassen. Die "Freundschaft" wurde - wohl im Sinne des Bundeskanzlers - über den Ärger gestellt.
Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin hat vor dem Gespräch mit Bundeskanzler noch sein Unverständnis über die Einladung von Wladimir Putin zur Hochzeit von Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) geäußert. "Die Perzeption hier in der Ukraine war wirklich katastrophal", sagte Klimkin am Dienstag in Kiew vor österreichischen Journalisten. "Das ist eine Frage des Vertrauens."
Gefragt nach seiner Meinung zur Teilnahme des russischen Präsidenten an der Hochzeit antwortete er: "Als Außenminister soll ich politisch korrekt bleiben. Dann sage ich, dass das für mich ein ganz großer Fehler war." Doch zum ÖVP-Bundeskanzler habe er aber Vertrauen: "Sebastian ist ein Freund der Ukraine und ein geschickter Diplomat. Ich habe in ihn Vertrauen."
Kurz am Maidan, dann zu Poroschenko
Kurz war im Anschluss an das Gespräch mit Klimkin mit dem Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, zusammengetroffen. Dieser überreichte ihm einen metallenen Schutzengel. Danach spazierten Kurz und Klitschko zum Maidan. Sie gingen die "Allee der himmlischen Hundert" ab, die an die Toten der Proteste gegen die prorussische Führung des damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch auf diesem Platz 2014 erinnert.
Danach trafen Kurz und Präsident Petro Poroschenko im Marienpalast, der zeremoniellen Residenz des Präsidenten, zusammen. Trotz des Hochzeits-Disputs nennt Poroschenko Österreich "einen Partner, der für uns sehr zuverlässig ist". Eine Bemerkung über die Hochzeit ließ der Präsident allerdings schon fallen: "Wir sind überzeugt, dass weder Fußballweltmeisterschaften noch Hochzeiten den russischen Aggressor stoppen können. Das kann nur eine koordinierte Position sein, die wir mit unserem Freund, dem Bundeskanzler, demonstrieren", so Poroschenko, der Kurz für seine "Freundschaft" dankte.
Kurz verweist auf EU-Sanktionen und Gesprächskanäle
Auch Kurz sprach davon, dass es eine "klare Reaktion auf die russische Aggression braucht". Er verwies auf die Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland im Juli. Was es aber auch brauche, sei Gesprächskanäle offen zu halten. Kurz "appellierte an Russland, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren". Nach der Ermordung des Donezker Separatistenführers Alexander Sachartschenko hatte Moskau die Gespräche zum Minsker Friedensprozess auf Eis gelegt.
Zum Donbass-Konflikt sagte Kurz, dass es ihn "sehr unglücklich macht, dass die Situation so verfahren ist wie sie sich darstellt". Das österreichische Außenministerium werde eine Million Euro für Hilfsorganisationen, die in der Ostukraine tätig sind - wie die Caritas -, locker machen. Das Geld stammt aus dem Auslandskatastrophenfonds (AKF).
Seisenbacher-Asyl
Zur Causa Seisenbacher sagte Kurz, dass er sich eine "rasche Entscheidung" in der Ukraine erwartet, damit der Ex-Judoka nach Österreich ausgeliefert werden könne. Der Judo-Olympiasieger Peter Seisenbacher hat in der Ukraine um Asyl angesucht, von den österreichischen Behörden wird er wegen des Verdachts des Missbrauchs Unmündiger gesucht. Kurz erklärte, dass sich Seisenbacher hierzulande einem Prozess wegen mutmaßlichem sexuellem Missbrauch stellen müsse.
Der Doppelolympiasieger soll nach seiner aktiven Karriere in einem Wiener Judo-Verein zwischen 1997 und 2004 zwei im Tatzeitraum unmündige Mädchen missbraucht haben. Der Ex-Spitzensportler war im Dezember 2016 unentschuldigt nicht zu seiner Verhandlung im Wiener Landesgericht erschienen. Österreichs Justiz hatte sich im vergangenen Jahr vergeblich um eine Auslieferung Seisenbachers bemüht. Das Justizministerium in Kiew lehnte im Oktober wegen der ukrainischen Verjährung der in Österreich inkriminierten Delikte dieses Begehren ab. Da der Ex-Judoka aber über keine gültigen Reisedokumente verfügt, kann er derzeit nur in Absprache mit österreichischen Behörden nach Österreich ausreisen.
Empfang mit Zeremonie
Der Kiew-Besuch sei bei einem Telefongespräch zwischen Kurz und Poroschenko vereinbart worden, berichtete die ukrainische Präsidentschaftskanzlei. Das Telefonat fand demnach am 22. August und damit vier Tage nach der Hochzeit Kneissls statt, an der auch Kurz teilgenommen hatte.
Eingetroffen ist Kurz in der ukrainischen Hauptstadt in der Nacht auf Dienstag. Am Flughafen wurde Kurz von drei Frauen in traditioneller Tracht mit Brot und Salz begrüßt, so wie Bundespräsident Alexander Van der Bellen, als er in Begleitung Kneissls im März die ukrainische Hauptstadt besucht hatte. Laut Diplomaten habe Poroschenko die kleine Zeremonie für Kurz als Zeichen der besonderen Wertschätzung veranlasst. Die österreichische Botschafterin in Kiew, Hermine Poppeller, sprach auf Facebook von "ausgezeichneten bilateralen Beziehungen auf allen Ebenen".
(APA)