Nur wenige Stimmen trennt den rot-grünen vom liberal-konservativen Block nach der schwedischen Parlamentswahl. Beide Allianzen verfehlten die Mehrheit, beide schließen die Schwedendemokraten aus.
Nach der Wahl in Schweden wird voraussichtlich noch lange offenbleiben, wer das Land künftig regieren kann. Die beiden traditionellen Blöcke, Rot-Grün und Liberal-Konservative, liegen nach dem am Montag veröffentlichten vorläufigen Ergebnis Kopf an Kopf. Der Wahlerfolg der rechtspopulistischen Schwedendemokraten macht zudem selbst die Bildung einer klassischen Minderheitsregierung schwer.
Die Sozialdemokraten kündigten an, nach dem Patt eine Regierung führen zu wollen, die über die traditionellen Blockgrenzen hinausgeht. "Mit welchen Parteien wir sprechen, werden wir versuchen, für uns zu behalten", sagte Fraktionschef Anders Ygeman. Einzig Gespräche mit den Rechtspopulisten schloss er aus.
Klar sei, dass die Sozialdemokraten als größte Partei das Recht für sich beanspruchten, den Ministerpräsidenten zu stellen, sagte Ygeman. "Das ist der natürliche Ausgangspunkt für die Diskussion.
Löfven weist Rücktrittsaufforderungen zurück
Der Chef der größten Oppositionspartei, der konservativen Moderaten, reagierte auf Instagram: "Die Allianz wird sich gemeinsam darum bemühen, das Mandat für die Regierungsbildung zu erhalten", erklärte Ulf Kristersson. Die "Allianz" ist das liberal-konservative Vier-Parteien-Bündnis. Die Partner forderten den sozialdemokratischen Regierungschef Stefan Löfven stattdessen zum Rücktritt auf. Löfven wies das zurück, obwohl seine Partei das schlechteste Wahlergebnis in mehr als 100 Jahren einfuhr.

Beide "große" Parteien schrumpften: Die Sozialdemokraten verloren fast drei Prozentpunkte auf 28,4 Prozent. Die Moderaten mussten sogar noch mehr einstecken und landeten mit einem Minus von 3,4 Punkten bei nur noch 19,8 Prozent. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten dagegen fuhren das beste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Sie wurden zwar wie 2014 nur drittstärkste Kraft, gewannen aber 4,7 Punkte auf 17,6 Prozent hinzu und könnten im neuen Reichstag eine mächtige Stellung einnehmen.
Denn keiner der beiden traditionellen Parteiblöcke kann alleine stabil regieren. Sie trennen nur ein Mandat und 0,3 Prozentpunkte. Nun könnten sogar Briefwahlstimmen aus dem Ausland entscheiden, wer am Ende die Nase vorn hat. Sie werden noch bis Mittwoch ausgezählt. Nach Experteneinschätzung kommen zwischen 50.000 und 60.000 Stimmen zusammen - deutlich mehr als die 28.000, die die Blöcke derzeit trennen.
Bisher hat das rot-grüne Lager mit Sozialdemokraten, Grünen und der sozialistischen Linkspartei hauchdünn die Nase vorn. Die Grünen nahmen dabei mit 4,3 Prozent (minus 2,4 Punkte) nur knapp die Vier-Prozent-Hürde. Die Linkspartei dagegen gewann 2,2 Punkte auf 7,9 Prozent.
Im Vier-Parteien-Lager der liberal-konservativen "Allianz" gewann die liberale Zentrumspartei 2,5 Punkte und landete bei vorläufig 8,6 Prozent. Sie konnte damit ihr Gewicht gegen die Moderaten stärken. Die Wahlbeteiligung stieg um 1,1 Prozentpunkte auf 84,4 Prozent.
Wie wird mit den Schwedendemokraten umgegangen?
Nun stellt sich die Frage, wie die klassischen Parteien mit den Schwedendemokraten umgehen. Die zählen zwar klar zu den Wahlsiegern, enttäuschten aber dennoch die Erwartungen: Umfrageinstitute hatten sie vor der Wahl mindestens als zweitstärkste Kraft gesehen, teils wurden ihnen mehr als 20 Prozent vorhergesagt.
Die Partei findet wegen der jüngsten Einwanderungswelle Zulauf. Schweden mit seinen rund zehn Millionen Einwohnern hat 2015 rund 160.000 Asylsuchende aufgenommen. Pro Kopf der Bevölkerung sind das mehr als in jedem anderen europäischen Land. Viele Wähler kritisieren zudem eine Zunahme von Banden-Kriminalität in Gegenden mit hoher Arbeitslosigkeit. Auch wächst die Sorgen um die soziale Stabilität in einem Land, das lange als Musterbeispiel für Integration und Zusammenhalt galt.
Nicht zuletzt deshalb dürfte der Rechtsruck in Schweden die Politik in Brüssel aufhorchen lassen. Im Mai stehen Europa-Wahlen an, die europaskeptischen Gruppen ein größeres Gewicht geben und damit die Bemühungen um eine stärkere Integration der EU erschweren könnten.
Gratulationen von rechten Parteien Europas
Rechtspopulistische Parteien in ganz Europa zeigten sich erfreut über das Ergebnis der Schwedendemokraten. Das Ergebnis zeige einmal mehr, dass "Parteien, die glauben, die aus Massenzuwanderung resultierenden Probleme ignorieren oder schönreden zu können", vom Wähler "abgestraft" würden, teilte FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky mit. "Glückwunsch an die #Schwedendemokraten! Widerstand gg. Merkels Politik der Grenzöffnung wächst!++ (...) Die Altparteien wurden auch in #Schweden abgestraft", twitterte die Ko-Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag, Alice Weidel. Lega-Chef Matteo Salvini sah in dem Votum ein "(N)ein zu diesem Europa der Bürokraten und Spekulanten, nein zu den Illegalen, nein zum islamischen Extremismus".
Eine Koalition oder auch nur Zusammenarbeit mit den Schwedendemokratien schließen die großen Parteien in Schweden bisher aus. Eine stabile Regierung können sie dann aber nur bilden, wenn sich die traditionellen Blöcke auflösen und zusammenarbeiten. Ygeman sagte allerdings, er halte es für völlig ausgeschlossen, dass die Sozialdemokraten eine bürgerliche Minderheitsregierung stützen und dulden könnten. Den Auftrag zur Regierungsbildung vergeben am 24. September Reichstag und Reichstagspräsident. Bis dahin wird sondiert.
(APA/dpa/Reuters)