Kneissl zu Fall Zirngast: „Wir werden ihn nicht alleine lassen"

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Außenministerin Karin Kneissl hofft auf baldigen Kontakt mit festgenommenen Journalisten. Die Botschafterin in Ankara konnte ihn noch nicht besuchen.

Istanbul/Wien. Der Fall des Österreichers Max Zirngast, der in der Türkei bei Ermittlungen gegen eine verbotene linksextreme Partei mit Verbindungen zu kurdischen Separatisten in Syrien festgenommen worden ist, beschäftigt die Justiz in Ankara und die Diplomatie in Wien. Wie Zirngasts Anwalt Teoman Özkan der „Presse“ sagte, werde Zirngast in der Polizeizentrale in Ankara von der türkischen Anti-Terror-Polizei festgehalten und verhört.

Für eine erste leichte Verstimmung sorgte eine Maßnahme der türkischen Behörden. Laut Özkan lehnten sie einen Haftbesuch Ulrike Tillys, der österreichischen Botschafterin in der Türkei, bei dem Studenten und freien Journalisten ab. Außenministerin Karin Kneissl kündigte an, dass die Diplomatin so bald als möglich in direkten Kontakt zu ihm treten werde. Via Twitter sagte sie Zirngast jedwede Unterstützung zu: „Wir werden ihn nicht alleine lassen und darauf drängen, dass ihm alle rechtsstaatlichen Mitteln zur Verfügung stehen.“

Der Anwalt selbst hatte in der auf vier Tage befristeten Polizeihaft derweil direkten Zugang zu seinem Mandanten. Spätestens am Samstag soll Zirngast von der Staatsanwaltschaft vernommen werden. Anschließend wird ein Gericht entscheiden, ob Zirngast in Untersuchungshaft kommt. Auch eine Freilassung oder eine Abschiebung nach Österreich sei möglich.

Ableger der Kommunisten

Zirngast, gemäß Özkan Anfang 30, hat vor Kurzem ein Philosophiestudium an der Technischen Universität des Nahen Ostens in Ankara abgeschlossen und wollte in der Türkei bleiben. Zirngast schrieb für verschiedene Publikationen, verfügte aber über keine offizielle Akkreditierung als Journalist.

Die Anti-Terror-Polizei hatte am Dienstag früh bei Ermittlungen gegen die verbotene Linksgruppe TKP/Kivilcim Zirngast in dessen Wohnung festgenommen und seinen Laptop sichergestellt. Auch drei türkische Staatsbürger gingen ihr dabei ins Netz. Die Gruppe, ein Ableger der Kommunisten, gilt in der Türkei als Terrororganisation. Sie hatte sich mit dem Kampf der Kurdengruppe YPG im Norden Syriens solidarisiert; die YPG ist der syrische Ableger der terroristischen Kurdenorganisation PKK. Zirngast soll sich im Wahlkampf überdies für die legale Kurdenpartei HDP engagiert haben.

Die Vorwürfe gegen ihn blieben vorläufig unklar, weil die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft derzeit unter Verschluss sind. Offenbar geht es laut seinem Anwalt um die Mitarbeit des Österreichers bei der Publikation einer linken Gruppe namens Toplumsal Özgürlük Parti Girisimi (Initiative zur Gründung der Partei der Sozialen Freiheit).

Derzeit „Konsularfall“

In Wien waren die Spitzen der Regierung am Rande des Ministerrats mit dem Fall Zirngast befasst – laut Kneissl momentan lediglich ein „Konsularfall“. Die Linie war klar: Die türkischen Behörden sollten umgehend Gründe für die Verhaftung vorlegen oder ihn freilassen, wie auch Bundeskanzler Sebastian Kurz betonte. Zirngast schreibt unter anderem für das laut Eigendefinition linksradikale Politik-Analyse-Bewegungsmagazin „re:volt“.

Eine Belastung der bilateralen Beziehungen – wie dies in mehreren Fällen deutsch-türkischer Journalisten der Fall war – wollte die Außenministerin derzeit nicht erkennen. Sie sehe gegenwärtig keine Notwendigkeit, in der Causa Kontakt zum türkischen Außenminister Mevlüt Cavuşoğlu aufzunehmen, zu dem Kneissl einen guten Draht hat. An die Adresse Ankaras sagte sie indessen: „Meinungs- und Pressefreiheit sind Grundrechte und Pfeiler der internationalen Ordnung.“
Die Staatsgeschäfte erforderten es derweil, dass sich Kneissls Gast aus Katar ein wenig gedulden musste – Scheich Mohammed bin Abdulrahman al Thani, Vizepremier und Außenminister auf Wien-Visite.

("Die Presse-Schaufenster", Print-Ausgabe, 13.09.2018)

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