Neue Suche nach verschollenem U-Boot "San Juan"

Eine der letzten Aufnahmen der San Juan im Hafen von Ushuaia
Eine der letzten Aufnahmen der San Juan im Hafen von UshuaiaInfoBAE/Pinterest
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Im November 2017 verschwand das argentinische U-Boot mit 44 Insassen im Südatlantik. Es dürfte eine Explosion an Bord gegeben haben. Eine US-Firma soll den Meeresboden jetzt mit Unterwasserkameras absuchen.

Die Suche nach dem im Vorjahr im Südatlantik verschollenen argentinischen U-Boot ARA "San Juan" wird wieder aufgenommen. Die neue Suchaktion werde von der US-Firma Ocean Infinity übernommen, wie das Verteidigungsministerium in Buenos Aires am Donnerstag mitteilte. Deren Spezialschiff "Seabed Constructor" ist mit Sensoren und Unterwasserkameras ausgerüstet, die den Meeresboden bis in eine Tiefe von 6000 Metern absuchen können.

Im Erfolgsfall erhält das Unternehmen umgerechnet 6,4 Millionen Euro. Auf der Seabed Constructor, die in Kürze den Hafen von Comodoro Rivadavia in der Südregion Patagonien verlässt, werden auch Marinevertreter und Angehörige der 44 vermissten U-Bootfahrer mitfahren. Diese Suche sei vermutlich die letzte Möglichkeit, das Wrack zu finden, sagte Luis Tagliapietra, dessen Sohn an Bord der San Juan war.

Die San Juan, ein Anfang der 1980er in Deutschland rein für den Export gebautes Boot der "TR 1700" Klasse (in Argentinien: "Santa Cruz"-Klasse), ist seit Mitte November 2017 verschollen. Damals war sie auf Patrouille gegen fremde Fischereischiffe, die illegal in argentinischen Gewässern operierten. Sie hatte in Ushuaia (Feuerland) abgelegt, mit Kurs Nord die Falklandinseln (britische Besitzung) passiert und sich von einer Position etwa 600 Kilometer weiter im Norden bzw. rund 440 km vor der Küste Patagoniens auf Höhe des Golfs von San Jorge zum letzten Mal gemeldet. Damals gab man durch, es gebe ein Problem auf dem Boot, nämlich mit den Batterien, die Rede war auch von einem Kurzschluss.

Behörde in Wien "hört" Katastrophe mit

Am 17. November wurde eine argentinische Suchaktion ausgelöst, an der sich in Folge auch zivile und militärische Schiffe und Flugzeuge eines Dutzends anderer Staaten beteiligten, etwa aus Brasilien, Uruguay, Chile, Frankreich, den USA, Russland, Großbritannien, Norwegen. Die Zeit in dem stürmischen Meeresgebiet drängte, zumal die Besatzung des U-Bootes einen Luftvorrat für etwa eine Woche hatte.

Am 23. November gab die argentinische Marine bekannt, dass das Schiff wohl verloren sei: Schallsensoren der in Wien ansässigen Internationalen Atomteststoppbehörde CTBTO im Mittelatlantik sowie im südlichen Indischen Ozean, mit denen man eigentlich Geräusche heimlich durchgeführter Atomexplosionen aufspüren will, hatten eine mächtige Explosion vor der Küste Patagoniens im Meer vernommen - nur wenige Stunden nach dem letzten Funkkontakt mit dem Boot und ziemlich in der Nähe dessen letzter bekannter Position.

Als Ursache der Explosion wird heute vermutet, dass Meerwasser in größeren Mengen ins Boot eindrang, mit dem mehrere hundert Tonnen schweren Batteriesystem des dieselelektrischen Antriebs der San Juan in Kontakt kam und dabei gleichermaßen Chlorgas und Wasserstoff erzeugt wurde. Der Batteriestrom könnte auch auf den Metallrumpf durchgeschlagen und das Boot in eine riesige Batterie inklusive mächtiger Spannungsbögen im Inneren verwandelt haben. Schon dieser Großkurzschluss würde wie eine Explosion gewirkt und die Crew lahmgelegt haben. Jedenfalls würde das Chlorgas der Besatzung ebenfalls stark zugesetzt und der Anteil von Wasserstoff in der Luft irgendwann einen kritischen Punkt erreicht haben, sodass sich ein explosives Gemisch ergab - und bei Funkenbildung explodierte (Knallgasexplosion).

Knallgasexplosionen in U-Booten gab es immer wieder, wenngleich sie selten sind, nicht unbedingt das ganze Boot verwüsten müssen und U-Boot-Fahrer das Problem kennen und an sich zu beherrschen wissen.

Abgerutscht in die Tiefe?

Die Suche wurde großteils im Dezember 2017 beendet und letztlich Anfang 2018 aus Kostengründen ganz eingestellt, sehr zum Zorn der Angehörigen der 44 Seeleute und Offiziere. Das große Problem: Man konnte den Ort der Explosion sehr genau eingrenzen, und so zeigte sich, dass er ziemlich genau an oder schon östlich jener Kante war, von wo weg der mäßig tiefe patagonische Kontinentalschelf (bis etwa 200 oder 250 Meter, kein Problem an sich für ein U-Boot) steil in die Tiefsee abfällt, auf 3000 Meter, noch weiter östlich auf 5000 Meter und mehr.

Position des letzten Kontakts mit dem U-Boot am 15. November 2017; der Ort der Explosion war nur minimal weiter nördlich.
Position des letzten Kontakts mit dem U-Boot am 15. November 2017; der Ort der Explosion war nur minimal weiter nördlich.Roblespepe/CC BY-SA 4.0

Als herrschende Theorie gilt daher, dass das Boot unabhängig von der Auswirkung der Explosion (vielleicht blieb der Rumpf sogar intakt und lebten noch Besatzungsmitglieder) auf den Grund sank und dort den Kontinentalhang hinab weiter in die Tiefe rutschte.

Ocean Infinity war im Jänner bereits von Malaysia mit einer neuen Suche nach dem verschollenen Flug MH370 im südlichen Indischen Ozean beauftragt worden - sie blieb vergeblich. Die Boeing 777 der Malaysia Airlines war am 8. März 2014 auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking mit 239 Menschen an Bord vom Radar verschwunden. Trotz aufwändiger Suchaktionen blieb das Flugzeug bis heute unauffindbar.

(wg/AFP)

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