Regierung plant Ablöse von Hauptverbands-Chef Biach - kommt Mahrer?

SOZIALVERSICHERUNGSGIPFEL: BIACH/MAHRER
SOZIALVERSICHERUNGSGIPFEL: BIACH/MAHRERAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Der künftige Dachverband soll abwechselnd von Obleuten der neuen fünf Sozialversicherungsträger geführt werden. WK-Chef Harald Mahrer könnte so ein weiteres Amt übernehmen.

Die Bundesregierung plant im Zuge der Sozialversicherungsreform die Ablöse von Hauptverbands-Chef Alexander Biach. Dies geht aus einem Gesetzesentwurf des Sozialministeriums hervor. Der Hauptverband wird demnach de facto aufgelöst und zu einem Dachverband umgebaut, der nur mehr koordinierende Aufgaben für die Sozialversicherungen übernehmen soll.

Offiziell informieren will die Regierungsspitze die Bevölkerung am Freitagvormittag über ihre Pläne zur Sozialversicherungszusammenlegung. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) und ÖVP-Klubobmann August Wöginger werden vor die Presse treten.

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Den Vorsitz im Dachverband üben in der neuen Struktur laut den türkis-blauen Plänen die Obmänner beziehungsweise Obfrauen der künftig von 21 auf fünf reduzierten Sozialversicherungsträger aus. Das sind die Österreichische Gesundheitskasse, die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, die Pensionsversicherungsanstalt, die Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen sowie die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau. Ab 1. Jänner 2020 sollen die Obleute der fünf Träger den Vorsitz im Dachverband abwechselnd jeweils für ein Jahr übernehmen.

Mahrer könnte Dachverbandschef werden

Wirtschaftskammerchef Harald Mahrer (ÖVP), der auch Obmann der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft ist, könnte so im Rotationsprinzip künftig auch über den Dachverband herrschen und ein weiteres Amt übernehmen, falls er nach den geplanten Zusammenlegungen Obmann der Sozialversicherung der Selbstständigen bleibt. (Anm. d. Red.: Mahrer kündigte mittlerweile an, sich nach der Zusammenlegung als SVA-Obmann zurückzuziehen. Mehr dazu finden Sie hier.)

Der aus der schwarzen Wiener Wirtschaftskammer kommende Hauptverbandschef Biach muss hingegen seinen Platz räumen. Biach führt den Hauptverband seit Mai 2017, trieb dort die Leistungsharmonisierung voran und gilt als versierter Fachmann mit guten Kontakten zu allen Sozialpartnern und zur Ärztekammer. Die FPÖ warf Biach in den vergangenen Wochen im Zusammenhang mit den Regierungsvorhaben Panikmache und eine Torpedierung der Pläne vor.

Mit Biach soll auch der rote Hauptverbands-Generaldirektor Josef Probst gehen. Im "Kurier" erklärte der steirische Gesundheitslandesrat Christopher Drexler (ÖVP) dazu, dass es im Hauptverband nur mehr einen "Büroleiter" und keinen Generaldirektor mehr geben wird. Probst werde in Pension gehen. Der Vertrag des Generaldirektors läuft eigentlich noch bis März 2021. Im Zuge der von der Regierung angepeilten Abschlankung des Hauptverbands sollen auch Abteilungen und die dazugehörigen Mitarbeiter - etwa Medikamenteneinkauf, IT oder Statistik - aus dem Hauptverband zu einem der neuen Sozialversicherungsträger wechseln.

Ein Rotationsprinzip sieht die Regierung laut den ersten Entwürfen übrigens nicht nur im Dachverband vor, sondern auch bei Krankenkassen und Pensionsversicherung. Obmann beziehungsweise Obfrau der Gesundheitskasse, die aus den fusionierten Gebietskrankenkassen entsteht, sowie die Spitze der Pensionsversicherungsanstalt sollen jeweils für sechs Monate gewählt werden. Im Verwaltungsrat reicht dafür eine einfache Mehrheit. Laut Sozialversicherungsexperten dürfte die neue Struktur durchwegs Mehrheiten für die Regierungsparteien bringen. Aus Arbeitnehmerkreisen wurde ÖVP und FPÖ deshalb zuletzt vorgeworfen, dass es den Koalitionsparteien vor allem um eine Entmachtung der Arbeitnehmer und Gewerkschaften gehe.

Für Donnerstagabend war noch eine Gesprächsrunde der Regierung mit Sozialpartnervertretern angesetzt. Die Ärztekammer (ÖÄK) äußerte unterdessen "Unverständnis" über die geplante Ablöse von Biach. "Es ist sehr bedauerlich, dass man einen ausgewiesenen Experten und Kenner des Gesundheitswesens wie Alexander Biach nicht mit einer Führungsaufgabe betraut", sagte ÖÄK-Präsident Thomas Szekeres. Die Zusammenarbeit mit der Ärztekammer sei "äußerst konstruktiv" gewesen, man hätte "wichtige Projekte gemeinsam umgesetzt und einige andere befänden sich gerade in der Pipeline". Man hätte mit Biach nicht immer einer Meinung sein müssen, denn die gute Gesprächsbasis und seine fachliche Kompetenz hätten immer zu einer für alle Seiten tragbaren Lösung geführt, meinte Szekeres.

