Sebastian Prödl wurde unter Franco Foda zum wichtigsten Mann in der Verteidigung, bei seinem Klub Watford allerdings ist er nur Ersatz. „Diese Situation ist auf Dauer nicht tragbar.“
Bad Waltersdorf/Wien. Der FC Watford ist so etwas wie das Team der Stunde in der englischen Premier League. In vier Spielen landeten der 14. der abgelaufenen Saison ebenso viele Siege, damit rangieren die Hornissen punktegleich hinter Liverpool und Chelsea auf Rang drei der Tabelle. Sebastian Prödl, ÖFB-Legionär bei Watford, kann dem Höhenflug seines Arbeitgebers allerdings nicht nur Positives abgewinnen. Der Verteidiger stand bei keinem der Spiele auf dem Rasen, zuletzt musste er beim Sieg über Tottenham sogar auf der Tribüne Platz nehmen.
Prödls einziger Pflichtspieleinsatz im Sommer war der Auftritt beim Liga-Cup-Erfolg gegen Reading. In der Meisterschaft dürfte die Aussicht auf baldige Spielpraxis nicht allzu gut sein, was wiederum seinen Platz im Nationalteam gefährdet. „Ich bin in der Lage, das Wochen oder auch Monate zu kompensieren. Aber auf Dauer ist so eine Situation persönlich nicht tragbar für die Nationalmannschaft“, erklärte der Steirer am Sonntag im ÖFB-Camp in Bad Waltersdorf. In Watford ist Prödl einer von sechs Innenverteidigern im Kader, „alle haben die Qualität zu spielen.“ Gewinnt eine Mannschaft, werden in der Regel keine Veränderungen vorgenommen, insofern muss davon ausgegangen werden, dass Coach Javi García im Abwehrzentrum weiterhin dem Duo Craig Cathcart/Christian Kabasele vertraut – zum Leidwesen Prödls. „Natürlich kann so etwas zu einer Beeinträchtigung bei der Nationalmannschaft führen“, weiß der Steirer um seine Position.
Wechselgedanken
Unter Teamchef Franco Foda stieg der 31-Jährige zum ÖFB-Abwehrchef auf, und diesen Status möchte er keinesfalls verlieren. „Mein nächstes großes Ziel ist die Qualifikation für die EM, dem werde ich einiges unterordnen. Wenn sich die Situation nicht verbessert, muss ich mir etwas überlegen.“ Das bedeute aber nicht, dass er schon einen Transfer in der Winter-Transferzeit anstrebe, betonte Prödl. „Es werden Verletzungen und Sperren kommen, und wenn ich dann derjenige bin, der spielt und wir haben so einen Run, dann kann sich das schnell ändern. Doch wenn Verletzungen kommen und ich spiele dann trotzdem nicht, muss man sich etwas überlegen.“
Seine Degradierung bei Watford führt der 70-fache Internationale auch auf eine Lebensmittelvergiftung im Mai zurück. In seiner Abwesenheit nutzte die Konkurrenz ihre Chance. „Wenn ich damals nicht krank geworden wäre, wäre ich vielleicht nicht rausrotiert worden“, vermutete Prödl und ergänzte: „Ich kann mich an kein schlechtes Spiel von mir im Jahr 2018 erinnern, weder im Klub noch im Team.“ In der ÖFB-Elf war der Abwehrspieler zuletzt immer gesetzt, doch auch hier ist die Konkurrenz groß. „Keiner von uns weiß, ob er am Dienstag gegen Bosnien spielt, oder ob wir Dreier- oder Viererkette spielen.“ Dadurch halte Foda die Spannung hoch, was für die Spieler einen Leistungsanreiz bedeute, so Prödl.
Der England-Legionär und seine Kollegen bekamen am Sonntagvormittag eine Analyse des 2:1-Auswärtssieges der Bosnier gegen Nordirland präsentiert. „Wir haben von ihnen ein anderes Spiel erwartet. Nordirland hatte viel Ballbesitz und Chancen, aber die Bosnier sind durch individuelle Klasse und Fehler der Nordiren zum Sieg gekommen.“
Fodas Abwehrwerk
Dadurch könnte die Auswahl des Balkan-Staates mit einem Erfolg über Österreich in der Gruppe davonziehen. „Doch Endspielcharakter hat das Spiel nicht“, beteuerte Prödl. Ziel sei es, in Zenica drei Punkte einzufahren und nun auch erstmals in einem Bewerbspiel unter Foda seine Qualitäten zu zeigen. Um das zu erreichen, muss Stürmerstar Edin Džeko in Schach gehalten werden. „Er ist der entscheidende Faktor bei den Bosniern. Er beherrscht den Abschluss mit links und rechts, kann in die Tiefe gehen, Tore vorbereiten und ist sehr schwer zu verteidigen“, weiß Prödl.
Allerdings wusste die ÖFB-Auswahl zuletzt in der Abwehr zu überzeugen – von den sechs Testspielen in diesem Jahr endeten vier ohne Gegentor. „Der Trainer ist auch dadurch, dass er selbst Verteidiger war, darauf bedacht, dass wir eine sehr kontrollierte Defensive haben.“ (red./ag.)
AUF EINEN BLICK
Österreich startet am Dienstag (20.45 Uhr, live in ORF 1) mit dem Auswärtsspiel in Bosnien-Herzegowina in die von der Uefa neu geschaffene Nations League.
Die Bosnier konnten ihr erstes Spiel in Nordirland Samstagabend mit 2:1 gewinnen, die Tore der Gäste erzielten Duljevic (36.) und Saric (64.).
Für die ÖFB-Elf ist es das erste Pflichtspiel unter Teamchef Franco Foda. Von den bisherigen sieben Testspielen konnten sechs gewonnen werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2018)