EU-Kommissar Hahn: 22 Millionen Flüchtlinge könnten Weg nach Europa suchen

Johannes Hahn
Johannes HahnAPA/ROLAND SCHLAGER
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Die Europäische Volkspartei trifft sich in Wien. Star der Zusammenkunft ist der neue spanische Oppositionsführer Pablo Casado.

EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn hat vor einer neuen Zuspitzung der Flüchtlingskrise gewarnt. "Es gibt rund um Europa eine Situation, wo wir insgesamt 22 Millionen Flüchtlinge haben, wo jederzeit das Risiko besteht, dass sie den Weg nach Europa suchen", sagte Hahn am Freitag bei einer Fraktionssitzung der Europäischen Volkspartei (EVP) in Wien.

Der Vorstand der größten Fraktion im Europaparlament schließt am Freitag ein zweitägiges Treffen ab, bei dem inhaltliche - und informell auch personelle - Weichen für die Europawahl im Mai gestellt werden sollen. Unter dem Motto "Neue Fairness für Europa" diskutieren die Abgeordneten mit Unternehmern, NGO-Vertretern und Experten. Fraktionschef Manfred Weber verkündete im Vorfeld der Tagung seine Bewerbung für die EVP-Spitzenkandidatur und erhielt dafür überraschend deutliche Unterstützung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Star des Treffens ist der neue spanische Oppositionsführer Pablo Casado, der am gestrigen Donnerstagabend in Wien eingetroffen war. Weber zeigte sich erfreut, dass der 37-Jährige seine erste Auslandsreise nicht in eine Hauptstadt, sondern "zu uns" absolviere. Zum Auftakt der Sitzung machten zahlreiche Teilnehmer Selfies mit dem Chef der konservativen Volkspartei (PP), der von spanischen Medien auch als "spanischer Sebastian Kurz" bezeichnet wird.

Hahn warb in seinem Impulsreferat zu außenpolitischen Fragen dafür, dass die Europäische Union Sicherheit exportiere, weil der Schutz der Außengrenzen weit vor diesen beginne. Einer der Gründe für die Migration sei nämlich, dass das Gefälle im Wohlstandsniveau zwischen Europa und seiner unmittelbaren Nachbarschaft "gigantisch groß ist".

Die Kosovo-Frage

Der auch für Erweiterung zuständige Kommissar sprach sich auch klar für eine Aufnahme aller sechs Westbalkan-Staaten in die Europäische Union auf. Eigentlich gehe es dabei um eine "Arrondierung", da jedes dieser Länder jetzt schon zumindest einen EU-Staat zum Nachbarn habe. Stabilität in der Region könne nur gewährleistet werden, "wenn alle Länder der Region Mitglied der Europäischen Union werden".

Hahn pochte neuerlich auf eine Lösung der bilateralen Konflikte vor einem EU-Beitritt und warb in diesem Zusammenhang darum, den Kompromiss im Namensstreit zwischen Mazedonien und Griechenland zu unterstützen. In Richtung der griechischen Konservativen, die diesen Kompromiss bekämpfen, sagte er, sie sollen diesen "vor dem Hintergrund der größeren Stabilität unterstützen, wenn auch nur stillschweigend".

"Herzstück" der Bemühungen sei eine Lösung des Kosovo-Konflikts, sagte Hahn. Er bekräftigte seine Position, dass man Belgrad und Prishtina auch über die Frage eines Gebietstausches verhandeln lassen solle. Die beiden Regierungen wüssten aber auch, dass die gefundene Lösung von der internationalen Gemeinschaft nur akzeptiert werden könne, wenn sie zu mehr Stabilität in der ganzen Region beitrage. "Es kann nicht sein, dass man eine bilaterale Lösung findet, die auf Kosten der anderen geht", meinte er in Anspielung auf Mazedonien oder Bosnien-Herzegowina.

Hahn wandte sich auch gegen Überlegungen, die Erweiterung bis zum Abschluss von inneren Reformen der Europäischen Union zu vertagen. Beide Prozesse müssten parallel laufen, weil sie mehrere Jahre in Anspruch nehmen werden, argumentierte Hahn. Konkret forderte er etwa die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips in außenpolitischen Fragen. "Ohne dem wird es nicht gehen. Da bitte ich um eure Unterstützung auf nationaler Ebene", sagte er in Richtung der EVP-Mandatare.

Nach Hahn wollte sich Casado an die Abgeordneten wenden, danach war auch noch eine Aussprache mit Brexit-Chefverhandler Michel Barnier geplant. Dieser wurde am Freitagnachmittag auch bei Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erwartet, ebenso wie der Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank (EIB), der finnische Ex-Premier Alexander Stubb. Barnier und Stubb werden als mögliche Gegenkandidaten zu Weber gehandelt. Die Bewerbungsfrist für die Spitzenkandidatur der EVP bei der Europawahl läuft noch bis Mitte Oktober, die Kür des Kandidaten soll Anfang November bei einem Kongress der Europäischen Volkspartei in Helsinki stattfinden.

(APA)

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