Warum nicht ein wenig verbindlicher?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Was von den bisherigen Plänen zum Standort-Entwicklungsgesetz erhaltenswert ist.

Wien. Nachdem das sogenannte Standort-Entwicklungsgesetz von einem Proteststurm in der Begutachtung zerzaust worden ist und der Entwurf nun, wie es heißt, grundlegend überarbeitet wird, ist es an der Zeit zu fragen: Welche Neuerungen wären sinnvoll?

Das Gesetz will nur das bewirken, was in der heutigen Gesellschaft schon fast generationsdefinierend ist: Schnelligkeit, in diesem Fall bei der Genehmigung von wichtigen Infrastrukturvorhaben. Diesem Ziel dienen einige Punkte im Entwurf, die durchaus erhaltenswert erscheinen.
•„Besonders wichtige“ Projekte sollen eruiert und als solche erkannt werden – das ist freilich nichts Neues für all jene, die die TEN-E-Verordnung der EU (über transeuropäische Energieinfrastruktur) kennen; dort gibt es ein ähnliches Prozedere bereits seit über fünf Jahren; das ist begrüßenswert und sollte sich so auch in einem überarbeiteten Gesetzesentwurf wiederfinden lassen.
•Das UVP-Ermittlungsverfahren soll geschlossen werden können und die Behörden sollen verpflichtet werden, nach diesem Schließen innerhalb von acht Wochen einen Bescheid zu erlassen – als Verwaltungsrechtler ist man versucht zu sagen: Endlich. Nach der mündlichen Verhandlung eingebrachte Stellungnahmen erschöpfen sich so gut wie immer in der Wiederholung bereits vorgetragener Behauptungen. Die ursprünglich vorgeschlagene Bestimmung würde natürlich den Druck auf die Verfahrensparteien zu einer guten Vorbereitung auf diese Verhandlung erhöhen. Aber auch das ist wünschenswert und strukturell nichts Neues: Gerade die Verwaltungsverfahrensreform 1998 hat mit der Schaffung des Großverfahrens und der Präklusion darauf abgezielt, zu einem möglichst frühen, idealerweise vor der mündlichen Verhandlung liegenden Zeitpunkt für die behördliche Behandlung den gesamten Prozessstoff vorliegen zu haben; auch das ist gut und sollte weiterverfolgt werden.
•Das Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) soll verschlankt werden. Warum auch nicht? Wir leisten uns im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Unterschied zum Zivilprozess den Luxus, das gesamte Administrativverfahren zu wiederholen, statt eine „Prozessstoffpyramide“ zu schaffen, wo tatsächlich nur mehr die im Rechtsmittel aufgegriffenen Teile gerichtlich überprüft werden. Freilich wird hier – so fair muss man bleiben – im Licht der Grundrechte und auch der Aarhus-Konvention der ursprüngliche Entwurf nachgebessert werden müssen. Das geschieht ja jetzt offensichtlich. Ein im Sinn der Verfahrensökonomie lobenswerter Ansatz ist es allemal.

Ein Jahr bis Entscheidungsreife

Allesamt sind das begrüßenswerte Aspekte. Der größte Aufreger, der mit den Schlagworten „grundrechtswidrig“, „unionsrechtlich bedenklich“, „kompetenzrechtswidrig“ oder schlicht „verfassungswidrig“ kommentiert wurde, ist § 11 Abs 3 des Entwurfs. Er wurde verkürzt als „ex-lege-Genehmigung“ beschrieben. Hier lohnt ein näherer Blick auf die vorgeschlagene Regelung: Sofern der Genehmigungsantrag eines standortrelevanten Vorhabens nicht binnen eines Jahres zurück- oder abgewiesen wurde, „ist (1.) das diesbezügliche Verfahren gemäß dem UVP-G 2000 zur Entscheidung reif, (2.) das Ermittlungsverfahren geschlossen, und (3.) das standortrelevante Vorhaben gemäß dem UVP-G 2000 genehmigt“.

Rein gar nichts spricht gegen die Annahme, dass ein Verfahren nach einem Jahr Prüfung durch die Behörde entscheidungsreif sein sollte, wenn in diesem Jahr keine Zurück- oder Abweisung erfolgt ist. Sollte ein Vorhaben nicht genehmigungsfähig sein, muss das innerhalb eines Jahres für eine Behörde erkennbar sein. Und die Option einer Zurück- oder Abweisung eines Genehmigungsantrages schließt der Entwurf nicht aus (was in der öffentlichen Diskussion bislang kaum eine Würdigung erfahren hat).

Klar, die Fiktion, dass ein Vorhaben nach einem Jahr als genehmigt zu gelten hat, wird so stark verkürzt nicht EU-konform durchzusetzen sein; ziemlich sicher steht das Unionsrecht einer verschärften Entscheidungspflicht aber nicht entgegen. Verfassungskonform ausgestalten könnte man das mit einigen Nachbesserungen: Dem öffentlichen Recht liegt das Konzept zugrunde, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen ein durchsetzbarer Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung besteht. Wenn daher nach einem Jahr nicht Gründe für eine Zurück- oder Abweisung zu Tage getreten sind, warum dann nicht den Rechtsrahmen ein wenig verbindlicher gestalten?

An Langsamkeit gewöhnt

Weshalb also die Widerstände? Vielleicht liegt es schlicht daran, dass sich der typische Rechtsanwender in Österreich längst daran gewöhnt hat, dass alles einfach lang dauert. Wenn die UVP-Dokumentation des Umweltbundesamts ausweist, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer bei 13 Monaten liegt, bei (typischerweise infrastrukturell relevanten) Trassenvorhaben aber schon ca. 20 Monate beträgt, wird das Dilemma schon offensichtlicher. Dazu kommen die Ausreißer nach oben und unten: Auch zehn Jahre Verfahrensdauer und mehr kommen vor. Aus Sicht von Verfahrensparteien (auf welcher Seite immer) ist das teilweise nur mehr schwer verständlich.

Wenn nun aber zarte Triebe einer Pflanze ersichtlich sind, die diesem Zustand entgegenzuwachsen versuchen, und man gleich mit schweren Bergschuhen draufsteigt, um nur ja sicherzugehen, dass das Pflänzchen keine Blüten treiben kann, nimmt man dem hehren Ansatz von vornherein die Chance, eine Verbesserung zu bewirken. Zurechtstutzen kann man eine Pflanze ja bekanntlich auch dann noch, wenn sie ein Stück weit gewachsen ist.


Dr. Peter Sander ist Partner der Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2018)

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