Nike pokert mit seiner politischen Sportwette

Colin Kaepernick auf einem Nike-Plakat.
Colin Kaepernick auf einem Nike-Plakat.APA/AFP/GETTY IMAGES/JUSTIN SULL
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Der Sporthändler ärgert mit der Kampagne um den NFL-Rebellen Kaepernick Trumps USA. Das könnte sich lohnen.

Wien. Nike hat das Ass lang im Ärmel. Seit 2011 bezahlt der US-Sportartikelhersteller dem ehemaligen Quarterback der San Francisco 49ers, Colin Kaepernick, Tantiemen. Und das, obwohl er ihn die vergangenen zwei Jahre in keiner einzigen Werbung einsetzte.

Drei Tage vor Anpfiff der heurigen NFL-Footballsaison holte Nike den Spielemacher hervor. Anlass war der 30. Geburtstag seiner „Just Do It“-Kampagne. Neben anderen afroamerikanischen und muslimischen Sportlern hat Kaepernick einen Auftritt: „Glaube an etwas. Selbst wenn es bedeutet, alles aufzugeben“, sagt er. In seinem Fall heißt das: die Karriere. Dass Nike ihn als Botschafter hervorholt und Schuh- und T-Shirt-Serien mit dem Mann plant, ist eine hochpolitische Geste. Kaepernick stieß vor gut zwei Jahren die Protestwelle von NFL-Profis an, die während der US-Hymne mit Kniefällen ein Zeichen gegen Polizeigewalt und Rassismus setzten. Er verlor seinen Vertrag – und bekam in der Footballliga bisher keinen neuen.

Trump, einer der schärfsten Protestgegner, prophezeite Nike, dass „Zorn und Boykotte“ das Geschäft töten würden. Erste Reaktionen belegten das. Kunden verbrannten öffentlichkeitswirksam ihre Turnschuhe, posteten wütende Kommentare, die Aktie gab an einem Tag gut drei Prozent nach.

Langfristig könnte der US-Präsident mit der Prognose aber danebenliegen. Nicht nur rechneten Analysten aus, dass das Video schon am ersten Tag 43 Mio. Dollar Werbewert generierte – und großteils neutral bis positiv kommentiert wurde. Sie weisen auch auf eines hin: Nike sei bewusst, dass die klare Positionierung einige Kunden vergrault. Der Konzern aus Oregon mit einem Jahresumsatz von 34 Mrd. Dollar setze aber auf seine langfristige ethnisch durchmischte, großteils jüngere und liberalere Kundenschicht, auf die auch bisherige Werbungen zugeschnitten waren.

Es gibt schlimmere Themen

Der Zeitpunkt war noch aus einem anderen Grund clever gewählt. Auf dem US-Heimmarkt hat Nike aktuell nicht nur einen schweren Stand gegen den deutschen Konkurrenten Adidas, dessen Umsätze schneller wachsen. Dort dominierten jüngst auch Berichte über eine frauenfeindliche Firmenkultur, ungleiche Bezahlung und sexuelle Belästigung. Mehrere Manager mussten gehen, zwei Ex-Mitarbeiterinnen klagten im August wegen Diskriminierung. Da wechselt man noch lieber von einer gesellschaftlichen Kontroverse zur nächsten. Die Nike-Aktie erholte sich vom Tief am Dienstag leicht, lag am Donnerstag vorbörslich bei 79,92 Dollar (vor der Kampagne waren es 82,18 Dollar). Sie hat damit in sechs Monaten 14 Dollar an Wert gewonnen.

Wie es weitergeht, bleibt spannend. Die USA sind gespalten, in Umfragen hält gut die Hälfte die Proteste für falsch. Die NFL, die vom rebellischen Quarterback wegen Verschwörung geklagt wird, lenkte ein: Sie glaube „an Dialog, Verständnis und Eintracht“. Das Verhältnis zu Nike, das die Liga bis 2028 ausstattet, dürfte zum Saisonstart aber angespannt sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2018)

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