Kulturtrip: Malta und die Kunst, kleinen Raum aufzuladen

In der Altstadt von Valetta
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7000 Jahre Geschichte verdichten sich auf Malta dank antiker Tempelanlagen, ritterlicher Zitadellen, reicher Kathedralen. Trotzdem fehlen weder mediterraner Lifestyle noch Nachtleben in der EU-Kulturhauptstadt-Destination.

Stonehenge ist vielen ein Begriff, doch Hagar Qim? Dabei ebenso spektakulär, wesentlich älter, weitaus aufschlussreicher. Der prähistorische Tempel gehört zu den ältesten frei stehenden Bauten der Welt, seine Entstehungszeit liegt lang vor dem des englischen Pendants. Bereits 5000 v. Chr. erreichten erste Siedler die maltesischen Inseln. Es entwickelte sich eine bemerkenswerte Zivilisation, die architektonische Meisterleistungen wie diesen Megalith-Tempel hervorbrachten. Warum sind die Steinbauten auf Malta aufschlussreich? Hagar Qim heißt „stehende Steine“, in Anspielung auf einige sehr große Megalithen auf dem Gelände: Der größte misst über sechs Meter, wiegt 20 Tonnen, die runden Ausbuchtungen im relativ weichen Kalk legen einen Transport über kugelgeformte Steine nahe. Zudem lassen Opfertische mit Blutabfluss sowie Anhängevorrichtungen für Tiere auf ein bedeutendes Kultzentrum schließen.

An vielen Orten auf Malta wurden weibliche Idole gefunden, Statuen mit Frauenkörpern. Aus Hagar Qim stammen unter anderem die berühmte Venus von Malta und die „schlafende Frau“. Die Anlage liegt direkt an der steilen Südküste etwa vier Kilometer südlich von Siggiewi und besteht eigentlich aus zwei Tempelanlagen: Hagar Qim und Mnajdra, die über einen Plattenweg verbunden sind. Seit 2009 sind sie durch ein zeltartiges Dach geschützt und erlauben dadurch auch bei heißem Wetter die Besichtigung.

Schon damals wussten die Menschen um die schönsten Plätze. Sieht man von Norden durch die Steinformation, fällt der Blick direkt auf die vorgelagerte Insel Filfla – heute ein Vogelschutzgebiet. Gleich neben der architektonischen wartet eine natürliche Sehenswürdigkeit: Rund einen Kilometer von den Ausgrabungen entfernt hat man einen wunderbaren Blick über die Klippen auf die berühmte blaue Grotte von Malta (und die besuchergefüllten Boote).

Caravaggio und Waterfront

In Valletta erstaunt die Dichte an Kunst und Kultur. In der knapp einen Quadratkilometer großen, auf einem Reißbrett geplanten Hauptstadt, übrigens der kleinsten der EU, offenbart sich lange Geschichte. Ihre Erbauung geht auf die Johanniter-Ritter zurück, die die maltesischen Inseln 1530 durch Karl V. erhielten, der sie damit vor den osmanischen Eroberungszügen retten wollte. Die Ritter konnten sich tatsächlich gegen die übermächtigen Angriffe der osmanischen Heere widersetzen. Ihren Namen verdankt sie daher auch dem Sieger der wichtigsten Schlacht gegen die Türken im Jahr 1565: Jean Parisot de la Valletta.

Nirgendwo sonst gibt es so viele Paläste, Museen und Kirchen auf so kleinem Raum. Die 268-Jahre-Herrschaft des Johanniter-Ordens hinterließ ein einzigartiges Kulturerbe. Die Ritter beauftragten die bedeutendsten Architekten ihrer Zeit und ließen so feudale Bauten, Festungsanlagen, Wachtürme und Aquädukte errichten. Dem Orden ist auch eines der bekanntesten Wahrzeichen zu verdanken, das achtzackige Malteserkreuz. Die St. John's Co-Kathedrale, die Ordenskirche der Malteser-Ritter, erscheint außen vollkommen nüchtern, aber innen entfaltet sich barocke Pracht mit Steinreliefs, Fresken und Goldverzierungen auf farbigem Marmor – und zwei großen Gemälden Caravaggios. Vor allem „Die Enthauptung Johannes des Täufers“ mit seinem dramatischen Spiel von Licht- und Schatteneffekten beeindruckt tief.

St. Elmo heißt das sternförmige Gebäude, das 1552 errichtet und nach der Zerstörung durch die Türken 1565 wieder vollständig aufgebaut wurde. Es bildet den nördlichen Abschluss der Befestigungen von Valletta. Schließlich fasziniert auch der Grandmaster's Palace. Er war das erste Gebäude, das die Malteser-Ritter 1571 erbauten, nachdem sie Valletta zu ihrer Hauptstadt ernannt hatten. Heute ist der Palace Sitz des Staatspräsidenten. Ebenfalls auf die Malteser gehen die 19 Lagerhäuser direkt am Großen Hafen zurück, eine Waterfront mit Promenade, Kreuzfahrtterminal, Restaurants und Geschäften. Sie steuert man am besten vom Meer aus in einer der traditionellen Dghajsa, ähnlich der venezianischen Gondeln, an.

Und überall die hellen Kalksteingebäude mit Säulen, Erkern und Torbögen. Wenn man in Upper Barrakka Garden steht, einer Parkanlage, die 1661 für einen italienischen Ritter angelegt wurde, hat man einen atemberaubenden Blick auf den großen Hafen und die drei Städte. Egal wo man in Malta steht, auf jedem Hügel ragt eine Kirche empor. Auf 400.000 Einwohner der Insel kommen 400 Objekte. Allein in Valletta stehen 28 Kapellen und Kirchen. Diese Zahl wird nur von den unzähligen Erkern und Balkonen übertroffen. Welche Straße man auch immer betritt, sei sie noch so schmal und klein, man wandelt unter mehr Loggien als Eingangstüren vorbei.

Calleja-Konzert jedes Jahr

So geschichtsträchtig sich die Insel auch präsentiert, mediterraner Lifestyle, Nightlife und viele Events – aktuell zum EU-Kulturhauptstadtjahr – machen Malta zu einem angesagten Mittelmeer-Hotspot. Zu einem der jährlichen Höhepunkte gehört das Konzert des maltesischen Tenors Joseph Calleja, das heuer durch die Gesangspartnerschaft mit Eros Ramazzotti Anlass für einen Malta-Trip bot. Nicht nur die beiden Größen der klassischen und der Popmusik, geführt und begleitet vom Malta Philharmonic Orchestra, boten ein großartiges Konzert unter dem nächtlichen maltesischen Himmel. Calleja überraschte unter anderen mit der Gesangsentdeckung Emma Muscat. Die beleuchtete Kirche der Granaries in Floriana bot einen besonderen Hintergrund für das Event, für das nächstes Jahr das Duett Joseph Calleja und Andrea Bocelli geplant ist. Eine im wahrsten Sinn des Wortes „klassische“ Gelegenheit, am 24. August 2019 nach Malta zu reisen.

INFO

Übernachten: The Vincent, eines der vielen neu renovierten Boutique-Hotels: www.thevincenthotelmalta.com

Infos: www.valletta2018.org, www.visitmalta.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2018)

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