Pop

In Electropolis: Die Frau, die in ihren Liedern neu wird

„Ich will in meinen Liedern verschwinden“, sagt Sophie Hunger. In Wien spielt(e) sie an drei Orten: Grelle Forelle, Arena, Porgy & Bess.
„Ich will in meinen Liedern verschwinden“, sagt Sophie Hunger. In Wien spielt(e) sie an drei Orten: Grelle Forelle, Arena, Porgy & Bess.(c) MARIKEL LAHANA
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Sophie Hunger startete ihr dreitägiges Wien-Gastspiel in der Grellen Forelle: schräg, eigensinnig und doch immer wieder melodiös.

Damit war zu rechnen gewesen: Live hielt sich Sophie Hunger nicht völlig an das kühle Sounddesign, das ihr neues Album „Molecules“ prägt. Sensible Saxofonriffs und zart fluktuierende Melodien aus einem Flügelhorn erwärmten das imaginäre Electropolis, das sie zuletzt entworfen hat. Rüde Synthesizerklänge gab es dennoch genug.

Sophie Hungers störrische Lieder funktionieren in jedem Soundkleid. Es ist die Persönlichkeit der Sängerin, die sie trägt. Mit „She Makes President“, einer Hymne weiblicher Selbstermächtigung, eröffnete sie ihr Gastspiel in der Grellen Forelle. Die Schweizerin tritt bei dieser Tournee in jeder Stadt an drei Abenden an unterschiedlichen Spielorten auf. Ein Wagnis. Aber Hunger hat Fans, die wohl auch mehrmals kommen wollen. Wenn sich diese allerdings allzu distanzlos Lieder wünschen, setzt es eine Erziehungseinheit: „Man kann nicht jeden Tag Eis essen, das ist das Problem“, mit diesem barschen Satz wies sie derlei Ansinnen recht früh ab. Zum Trost schenkte sie uns sogleich das bittersüße „There Is Still Pain Left“. Die Flageolettklänge ihrer Gitarre dimmten die aufgekratzte Stimmung, machten Platz für Hungers eigentümliche Balladenintonation. Sie singt ihre Lieder ja nicht simpel nach, sondern verändert sie nach Lust und Laune, verlangt ihnen stets Neues ab. „Ich will in meinen Liedern verschwinden und neu werden“, erklärte sie einmal der „Presse“.

Superbes Vorprogramm: Yukno

Aus ihrem regulären Menschsein hinaustreten, das wollten auch die Burschen von Yukno, die im Vorprogramm ein superbes Set ablieferten. „Ich bin ein Tier, ist mir gleich, das ich den Verstand verlier'“, formulierte der Sänger dieser Grazer Wunderband in „Hund“. Sanfte Bässe verführten zum Grooven, obwohl das Gesungene konsequent Düsteres verströmte.

Zur deutschen Sprache wechselte auch Hunger, die sonst ja Englisch und Französisch (diesmal nur „Coucou“) singt, zuweilen. Ihr das Alleinsein lobendes Lied „Walzer für Niemand“ wurde schon nach wenig Noten mit Jubel bedacht. „Spaghetti und Spinat“, in dem es um die diffizile Dialektik zwischen charismatischen und unauffälligen Menschen geht, wurde zum strahlenden Highlight. Beinah triumphal sang Hunger ihren imaginären Hübschling an: „Aber wenn du alleine bist, in der Stille nur mit dir, da drehst du durch, das kannst du nicht. Darum brauchst du mich, wie der Eiffelturm den Stahl.“ Von besonderer Delikatesse waren „Heicho“ und „Z'Lied vor Freiheitsstatue“, bei denen sie ihre eigentümlichen Sprachbilder auf Schwyzerdütsch vortrug. Schmerzlich war bloß, dass Hunger ausgerechnet in Wien, der Geburtsstadt von Romy Schneider, deren Lied „Chanson d'Helene“ zu singen vergaß. Aber vielleicht tut sie das ja noch heute, Donnerstag, im Porgy & Bess.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2018)

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