„Migrationszar“ Salvini provoziert in Wien

„Das neue Gesicht Europas“ (© „Time“): Italiens Innenminister Matteo Salvini auf Wien-Besuch.
„Das neue Gesicht Europas“ (© „Time“): Italiens Innenminister Matteo Salvini auf Wien-Besuch.APA/HERBERT NEUBAUER
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Beim EU-Treffen am Freitag sorgte das Thema Zuwanderung für heftige Streitereien. Der italienische Lega-Innenminister, der sich mit FPÖ-Chef Strache traf, empörte mit Aussagen über „Einwanderer als Sklaven“.

Wien. „Unsere beiden Parteien verbindet eine antike Allianz, eine wunderschöne Freundschaft.“ Nach heftigen Verbalduellen bei der gestrigen EU-Innenministerkonferenz in Wien fand Italiens Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini am Nachmittag in Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) seinen Gesinnungsgenossen. Verschmitzt fügte Salvini hinzu: „Und unsere beide Länder erwarten UNO-Inspektoren wegen unserer Migrationspolitik.“

Zurückhaltend äußerte ich Salvini hingegen bei Fragen zur Doppelstaatsbürgerschaft für deutsch- und ladinischsprachige Südtiroler. „Wir werden eine Übereinstimmung finden, die die Zustimmung beider Regierungen findet“, sagte er ausweichend. Gegenüber dem ORF erklärte Salvini zudem, nur Italien könne Italienern Pässe verleihen.  Rom hatte zuletzt entsprechende Pläne aus Wien als „feindlichen Akt“ bezeichnet.

„Scheiße nocheinmal“

Gestern demonstrierte man aber vor allem europapolitische Eintracht. Denn die EU-Parlamentswahl im Mai rückt näher. Salvini und Strache stellten sich klar hinter Ungarns Premier Viktor Orbán: „Bald werden wir gemeinsam mit Orbán regieren. Wir werden Europa verändern, wir werden die Sozialisten verjagen“, so Salvini. EU-Sanktionen „gegen das ungarische Volk“ seien eine „Verrücktheit“.

Der Lega-Chef mit seinem harten Migrationskurs stilisiert sich derzeit zur Galionsfigur der europäischen Europa-Skeptiker hoch. Beim EU-Votum im Mai will man mit dem Migrationsthema punkten. Ein Streit darüber hatte am Vormittag die Wogen hochgehen lassen. Da mokierte sich Oberprovokateur Salvini über Luxemburgs Außen- und Migrationsminister Jean Asselborn, laut dem das alternde Europa Zuwanderung brauche. „Ich arbeite lieber dafür, dass junge Italiener und Europäer mehr Kinder in die Welt setzen, weil ich keine neuen Sklaven will“, sagte er. „Wenn ihr in Luxemburg neue Migration braucht, schön und gut. In Italien helfe ich lieber Italienern, dass sie wieder Kinder machen.“

Asselborn verlor die Contenance. In den letzten Jahrzehnten seien zahlreiche italienische Migranten nach Luxemburg gekommen, „weil ihr in Italien nicht für eure Kinder sorgen konntet“. Er warf seinen Kopfhörer auf den Konferenztisch und rief: „Merde alors“. Dem „Familienfoto“ blieb Asselborn fern, Salvini postierte sich in der Mitte.

Auch zwischen der österreichischen Ratspräsidentschaft und der EU-Kommission sind die Fronten in der Migrationspolitik verhärtet, wie sich gestern einmal mehr zeigte – und zwar in der zentralen Frage der Ausschiffungsplattformen außerhalb der EU. Diese stehen für Wien im Zentrum einer langfristigen Lösung der Flüchtlingsfrage. Innenkommissar Dimitris Avramopoulos hingegen hält Asylzentren, auf die sich die Staats- und Regierungschefs Ende Juni geeinigt hatten, für „unmöglich“.
Tatsächlich hat sich bisher noch kein nordafrikanisches Land zur Errichtung der Flüchtlingsplattformen bereit erklärt; und auch die Staaten des Westbalkan zeigen sich skeptisch bis ablehnend. Innenminister Herbert Kickl hält es dennoch für ein „schlechtes Signal, die Flinte ins Korn zu werfen“, wie er an die Adresse von Avramopoulos am Rande der Migrationskonferenz der EU-Innenminister, an der gestern auch Amtskollegen aus einigen afrikanischen Ländern teilnahmen, betonte.

Kickl: Asylprüfung auf Schiffen

In der Debatte brachte der Innenminister den Vorschlag ins Spiel, die Schutzbedürftigkeit von Flüchtlingen direkt auf den Rettungsschiffen im Mittelmeer prüfen zu lassen. Dies habe auch den Vorteil, dass die Schiffe für die Schlepperei aus dem Verkehr gezogen würden. Salvini konterte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kickl im Anschluss an das Treffen ironisch: „Da könnte man ja noch angeklagt werden, dass man die Personen (auf den Schiffen, Anm.) gefangen hält.“

In Wirklichkeit hatte „Migrationszar“ (© „Time“) Salvini am Freitag andere Sorgen. Daheim war er in Erklärungsnot geraten, nachdem sein deutscher Amtskollege Horst Seehofer einen Flüchtlingsrücknahmedeal mit Rom angekündigt hatte. Gestern machte Salvini klar, er habe noch gar nichts unterschrieben. Und er forderte „mehr Einsatz aus Berlin“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2018)

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