BVT-Untersuchungsausschuss: Wenn die Polizei der Polizei mit Gewalt droht

Die Zweite Nationalratspräsidentin und U-Ausschussvorsitzende Doris Bures (2.v.R/SPÖ) und Ausschussteilnehmer am Dienstag vor Beginn einer Sitzung des BVT-U-Ausschusses im Parlament in Wien.
Die Zweite Nationalratspräsidentin und U-Ausschussvorsitzende Doris Bures (2.v.R/SPÖ) und Ausschussteilnehmer am Dienstag vor Beginn einer Sitzung des BVT-U-Ausschusses im Parlament in Wien. APA/HERBERT NEUBAUER
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Erste Zeugen berichten über die Hausdurchsuchung im BVT. Angesichts der Verdachtslage deutet viel auf eine überschießende Aktion hin.

Wien. Für Innenminister Herbert Kickl ist es die erste große Bewährungsprobe: Am Dienstag startete der BVT-Untersuchungsausschuss. Im Mittelpunkt steht die Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, die vom Minister bzw. seinem Generalsekretär orchestriert worden sein soll.

Die Zeugen

Die Strategie der Oppositionsparteien in diesem U-Ausschuss ist offenkundig: Man wollte nicht mit einem Knalleffekt starten, sondern mit einem langsamen Spannungsaufbau. Dementsprechend waren an diesem ersten Tag drei Zeugen geladen, die nicht unbedingt im Mittelpunkt des Geschehens stehen: Es handelt sich um den Portier im BVT, der als erster mit der Hausdurchsuchung konfrontiert war, weiters um einen IT-Techniker, bei dem eine Hausdurchsuchung in der Privatwohnung stattgefunden hat, sowie einen an der Hausdurchsuchung beteiligten Beamten, allerdings keinen aus der Führungsriege. Der Portier und der IT-Techniker hatten sich über die Hausdurchsuchung beschwert.

Die Erkenntnisse

Wenn Polizisten bei Polizisten eine Hausdurchsuchung machen, hört sich die Freundschaft auf: Da wird dem Portier mit körperlicher Gewalt und Suspendierung gedroht, wenn er Anweisungen nicht befolgt und die Zutrittskarte nicht herausrückt. Letzteres könnte das Delikt der Nötigung erfüllen, sagt zumindest einer der beteiligten Anwälte. Anzeige wurde allerdings keine erstattet. Insgesamt zeigt sich doch das Bild einer recht überschießenden Polizeiaktion: Wegen des Verdachts eines Datenschutzvergehens rückten mehr als 40 Polizeibeamte aus und beschlagnahmten sensibelste Daten von der Rechtsextremisten-Überwachung bis hin zu internationalen Geheimdienstinformationen. Immerhin: Die ursprünglichen Berichte, wonach Polizisten mit Schutzwesten und Sturmgewehr das BVT gestürmt hätten, haben sich als unwahr herausgestellt. Die Beamten der Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität (EGS) kamen in Zivilkleidung und mit Dienstpistole. Die EGS dürfte bei dem Einsatz aber doch eine bedeutende Rolle gespielt haben: Wie der Portier aussagte, hatte EGS-Chef Wolfgang Preiszler – er ist auch FPÖ-Funktionär – das Kommando, und nicht die eigentlich zuständige Staatsanwältin.

Für den IT-Techniker, der als Zeuge geführt wird, sich aber wie ein Beschuldigter behandelt fühlte, war die ganze Aktion schlecht vorbereitet. Sie fuße auf einer Zeugenaussage eines Kollegen in der BVT-IT, dem er unterstellt, aus persönlichem Neid, Falschinformationen weitergegeben zu haben – die dann von der Staatsanwaltschaft nicht überprüft worden seien. Mit den Lansky-Akten, um die es bei der Hausdurchsuchung ging, will er überhaupt nichts zu tun gehabt haben, er sei im Tatzeitraum, als die Akten gespeichert wurden, nicht einmal Angehöriger des BVT gewesen. Aber das habe die Staatsanwältin nicht interessiert, diese habe nur Belastendes gesucht und nur in eine Richtung ermittelt.

Erstaunlich ist die Erkenntnis, dass bei der Hausdurchsuchung tatsächlich ein privater Dienstleister alleine – also ohne Aufsicht durch einen Staatsanwalt, stundenlang die sensiblen Daten sichten durfte.

Die Überraschung

Der IT-Techniker weiß es nur aus Gesprächen mit Kollegen, aber diese Information ist tatsächlich brisant: Das BVT hat nach der Hausdurchsuchung nicht mehr so viele relevante Informationen von Partnerdiensten bekommen wie früher. Das ist gerüchteweise schon länger kolportiert worden, Innenminister Herbert Kickl hat es aber mehrmals bestritten. Auch das deutsche Innenministerium dementierte am Dienstag entsprechende Berichte. Laut dem IT-Techniker kommt aber kaum mehr als „Heute ist schönes Wetter“ im BVT an.

Das Procedere

Erstmals findet ein Untersuchungsausschuss nicht mehr im Budgetsaal im Parlament statt, sondern in der Hofburg. Das Prozedere ist aber weitgehend das gleiche – mit einer wesentlichen Ausnahme: Der Vorsitzenden Doris Bures (SPÖ) ist es gelungen, die Abgeordneten zu einer strengen Zeitdisziplin zu verpflichten. Das hat zumindest bei den ersten Befragungen funktioniert – was aber auch daran liegen kann, dass an diesem ersten Tag noch nicht die ganz große Brisanz zu erkennen war. Am Mittwoch wird die Befragung mit weiteren BVT-Mitarbeitern fortgesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2018)

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