Rechtsextreme Steirergarde schockt Slowenien

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Die „Stajerska Varda“ ließ maskierte Männer nahe der Grenze zu Österreich aufmarschieren.

Belgrad/Ljubljana. Durchtrainiert wirken die selbsternannten Landeswächter mit den schwarzen Gesichtsmasken keineswegs. Die meisten von mehreren Dutzend Männer, die in Kampfkleidung vor einer Waldböschung in der Nähe der nordslowenischen Stadt Maribor paradieren, sind unbewaffnet. Zwei der aufgereihten Mitglieder der rechtsextremen Bürgerwehr „Stajerska Varda – Steirer Garde“ tragen vor ihrer Brust ein großes Beil. Drei, vier ihrer „Offiziere“, die der „Steiermark“ Treue bis ins Grab schwören, sind auf Videoaufnahmen mit umgehängten automatischen Schusswaffen zu sehen.

Die Garde sei zum Grenzschutz als Wehrverband „der freien Menschen in der Steiermark“ bereits im vergangenen Jahr gegründet worden, berichtete deren „Kommandant“ Andrej Sisko in den letzten Tagen stolz in mehreren TV-Interviews. Menschen „mit militärischer Erfahrung“, die für Slowenien und auf „Schlachtfeldern auf der ganzen Welt“ gekämpft hätten, würden deren Wehr- und Schießübungen leiten, so der Chef der nationalistischen Splitterpartei „Vereinigtes Slowenien“ (ZSi).

Kurz vor Vereidigung einer neuen Mitte-Links-Regierung sorgen die Aufnahmen der nationalistischen Maskenmänner in der Alpenrepublik für anhaltenden Wirbel. Geschockt und empört hat Sloweniens politisches Establishment auf die Aufnahmen der Steirer Maskenmänner reagiert, die Justiz umfassende Ermittlungen angekündigt. Doch obwohl bei ZSi-Chef Sisko Journalisten mit Interviewwünschen Schlange stehen, hat dieser noch keine Vorladung zum Verhör erhalten. Wenn er in drei Tagen noch immer nichts von der Polizei gehört habe, werde er sich selbst bei ihr melden, feixt Sloweniens neuer Medienstar zufrieden.

Gefahr und Hecheln nach Medienruhm?

„Die ausländischen Medien rufen Sisko an, die Polizei noch nicht“, titelte die Zeitung „Dnevnik“. Tatsächlich ist dem über alle TV-Kanäle flimmernden Waffenfreund ein Mediencoup geglückt. Doch sind die marschierenden Maskenmänner nur eine gezielte Provokation oder Zeugnis einer gefährlichen Radikalisierung der Alpenrepublik? Politisch spielt die an der Grenze zu Österreich zur Migrantenhatz blasende Bürgerwehr kaum eine Rolle. Hatte Sisko bei den Präsidentschaftswahlen im letzten Jahr noch 2,2 Prozent der Stimmen erzielt, kam seine ZSi bei der Parlamentswahl im Juni mit gerade einmal 5287 Stimmen auf nur noch 0,58 Prozent.

Doch obwohl es keineswegs sicher ist, ob die in den Aufnahmen präsentierten Gardewaffen echt oder Attrappen sind, warnen Analysten davor, das Phänomen der „Steirer Garde“ als ein Hecheln nach Fünf-Minuten-Medienruhm abzutun. Slowenien sei „nicht mehr immun gegen verschiedene Formen der Radikalisierung“, konstatiert der Sicherheitsexperte Iztok Prezelj.

Die Aufnahmen seien „entsetzlich, aber leider nicht völlig überraschend“, so Soziologe-Professor Peter Stankovic von der Universität Ljubljana. Wie alle ehemals kommunistischen Länder sei Slowenien seit dem Fall der Berliner Mauer im Prozess einer „kulturellen Retraditionalisierung gefangen“, der sich in Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, dem Fehlen einer Kultur des Dialogs und autoritärem Denken äußere.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2018)

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