Keine Gespräche mit roten Ländern?

Die Pläne der Bundesregierung stoßen auf Kritik bei roten Ländervertretern. Die Gesundheitslandesräte von Kärnten, Burgenland, Wien und Niederösterreich, Beate Prettner, Norbert Darabos, Peter Hacker und Ulrike Königsberger-Ludwig äußerten am Donnerstag Verwunderung, dass die geplanten Strukturänderungen mit den Ländern bereits akkordiert sein sollen.

"Mit uns hat niemand gesprochen. Es hat weder Gespräche, noch Kontaktversuche oder Einladungen, noch bereitgestellte Unterlagen zum Thema Sozialversicherung vonseiten der Bundesregierung gegeben", erklärten die SPÖ-Landesräte in einer gemeinsamen Aussendung. Möglicherweise sei diese Vorgangsweise der Versuch einer Neudefinition des Begriffs "Bund-Länder-Vereinbarung", wenn Deals nur noch im Kreise der schwarzen Landesräte mit der Ministerin "gepackelt" werden. "Die Gespräche zur Sozialversicherung sind aus unserer Sicht keineswegs erfolgreich abgeschlossen, sie haben noch gar nicht begonnen. Jedenfalls ist es für die schwarz-blaue Regierung zu früh eine vermeintliche Reform der Sozialversicherung zu feiern."

Ein ähnliches Vorgehen hatte Türkis-Blau schon bei der 15a-Vereinbarung zur Kinderbetreuung gewählt. Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) hatte Details dazu zunächst nur mit schwarzen Bundesländern verhandelt - erst wesentlich später traf sie die roten Ländervertreter.

Schwarz-rote Kritik aus dem Westen: "Machtverschiebung zugunsten der ÖVP"

Der schwarze Tiroler Arbeiterkammer-Chef, Erwin Zangerl, hat in der Strukturreform der Sozialversicherungen einen "Anschlag auf die Bundesländer" geortet. Er bezeichnete die Pläne aus dem Sozialministerium als "völlig unausgegoren und unrealistisch". Zudem würden die Arbeitnehmervertretungen und die Versicherten durch die Reform geschwächt werden.

"Seit Monaten werden die betroffenen Gesundheitslandesräte und die Sozialpartner mit Überschriften abgespeist, ohne dass in dieser Zeit irgendwann einmal durchdachte Pläne auf den Tisch gelegt worden wären", kritisierte Zangerl am Donnerstag in einer Aussendung. Es sei das völlig falsche Rezept, gut funktionierende Gebietskrankenkassen zu zerschlagen. "Entgegen allen Beteuerungen der Regierung werden die geplante Umstrukturierung und die angekündigten Einsparungen nicht ohne Leistungskürzungen möglich sein", meinte Zangerl.

Kritik kam auch vom Tiroler ÖGB und der SPÖ. "Hinter Überschriften, Phrasen, fragwürdigen Zahlenspielen und netten Grafiken verstecken Kurz und Co. den einzig wahren Grund ihrer Kassenreform: Eine Machtverschiebung zugunsten der ÖVP und ihrer Klientel, der Konzerne und Unternehmen", meinte Elisabeth Blanik, Vorsitzende der SPÖ Tirol.

Sorge in Oberösterreich über "größte Enteignung der Geschichte"

Der oberösterreichische Arbeiterkammer-Präsident Johann Kalliauer und der Obmann der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse (OÖGKK) Albert Maringer sehen in der geplanten Strukturreform der Sozialversicherungen "die größte Enteignung in der Geschichte Österreichs". Die wahren Eigentümer - 8,7 Millionen Versicherte - "sollen damit ausgeschaltet werden", so die Befürchtung.

Die Selbstverwaltung sei "an Effizienz kaum zu übertreffen", erklärten Kalliauer und Maringer in einer Pressekonferenz am Donnerstag in Linz. Wie die Regierung das Einsparungsziel von einer Milliarde Euro erreichen wolle, "ist bisher nicht durchgedrungen". Der Regierung gehe es offenbar gar nicht ums Sparen, sondern um politische Kontrolle, kritisierten sie. "Bei der geplanten Umstrukturierung ist bisher nur ein Bestreben erkennbar - eine Machtverschiebung zulasten der Arbeitnehmerseite, also der Versicherten, hin zur Wirtschaft", sagte Kalliauer. Denn künftig sollen sich die Gremien je zur Hälfte aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern zusammensetzen.

Für die OÖGKK würde die Reform bedeuten, dass Geld aus Oberösterreich abfließe, betonte Maringer. Zudem werden seiner Ansicht nach die geplante Umstrukturierung und die angekündigten Einsparungen nicht ohne Leistungskürzungen möglich sein. Vielmehr werde die Zentralisierung zu einer Verteuerung und zu mehr bürokratischem Aufwand führen. Er und Kalliauer forderten die Bundesregierung auf, nicht "mit einem Federstrich ein jahrzehntelanges Erfolgsmodell" in seinen Grundfesten zu erschüttern, sondern gemeinsam Überlegungen anzustellen, wie man das Gesundheitssystem verbessern könne.

(APA)

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