Kasperl geht nicht in Pension

Manfred Müller geht mit Kasperl und Pezi in seine letzte Spielzeit. Dass es danach weitergeht, sei inzwischen „sehr wahrscheinlich“.
Manfred Müller geht mit Kasperl und Pezi in seine letzte Spielzeit. Dass es danach weitergeht, sei inzwischen „sehr wahrscheinlich“.(c) Clemens Fabry
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Kasperl und Pezi dürften doch weiterspielen: Inzwischen haben sich bei Manfred Müller mehrere seriöse Interessenten für sein Puppentheater gemeldet.

Es war Sonntagnacht um zwei, als Manfred Müller, die Aussendung fertig hatte, mit der er die Kasperl-Post-Bezieher von der letzten Spielzeit seines Urania Puppentheaters in Kenntnis setzen wollte. Dann ging er schlafen. Als er am nächsten Morgen um sechs Uhr Früh den Computer wieder hochfuhr, hatte er 280 E-Mails in seinem Posteingang. Was sich seither abgespielt habe, sagt er, sei „ein Wahnsinn“.

Das längste Mail aus der größten Entfernung kam aus Hongkong. Eine gut 90-jährige Auslandsösterreicherin schilderte ihm darin, welche Kasperlstücke sie einst gesehen habe. Dazu kamen, „eh wirklich lieb“, Nachrichten wie jene von einer 75-jährigen Hausfrau, die noch einmal arbeiten würde und gerne Puppentheaterdirektorin wäre. Puppentheater, das sei aber mehr als das, was die Menschen auf der Bühne sehen, sagt Müller, der zumindest bis Sonntag keinen kaufmännischen Nachfolger finden konnte. In seinem Fall „ganzjährig ein Sieben-Tage-Job mit zehn bis zwölf Stunden“, in denen er sich um PR-Arbeit und Kartenverkauf, Buchhaltung, Lohnverrechnung und Reparaturen kümmerte, daneben Kulissen zimmerte, Stücke schrieb, die 400 Puppen hat er alle selbst gebaut.

Inzwischen, berichtet Müller, gebe es inmitten des besorgten Aufschreis um den Kasperl aber auch ernst zu nehmende Interessenten: Angebote von Menschen, „die die Potenz haben, das Theater zu kaufen und die zumindest entfernt auch mit Theater zu tun haben“. Er könne sagen, „dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit weitergeht“.

Auch während des Gesprächs klingelt diesbezüglich sein Handy, Müller verweist an seinen Bruder. Der sei für die Finanzen zuständig. Noch am Freitag soll ein Video an die Kasperl-Fans mit der guten Nachricht online gehen. Ende Oktober soll es „eine endgültige Lösung geben“. Allerdings nicht ohne dass die zukünftigen Betreiber zuvor in einer Vorstellung waren: „Sie sollen wissen, worauf sie sich einlassen.“

Müller selbst wusste es nicht, als er sich einst bei Gründer Hans Kraus vorstellen kam. Zunächst nur für Ton und Licht zuständig, durfte er irgendwann mit hoher Stimme die Hexe sprechen, bald auch böse Zauberer und Zwerge; Helden und Sonnyboys blieben Kraus vorbehalten. Erst als im „Gericht der Tiere“ ungewöhnlich viele Puppen zum Einsatz kamen, durfte er mit dem Fuchs endlich eine Figur bewegen.

Nach dem Tod von Kraus' Witwe übernahm er das Theater, seine schwierigste Zeit kam mit dem Umbau der Urania. Ein organisatorisches Desaster, von dessen Skurrilitäten (inklusive einer potemkinschen Beruhigungs-Pressekonferenz der zuständigen Stadträtin) Müller lang erzählen kann. Förderungen bekam er nie. Puppentheater sei weder Kultur noch Pädagogik noch Kunst, hätten ihm in jener Zeit zwei Beamte beschieden.

Casting für den neuen Kasperl

Seither sei es allerdings stetig bergauf gegangen, heute freue sich das Theater steigender Publikumszahlen und stehe „sehr, sehr gut da“. Wichtig, betont er, sei die Atmosphäre: Schon Billeteure, Kassiere und Garderobieren würden dafür sorgen, „dass man sich bei uns zu Hause fühlt“. Mit seinen 70 will er dennoch nicht weitermachen. „Ich habe immer alles aufgeschoben.“ Im Vorjahr ist seine Frau gestorben, die gemeinsamen sind Pläne dahin. „Man überlegt natürlich, wie viel Zeit man noch hat.“ Müller will sie für anderes nützen, er ist ehrenamtlich im Flüchtlingswesen tätig, will die gekauften Bücher endlich lesen, seine Theologie auffrischen, sich um die Enkel kümmern. Eine Aufgabe will er zuvor allerdings noch erledigen: Einen neuen Kasperl zu casten – den hatten bislang nur Hans Kraus und er selbst gespielt.

AUF EINEN BLICK

Das Urania Puppentheater wurde 1949 von Hans und Marianne Kraus gegründet. Nun will Direktor Manfred Müller in Pension gehen; am Montag gab er bekannt, das Theater zu schließen, weil er keinen Käufer finde. Es folgte ein Aufschrei der Fans. Inzwischen gibt es Interessenten, Ende Oktober soll eine Lösung stehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2018)

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