Der türkische Präsident kritisiert nach der Zinsentscheidung die Zentralbank erneut scharf.
Ankara. Die Entspannungsphase dauerte nur kurz: Am Donnerstag hat die türkische Zentralbank – ganz gegen die Vorgabe von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der eine Senkung gefordert hatte – den Leitzins deutlich auf 24 Prozent erhöht. Die Lira erholte sich daraufhin kurzfristig.
Aber schon am Freitag legte Erdoğan nach: Seine Geduld habe Grenzen, sagte er vor Vertretern der regierenden AKP über die Zinspolitik der Währungshüter. Es sei der Notenbank binnen 15 Jahren nicht gelungen, ihr Inflationsziel einzuhalten, sagte Erdoğan, der die Arbeit der Währungshüter schon mehrfach harsch verurteilt hatte. Nach der Zinserhöhung werde man die Ergebnisse der Unabhängigkeit der Notenbank sehen können, meinte er nicht ohne Zynismus.
Nach dem Zinsentscheid vom Donnerstag wertete die Lira zunächst deutlich auf. Anleger deckten sich daraufhin mit Lira ein. Der Leitindex der Istanbuler Börse schloss nach anfänglichen Verlusten mit 2,4 Prozent im Plus. Am Bondmarkt drückte die Nachfrage nach türkischen Anleihen die Rendite der zehnjährigen Titel von 19,37 auf 18,19 Prozent.
Analysten warnen jedoch vor einem neuerlichen Absturz der türkischen Währung, die seit Jahresbeginn schon rund 40 Prozent an Wert verloren hat. Laut Erdoğan ist die Talfahrt der Lira Ergebnis einer „abscheulichen wirtschaftlichen Attacke“, die nach einer Serie von Äußerungen aus den USA in Gang gekommen sei.
Vergebliche Liebesmüh?
Der Machtkampf Erdogans gegen die Zentralbank ist nicht zu Ende – und es ist offen, wer ihn gewinnt. Das von einer Währungskrise und Kapitalflucht heimgesuchte Land hatte unter Investoren ja gerade deshalb an Vertrauen verloren, weil Zweifel an der Unabhängigkeit der Notenbank aufgekommen waren.
„Die Zinserhöhung war der richtige Schritt, aber wichtig ist jetzt, wie der türkische Präsident sich zur Straffung der Geldpolitik positioniert“, sagt Ökonom Kota Hirayama vom Brokerhaus SMBC Nikko Securities. Es sei naiv zu glauben, dass der Staatschef die Unabhängigkeit der Zentralbank respektiere. Sollte sich die Regierung in die Entscheidungen der Währungshüter einmischen, sei die jetzige Zinserhöhung vergebliche Liebesmüh gewesen.
Das zeichnet sich schon ab: Nach den Äußerungen Erdoğans geriet die Lira wieder unter Druck. Dollar und Euro verteuerten sich umgehend zur türkischen Devise.
Commerzbank-Devisenanalyst Tatha Ghose ortet keine Tendenz zu einer nachhaltigen Lira-Aufwertung. Es sei damit zu rechnen, dass die Inflation bald den aktuellen Zinssatz übertreffen werde. Die Teuerung liegt bei rund 18 Prozent. Auch BayernLB-Experte Andreas Speer äußert sich zurückhaltend: So positiv dieser Schritt der Notenbank im Hinblick auf die Wahrung ihrer Unabhängigkeit und den Versuch der Wiederherstellung des Vertrauens ausländischer Investoren bewertet werden kann, es bleibe abzuwarten, welchen wirtschaftlichen Schaden die Leitzinserhöhung in der Türkei verursacht. (Reuters/eid)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2018)